OR 959a Abs. 2 Ziff. 3 lit. e + DBG 58 Abs. 1 lit. a
Sachverhalt
Die A AG (nachfolgend: die Steuerpflichtige) ist eine Holdinggesellschaft mit Sitz in Zürich. Sie hielt die Anteile der A-Gruppe, einem Unternehmen, welches im Bereich … tätig ist. Die Aktien der Steuerpflichtigen sind an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange kotiert.
Die Steuerpflichtige hat die Differenz zwischen Anschaffungskosten und Zuteilungswert der für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm verwendeten eigenen Aktien handelsrechtskonform nicht erfolgswirksam verbucht.
Strittig war, ob eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift besteht, welche für gewinnsteuerliche Zwecke vorschreibt, von der handelsrechtskonform erstellten Jahresrechnung abzuweichen.
Prozess-History
- Steuerbehörden
- Veranlagungsvorschlag
- Zwischen dem 13. und dem 15. September 2017 überprüfte das kantonale Steueramt am Domizil der Steuerpflichtigen das Geschäftsjahr 2015.
- Dabei wurde festgestellt, dass die Steuerpflichtige für ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm verwendete Aktien, die sie in den Jahren 2011 und 2012 zurückgekauft hatte, in ihrer Bilanz nicht als Aktivum, sondern im Eigenkapital als Minusposten ausgewiesen hatte.
- Im Rahmen der Zuteilung dieser Aktien an Mitarbeitende im Geschäftsjahr 2015 kam es zu einer positiven Differenz zwischen dem Zuteilungswert und den Anschaffungskosten von Fr. …, welche von der Steuerpflichtigen mit dem vorerwähnten Minusposten im Eigenkapital verrechnet und – erfolgsunwirksam – der gesetzlichen Kapitalreserve zugewiesen wurde.
- Am 20. März 2020 stellte das kantonale Steueramt der Steuerpflichtigen einen Veranlagungsvorschlag betreffend die direkte Bundessteuer zu, mit welchem der steuerbare Reingewinn um die nicht erfolgswirksam verbuchte Differenz zwischen Anschaffungskosten und Zuteilungswert der für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm verwendeten Aktien erhöht wurde. Betreffend die Gewinnsteuer auf Staats- und Gemeindeebene erfolgte keine Korrektur, da die Pflichtige als Holdinggesellschaft davon befreit ist.
- Mit Verfügung vom 1. Oktober 2020 erhob das kantonale Steueramt diesen – von der Pflichtigen zurückgewiesenen – Vorschlag zur Veranlagung.
- Zwischen dem 13. und dem 15. September 2017 überprüfte das kantonale Steueramt am Domizil der Steuerpflichtigen das Geschäftsjahr 2015.
- Einsprache
- Eine von der Steuerpflichtigen mit Eingabe vom 28. Oktober 2020 erhobene Einsprache wies das kantonale Steueramt mit Entscheid vom 19. April 2021 ab.
- Veranlagungsvorschlag
- Steuerrekursgericht des Kantons Zürich
- Mit Entscheid vom 18. Januar 2022 wies das Steuerrekursgericht die von der Steuerpflichtigen gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab.
- Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
- Mit Eingabe vom 25. Februar 2022 erhob die Pflichtige Beschwerde beim Verwaltungsgericht.
- Sie stellte in der Hauptsache den Antrag, den Entscheid des Steuerrekursgerichts vom 18. Januar 2022 aufzuheben und sie für die direkte Bundessteuer 2015 – in Übereinstimmung mit ihrer Deklaration – mit einem steuerbaren Gewinn von Fr. … und einem Beteiligungsabzug von … % zu veranlagen;
- eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des rechtserheblichen Sachverhalts und zum Neuentscheid an das Steuerrekursgericht zurückzuweisen.
Erwägungen des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (VGer ZH) erwog folgendes:
- Rechnungslegungsrecht
- Das schweizerische Rechnungslegungsrecht hat im Jahr 2013 einen Paradigmenwechsel erfahren,
- indem die Darstellung der eigenen Kapitalanteile in den handelsrechtlichen Büchern der Kapitalgesellschaften nun mit der international üblichen Betrachtung in Einklang gebracht wurde;
- indem OR 959a Abs. 2 Ziff. 3 lit. e die Bildung eines negativen Eigenkapitalpostens in der Höhe der Anschaffungskosten statt der Aktivierung der eigenen Kapitalanteile vorsieht.
- Das schweizerische Rechnungslegungsrecht hat im Jahr 2013 einen Paradigmenwechsel erfahren,
- Rückkauf eigener Aktien
- Der Rückkauf eigener Aktien wird rechnungslegungsrechtlich betrachtet als:
- Kapitalherabsetzungsvorgang.
- Der Rückkauf eigener Aktien führt
- zu einer Entreicherung der Aktiengesellschaft und
- zu einer Reduktion des Haftungssubstrats,
- weil Aktienkapital nicht durch sich selbst, sondern nur durch echte Aktiven gedeckt werden kann.
- Wenn zurückgekaufte eigene Aktien wieder ausgegeben werden,
- ist rechnungslegungsrechtlich der Minusposten gemäss OR 959a Abs. 2 Ziff. 3 lit. 3 wieder aufzulösen.
- Ein Differenzbetrag zwischen Ausgabepreis und Anschaffungskosten
- ist buchhalterisch nach weit überwiegender Auffassung erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen.
- Der Rückkauf eigener Aktien wird rechnungslegungsrechtlich betrachtet als:
- Massgeblichkeitsprinzip
- Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht prinzipiell davon aus,
- dass der Rückkauf eigener Aktien wirtschaftlich zu einer sofortigen Entreicherung der Gesellschaft führt und
- dass eine spätere Wiederbegebung der Aktien als Finanzierungsvorgang zu betrachten ist,
- welche über die Scharnierfunktion von DBG 58 Abs. 1 lit. a (Massgeblichkeitsprinzip) auch für die Gewinnsteuern Wirkung erheischt.
- Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht prinzipiell davon aus,
- Zu Unrecht vom KStA ZH erhöhter steuerbarer Reingewinn
- Das Kantonale Steueramt hat damit den steuerbaren Reingewinn der Steuerpflichtigen zu Unrecht um die nicht erfolgswirksam verbuchte Differenz zwischen Anschaffungskosten und Zuteilungswert der für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm verwendeten Aktien erhöht.
Entscheid des Verwaltungsgerichts
- Gutheissung der Beschwerde.
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
vom 11.01.2023
SB.2022.00006
Weiterführende Informationen
II. Mindestgliederung
Art. 959a OR
1 Unter den Aktiven müssen ihrem Liquiditätsgrad entsprechend mindestens folgende Positionen einzeln und in der vorgegebenen Reihenfolge ausgewiesen werden:
1. Umlaufvermögen:
a. flüssige Mittel und kurzfristig gehaltene Aktiven mit Börsenkurs,
b. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen,
c. übrige kurzfristige Forderungen,
d. Vorräte und nicht fakturierte Dienstleistungen,
e. aktive Rechnungsabgrenzungen;
2. Anlagevermögen:
a. Finanzanlagen,
b. Beteiligungen,
c. Sachanlagen,
d. immaterielle Werte,
e. nicht einbezahltes Grund-, Gesellschafter- oder Stiftungskapital.
2 Unter den Passiven müssen ihrer Fälligkeit entsprechend mindestens folgende Positionen einzeln und in der vorgegebenen Reihenfolge ausgewiesen werden:
1. kurzfristiges Fremdkapital:
a. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen,
b. kurzfristige verzinsliche Verbindlichkeiten,
c. übrige kurzfristige Verbindlichkeiten,
d. passive Rechnungsabgrenzungen;
2. langfristiges Fremdkapital:
a. langfristige verzinsliche Verbindlichkeiten,
b. übrige langfristige Verbindlichkeiten,
c. Rückstellungen sowie vom Gesetz vorgesehene ähnliche Positionen;
3. Eigenkapital:
a. Grund-, Gesellschafter- oder Stiftungskapital, gegebenenfalls gesondert nach Beteiligungskategorien,
b. gesetzliche Kapitalreserve,
c. gesetzliche Gewinnreserve,
d.781 freiwillige Gewinnreserven,
e.782 eigene Kapitalanteile als Minusposten,
f.783 Gewinnvortrag oder Verlustvortrag als Minusposten,
g.784 Jahresgewinn oder Jahresverlust als Minusposten.
3 Weitere Positionen müssen in der Bilanz oder im Anhang einzeln ausgewiesen werden, sofern dies für die Beurteilung der Vermögens- oder Finanzierungslage durch Dritte wesentlich oder aufgrund der Tätigkeit des Unternehmens üblich ist.
4 Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber direkt oder indirekt Beteiligten und Organen sowie gegenüber Unternehmen, an denen direkt oder indirekt eine Beteiligung besteht, müssen jeweils gesondert in der Bilanz oder im Anhang ausgewiesen werden.
781 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 4005; 2022 109; BBl 2017 399).
782 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 4005; 2022 109; BBl 2017 399).
783 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 4005; 2022 109; BBl 2017 399).
784 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 4005; 2022 109; BBl 2017 399).
2. Abschnitt: Berechnung des Reingewinns
Art. 58 DBG Allgemeines
1 Der steuerbare Reingewinn setzt sich zusammen aus:
a. dem Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages des Vorjahres;
b. allen vor Berechnung des Saldos der Erfolgsrechnung ausgeschiedenen Teilen des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung von geschäftsmässig begründetem Aufwand verwendet werden, wie insbesondere:
– Kosten für die Anschaffung, Herstellung oder Wertvermehrung von Gegenständen des Anlagevermögens,
- geschäftsmässig nicht begründete Abschreibungen und Rückstellungen,
- Einlagen in die Reserven,
- Einzahlungen auf das Eigenkapital aus Mitteln der juristischen Person, soweit sie nicht aus als Gewinn versteuerten Reserven erfolgen,
- offene und verdeckte Gewinnausschüttungen und geschäftsmässig nicht begründete Zuwendungen an Dritte;
c. den der Erfolgsrechnung nicht gutgeschriebenen Erträgen, mit Einschluss der Kapital-, Aufwertungs- und Liquidationsgewinne, vorbehältlich Artikel 64. …134
2 Der steuerbare Reingewinn juristischer Personen, die keine Erfolgsrechnung erstellen, bestimmt sich sinngemäss nach Absatz 1.
3 Leistungen, welche gemischtwirtschaftliche, im öffentlichen Interesse tätige Unternehmen überwiegend an nahe stehende Personen erbringen, sind zum jeweiligen Marktpreis, zu den jeweiligen Gestehungskosten zuzüglich eines angemessenen Aufschlages oder zum jeweiligen Endverkaufspreis abzüglich einer angemessenen Gewinnmarge zu bewerten; das Ergebnis eines jeden Unternehmens ist entsprechend zu berichtigen.
134 Zweiter Satz aufgehoben durch Ziff. I 2 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung, mit Wirkung seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 2395 2413; BBl 2018 2527).
Quelle
LawMedia Redaktionsteam