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Eigentumsansprache an Namenaktien mit unklarem Gewahrsam: Fristansetzung zur Aussonderungsklage

Datum:
11.07.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Konkursrecht (Generalexekution), Aussonderung
Thema:
Eigentumsansprache an unauffindbaren Namenaktien
Stichworte:
Aussonderungsklage, Eigentumsansprache, Fristansetzung, Konkurs, Namenaktien
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SchKG 242

Eine Verfügung betreffend Abweisung der Eigentumsansprache und Klagefristansetzung nach SchKG 242, welche bei aktuell nicht feststellbarem Gewahrsam an Namenaktien unter Konkursbeschlag auf das Aktienbuch abstellt, ist nicht nichtig. 

Die Konkursverwaltung hätte aber das vermisste Aktienzertifikat kraftlos erklären lassen können, um eine Ersatzurkunde zu erhalten und das Recht verwerten zu können.

Im Einzelnen:

Sachverhalt

Am 20. Juni 2017 wurde über B.________ der Konkurs eröffnet. Nachdem ein Gläubiger den verlangten Kostenvorschuss geleistet hatte, ordnete das Kantonsgericht des Kantons Schaffhausen mit Verfügung vom 4. September 2017 die Durchführung des summarischen Konkursverfahrens an.

A.________ erhob am 23. Oktober 2017 beim Konkursamt Schaffhausen Eigentumsanspruch an 33 Namenaktien (Nrn. 67 bis 99) der C.________ AG. Er wies darauf hin, dass diese nicht im Inventar vom 7. Juli 2017 enthalten seien.

Das Konkursamt nahm die Beteiligung von 33 Namenaktien an der C.________ AG ins Inventar der Konkursmasse B.________ vom 24. Januar 2018 auf und merkte an, der Standort der verbrieften Namenaktien sei unbekannt, sie würden aufgrund der strittigen Eigentumsverhältnisse gestützt auf verschiedene Aktienbücher in das Inventar aufgenommen.

Prozess-History

  • Konkursamt Schaffhausen
    • Mit Verfügung vom 24. Januar 2018 wies das Konkursamt Schaffhausen die von A.________ angemeldete Eigentumsansprache ab und setzte ihm gemäss SchKG 242 eine Frist von 20 Tagen zur Klageanhebung.
  • Obergericht des Kantons Schaffhausen
    • Mit Eingabe vom 17. Juni 2019 erhob A.________ beim Obergericht des Kantons Schaffhausen als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde und beantragte mitunter die Feststellung der Nichtigkeit der Verfügung des Konkursamtes Schaffhausen vom 24. Januar 2018.
    • Mit Entscheid vom 30. Dezember 2020 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Es verneinte die Nichtigkeit der Verfügung vom 24. Januar 2018.
  • Bundesgericht
    • A.________ (Beschwerdeführer) hat am 11. Januar 2021 Beschwerde in Zivilsachen erhoben.
      • Er beantragt die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 30. Dezember 2020 sowie die Feststellung der Nichtigkeit der Verfügung des Konkursamtes Schaffhausen vom 24. Januar 2018.
  • Weiteres Verfahren
    • Am 14. Februar 2018 reichte A.________ Aussonderungsklage beim Kantonsgericht des Kantons Schaffhausen ein, welche zu einem weiteren Verfahren vor Bundesgericht geführt hat (BGer 5A_539/2021 / Notwendigkeit eines Schlichtungsverfahrens).

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erwog zusammengefasst im Wesentlichen folgendes:

  • Fehlen der Original-Aktienzertifikate + Rügen
    • Der Beschwerdeführer (BF) macht mit seiner Beschwerde geltend, dass weder er noch die Konkursmasse im Besitz eines gültigen Aktienzertifikats als Wertpapier seien.
      • Folglich würde der Streitgegenstand ein nicht verbrieftes Wertrecht betreffen*), weshalb ein Prätendentenstreit vorliege.
    • Indem die Konkursverwaltung mit Verfügung vom 24. Januar 2018 die streitgegenständlichen Namenaktien als zur Konkursmasse zugehörig erklärte und dem BF gemäss SchKG 242 Abs. 2 eine Frist ansetzte, habe sie ihre Amtsbefugnisse überschritten;
      • dies führe zur Nichtigkeit und nicht bloss zur Anfechtbarkeit der Verfügung.
  • Aussonderungsverfahren bei nicht in Wertpapieren verkörperten Forderungen
    • Laut BGer ist zutreffend, dass über die Zugehörigkeit von nicht in Wertpapieren verkörperten Forderungen oder anderen Rechten nicht im Aussonderungsverfahren zu entscheiden sei; erhebe ein Dritter Anspruch auf solche Forderungen, sei dieser Prätendentenstreit vor dem ordentlichen Gericht auszutragen.
    • Die Konkursverwaltung würde in einem solchen Fall ihre Befugnisse überschreiten, wenn sie hinsichtlich dieser Objekte eine Frist gemäss SchKG 242 Abs. 2 ansetzen würde.
  • Aussonderungsverfahren bei in Wertpapieren verkörperten Forderungen
    • Entgegen der Vorbringen des BF stehen er und die Konkursmasse nicht als Prätendenten hinsichtlich einer Forderung im Zusammenhang mit den Namenaktien im Streit.
    • Gegenstand der Auseinandersetzung ist die Berechtigung an den verbrieften 33 Namenaktien der C.________ AG als Wertpapiere (OR 967), was den Anwendungsbereich des Aussonderungsverfahrens eröffnet.
  • Folgen der Unauffindbarkeit der Aktienzertifikate
    • Die Unauffindbarkeit bzw. der Verlust der Zertifikate ändert die Rechtslage hinsichtlich der Namenaktien als Wertpapiere nicht grundsätzlich.
  • Gewahrsam an den verbrieften Namenaktien
    • Gemäss den massgebenden Feststellungen der Vorinstanz seien die aktuellen Verhältnisse hinsichtlich des Zertifikats:
      • Der BF bringt vor, dass weder er noch die Konkursmasse dieses in den Händen halten.
      • Daraus kann nicht auf die Nichtigkeit der Verfügung vom 24. Januar 2018 hinsichtlich der Klagefrist gemäss SchKG 242 Abs. 2 geschlossen werden, selbst wenn das Konkursamt die Gewahrsamsverhältnisse falsch beurteilt haben sollte.
  • Beanstandung der Falschbeurteilung der Gewahrsamsverhältnisse hätte SchKG-Beschwerde bedingt
    • Die falsche Beurteilung des Gewahrsams hätte der BF innert Frist mit Beschwerde beanstanden müssen.
  • Gewahrsamsverhältnisse vor Konkurseröffnung entscheidend
    • Es gilt als anerkannt, dass im Fall, in welchem die Gewahrsamsverhältnisse im massgeblichen Zeitpunkt nicht ermittelt werden können, das letzte aus der Zeit vorher bestimmt festgestellte Gewahrsamsverhältnis entscheidend ist.
  • Abstellen auf das Aktienbuch letztbekanntes Gewahrsamsverhältnis
    • Die Konkursverwaltung bestimmte gestützt auf das Aktienbuch den Gewahrsam an den unauffindbaren Namenaktien, da dieses das letzte festgestellte Gewahrsamsverhältnis widerspiegelt, woraus keine Nichtigkeit geschlossen werden konnte.
  • Möglich gewesene Vorgehensalternative: Kraftloserklärungsverfahren mit Ersatzurkunde für die Konkursmasse
    • Für den Gewahrsam der Konkursmasse spricht weiter, dass sie das vermisste Aktienzertifikat hätte kraftlos erklären lassen können, um eine Ersatzurkunde zu erhalten und das Recht verwerten zu können.
    • Dabei hätte sie sich zum Nachweis ihrer Legitimation auf die Vermutungswirkungen des Aktienbuches stützen können.
    • Wäre nach erfolgter Kraftloserklärung ein neues Aktienzertifikat ausgestellt worden (OR 972 Abs. 1), würde sich der Anspruch des (angeblich) besserberechtigten Beschwerdeführers auf dieses neue Aktienzertifikat richten.

Nach dem Dargelegten hatte das BGer den vorinstanzlichen Entscheid nicht zu beanstanden und die Verfügung des Konkursamtes Schaffhausen vom 24. Januar 2018 war bzw. ist nicht nichtig.

Entscheid des Bundesgerichts

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 1’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Konkursamt Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen, Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, mitgeteilt.

BGer 5A_20/2021 vom 23.12.2021

Anmerkung der Redaktion

*) Entscheidende Falscheinschätzung des BF

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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