AIG 68, VGG 32 + EMRK 8
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) präzisiert in einem Grundsatzurteil seine Rechtsprechung zu:
- den Ausweisungen und
- den Einreiseverboten.
Gerichtliche Beschwerde oder Verwaltungsbeschwerde?
- In einem konkreten Fall (siehe Box) stellte sich für das BVGer, unter welchen Bedingungen Ausweisungen und Einreiseverbote, die gestützt auf Artikel 68 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) ergingen, der gerichtlichen Beschwerde oder Verwaltungsbeschwerde unterstehen.
Dabei klärte das BVGer, unter welchen Bedingungen Ausweisungen und Einreiseverbote, die gestützt auf Artikel 68 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) verfügt werden, einer richterlichen Prüfung und nicht einer Verwaltungsprüfung zu unterziehen sind:
- Gegenstand einer BVGer-Beschwerde?
- Ausweisungen und Einreiseverbote, die gestützt auf Artikel 68 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG)verfügt werden, können Gegenstand einer gerichtlichen Beschwerde beim BVGer sein und somit nicht dem Verfahrensweg der Verwaltungsbeschwerde beim EJPD und dann beim Bundesrat (BR)
- Voraussetzungen
- Voraussetzung für eine BVGer-Beschwerde ist, dass die Gegenausnahme gemäss Artikel 32 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VGG) anwendbar ist.
- Ausländische Beschwerdeführende müssen demnach einen völkerrechtlichen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung geltend machen:
- Ein völkerrechtlicher Anspruch lässt sich aus Artikel 13 EMRK ableiten, der das Recht auf wirksame Beschwerde begründet.
- Die Betroffenen haben aber eine materielle Bestimmung der EMRK überzeugend geltend zu machen.
Das Fedpol verfügt Ausweisungs- und Einreiseverbots-Entscheide, um die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz aufrecht zu erhalten.
…
Im vorliegenden Fall machte der Beschwerdeführer auf hinreichend stichhaltige Weise das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend (Art. 8 EMRK), indem seine Ehegattin und die beiden gemeinsamen Kinder mit einer Niederlassungsbewilligung in der Schweiz wohnhaft sind. Daher erklärt sich das BVGer für die Beschwerde gegen die Verfügung des EJPD zuständig. In der Sache bestätigt es die Ablehnung des Ersuchens um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Die Zuständigkeit des BVGer erstreckt sich auch auf die Beschwerde gegen den Hauptentscheid des Fedpol von Dezember 2022. Deshalb ersucht das BVGer das EJPD um Aushändigung des gesamten Dossiers, um das Beschwerdeverfahren weiterführen zu können.»
Quelle: Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2023
Dieses Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.
BVGer F-3116/2023 vom 27.06.2023
Art. 68 AIG Ausweisung
1 Fedpol kann zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz gegenüber Ausländerinnen und Ausländern eine Ausweisung verfügen; es hört den NDB vorgängig an.
2 Mit der Ausweisung ist eine angemessene Ausreisefrist anzusetzen.
3 Die Ausweisung wird mit einem befristeten oder unbefristeten Einreiseverbot verbunden. Die verfügende Behörde kann das Einreiseverbot vorübergehend aufheben, wenn wichtige Gründe vorliegen.
4 Wenn die betroffene Person erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet, ist die Ausweisung sofort vollstreckbar.
Art. 32 VGG Ausnahmen
1 Die Beschwerde ist unzulässig gegen:
- Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt;
- Verfügungen betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie Volkswahlen und -abstimmungen;
- Verfügungen über leistungsabhängige Lohnanteile des Bundespersonals, soweit sie nicht die Gleichstellung der Geschlechter betreffen;
- …
- Verfügungen auf dem Gebiet der Kernenergie betreffend:
1. Rahmenbewilligungen von Kernanlagen,
2. die Genehmigung des Entsorgungsprogramms,
3. den Verschluss von geologischen Tiefenlagern,
4. den Entsorgungsnachweis;
- Verfügungen über die Erteilung oder Ausdehnung von Infrastrukturkonzessionen für Eisenbahnen;
- Verfügungen der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen;
- Verfügungen über die Erteilung von Konzessionen für Spielbanken;
- Verfügungen über die Erteilung, Änderung oder Erneuerung der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG);
- Verfügungen über die Beitragsberechtigung einer Hochschule oder einer anderen Institution des Hochschulbereichs.
2 Die Beschwerde ist auch unzulässig gegen:
- Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Einsprache oder durch Beschwerde an eine Behörde im Sinne von Artikel 33 Buchstaben c–f anfechtbar sind;
- Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz durch Beschwerde an eine kantonale Behörde anfechtbar sind.
Art. 8 EMRK Recht auf Achtung des Privat‑ und Familienlebens
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat‑ und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam