SchKG 92 + SchKG 93
In einem betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren stellte sich der SchKG-Aufsichtsbehörde (AB) die Frage, ob ein Freizügigkeitsguthaben im Rahmen eines Arrestverfahrens pfändbar ist:
- ganz, sofern das Rentenkapital durch Schuldner über Jahre nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet wurde, oder
- teilweise, diesfalls mit einer Rentenberechnung.
Das Betreibungsamt hat laut AB zu ermitteln,
- welche lebenslängliche Rente sich mit dem Guthaben unter Beachtung der erwartbaren durchschnittlichen Lebenserwartung des Schuldners kaufen liesse und
- ob der erhobene Betrag für die Dauer eines Jahres zu pfänden, soweit das Existenzminimum des Schuldners aus anderen Mitteln gedeckt werden kann.
Vgl. BGer 5A_338/2019 vom 23.09.2019, Erw. 6.2.1; BGer 5A_884/2020 vom 10.06.2021, Erw. 2.4.2; BGer 8C_441/2021 vom 24.11.2021.
Sofern und soweit sich der Schuldner zur Frage seines Existenzminimums und seines Einkommens nicht vernehmen lässt,
- kann laut AB davon ausgegangen werden,
- dass sein Lebensbedarf derzeit gedeckt sei und
- dass die Jahresrente gepfändet werden könne.
Quelle
Aufsichtsbehörde Basel-Stadt
18.01.2022
in: BlSchK 86 (2022) Nr. 22, S. 197 ff.
4. Unpfändbare Vermögenswerte
Art. 92 SchKG
1 Unpfändbar sind:
1. die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a. Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
2. die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3. die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4. nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5. die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6. die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7. das Stammrecht der nach den Artikeln 516–520 OR bestellten Leibrenten;
8. Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9. Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a. die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
10. Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11. Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2 Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.
3 Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1–3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.
4 Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches (Art. 378 Abs. 2 StGB).
Art. 93 SchKG
1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2 Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3 Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.