ZGB 125
Sachverhalt
A. (geb. 1948) und B. (geb. 1968) heirateten 2009. Sie sind Eltern der 2011 geborenen Tochter C.
Im Juni 2012 hoben die Ehepartner den gemeinsamen Haushalt auf.
Im Oktober 2012 beantragte A. die Regelung des Getrenntlebens.
Im Juli 2014 klagte A. auf Scheidung.
Prozess-History
- Mit Urteil 5A_617/2017 vom 14. Mai 2018schied das Bundesgericht (BGer) die Ehe.
- Mit Verfügung vom 19. März 2020 setzte das Bezirksgericht Zürich die Scheidungsfolgen fest.
- Die dagegen erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Zürich (OGZ) teilweise gut.
- Dagegen erhob A. Beschwerde beim BGer und forderte die Aufhebung des Teilurteils betreffend den nachehelichen Unterhalt;
- umstritten war die Frage geblieben, ob es sich i.c. um eine lebensprägende Ehe handle.
Erwägungen
Allgemein
Für die Festlegung des nachehelichen Unterhalts war hier entscheidend, ob die Ehe lebensprägend war.
Bestätigung der jüngsten Rechtsprechung durch das BGer
Das BGer bestätigte seine jüngste Rechtsprechung, wonach die Unterscheidung zwischen lebensprägender und nicht lebensprägender Ehe nicht die Funktion eines «Kippschalters» haben dürfe:
- Abgeltung der Kinderbetreuung
- Nachteile eines Elternteils aus der Betreuung von Kindern würden primär durch den Betreuungsunterhalt kompensiert.
- Gemeinsame Kinder bewirken keine Lebensprägung (mehr)
- Allein das Vorhandensein gemeinsamer Kinder begründet keine Lebensprägung (mehr).
- Einjährige Kurzehe begründet kein Vertrauen auf Fortbestand der Aufgabenteilung
- Eine kurze Ehedauer, innert welcher die klassische Rollenteilung in einem gemeinsamen Haushalt weniger als ein Jahr gelebt wurde, begründet kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand dieser Aufgabenteilung.
- Vorehelicher Wohnungskauf ohne Präjudiz
- An der Beurteilung der Kurzehe ändert ein vorehelicher Kauf einer gemeinsamen Wohnung nichts.
Weitere Argumente des Bundesgerichts
Das Bundesgericht (BGer) hat dabei weiter folgende eindrücklichen Feststellungen gemacht:
- Bei der Auflösung einer nicht lebensprägenden Ehe wird
- mit Blick auf einen allfälligen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
- prinzipiell an den vorehelichen Verhältnissen angeknüpft,
- d.h. die Ehegatten sind so zu stellen,
- wie wenn die Ehe nie geschlossen worden wäre.
- d.h. die Ehegatten sind so zu stellen,
- prinzipiell an den vorehelichen Verhältnissen angeknüpft,
- mit Blick auf einen allfälligen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
- Damit besteht
- unter Umständen ein aus dem Gedanken der nachehelichen Solidarität fliessender Anspruch auf Ersatz einer Art negativen Interesses namens «Heiratsschaden».
Einzelfallprüfung
Ob eine lebensprägende Ehe vorliegt, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen:
- Wirtschaftliche Abhängigkeit
- Dass sich die Ehefrau mit ihrem Unternehmen in die wirtschaftliche Abhängigkeit der Unternehmensgruppe des Ehemanns begab,
- war vorliegend keine direkte oder notwendige Folge der Ehe.
- Dass sich die Ehefrau mit ihrem Unternehmen in die wirtschaftliche Abhängigkeit der Unternehmensgruppe des Ehemanns begab,
- Auflösung der Geschäftsbeziehungen nach der Trennung
- Die Auflösung der Geschäftsbeziehungen nach der Trennung und die daraus folgende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Ehefrau waren
- nicht ehebedingt und
- für die Lebensprägung unbeachtlich.
- Die Beschwerdegegnerin entschied sich, einen beruflichen Wiedereinstieg nicht einmal zu versuchen und sich ganz der Kinderbetreuung zu widmen.
- Damit ist das nacheheliche Absehen von jeglicher Erwerbstätigkeit unabhängig der sich aus den verbleibenden Kinderbetreuungspflichten ergebenden Implikationen zu einem wesentlichen Teil auf ihre freie Lebensentscheidung zurückzuführen.
- Die Auflösung der Geschäftsbeziehungen nach der Trennung und die daraus folgende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Ehefrau waren
- Keine lebensprägende Ehe
- Insgesamt lag keine lebensprägende Ehe vor, auch wenn anzuerkennen war, dass die wirtschaftliche Wiedereingliederung der Ehefrau durch die verbleibenden Betreuungspflichten erschwert werden kann.
Fazit
Unter diesen Umständen hatte die Vorinstanz
- trotz des ihr insoweit zukommenden Ermessens
- zu Unrecht
- auf das Vorliegen einer lebensprägenden Ehe geschlossen und
- den Unterhalt entsprechend festgesetzt.
- zu Unrecht
Der Vorwurf der Verletzung von ZGB 125 und die Beschwerde erwiesen sich daher als begründet.
Entscheid
- Teilweise Gutheissung der Beschwerde.
- Teilweise Rückweisung an die Vorinstanz,
- u.a. zu neuer Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt und der Kosten des kantonalen Verfahrens;
- Auferlegung der Gerichtskoten an die Beschwerdegegnerin, welche den Beschwerdeführer zu entschädigen hat.
BGer 5A_568/2021 vom 25.03.2022 = BGE 148 III 161
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Quelle
LawMedia Redaktionsteam