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Steuern natürliche Personen / DBG / StHG

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Unterhaltskosten für Liegenschaften: Abzug von Instandstellungskosten bei «wirtschaftlichem Neubau»

Datum:
19.09.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Steuern natürliche Personen
Thema:
„Wirtschaftlicher Neubau“
Stichworte:
Instandstellungskosten, Neubau, Steuern
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

(Praxisänderung)
DBG 32 Abs. 2 und DBG 126 Abs. 1 + 2 / StHG 9 Abs. 3 und StHG 42 Abs. 1 + 2

Zu den Unterhaltskosten gehören gemäss der am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Fassung von DBG 32 Abs. 2:

  • u.a. die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften (infolge Abschaffung der sog. «Dumont-Praxis»).
  • Kosten für Arbeiten im Zusammenhang mit einer Totalsanierung oder dem völligen Um- oder Ausbau (sog. wirtschaftlicher Neubau) sind als Instandstellungskosten abzugsfähig, soweit
    • sie aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters dazu dienen,
      • einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen,
        • mithin werterhaltend wirken

(Praxisänderung; E. 4.3-4.7).

Sachverhalt

«A.A.________ und B.A.________ wohnen im Kanton Freiburg.

Im Jahr 2018 erwarben sie im Kanton Jura ein stark renovierungsbedürftiges Bauernhaus, welches sie in den Jahren 2018 und 2019 umfassend sanierten.

Am 17. Juni 2019 reichten die Eheleute A.________ im Kanton Freiburg die Steuererklärung 2018 ein.

Sie deklarierten ein Einkommen aus unselbständiger Haupterwerbstätigkeit von Fr. 141’873.- (Ehemann) und Fr. 76’297.- (Ehefrau), ein Einkommen aus Privatkapitalien von Fr. 18’643.- sowie ein Einkommen aus Privatliegenschaften von Fr. 31’087.-, wovon sie unter anderem Liegenschaftsunterhaltskosten von Fr. 73’971.- (Fr. 23’318.- für die selbstbewohnte Liegenschaft im Kanton Freiburg; Fr. 50’653.- für die Liegenschaft im Kanton Jura) zum Abzug brachten.» (lit. A)

Prozess-History

  • Kantonale Instanzen
    • Die kantonalen Instanzen lehnten den steuerlichen Abzug der Kosten ab.
  • Bundesgericht
    • Die Eheleute erhoben Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (BGer).

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erwog grundsätzlich und hier zusammengefasst oder auszugsweise wiedergegeben folgendes:

  • Abzugsberechtigung von Unterhaltskosten + Instandstellungskosten neu erworbener Liegenschaften
    • Bei Liegenschaften im Privatvermögen können gemäss DBG 32 Abs. 2 und StHG 9 Abs. 3 u.a. die Unterhaltskosten und die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften abgezogen werden.
  • Vorinstanz folgte bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung
    • Die Vorinstanz stützte sich bei ihren Erwägungen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach
      • die Totalsanierung sowie
      • der völlige Um- oder Ausbau eines Gebäudes eine «Herstellung» darstellen (sog. «wirtschaftlicher Neubau»)

und die damit verbundenen Kosten einkommenssteuerlich gesamthaft nicht absetzbar sind.

  • Praxisänderung
    • Die bisherige Rechtsprechung ist laut BGer aufzugeben:
      • Grammatikalische Auslegung + Entstehungsgeschichte
        • Sie ist weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte vereinbar  von
          • DBG 32 Abs. 2 +
          • StHG 9 Abs. 3.
      • Abklärung von Amtes wegen unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen
        • Vielmehr ist für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft – wie bei allen anderen Liegenschaftskosten – individuell
          • aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters und
          • unter Mitwirkung der steuerpflichtigen Person gemäss DBG 126 Abs. 1 i.V.m. StHG 42 Abs. 1 + 2 abzuklären,
          • ob sie dazu dienen,
            • einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen, und
            • damit werterhaltend wirken
        • Vgl. DBG 126 Abs. 1 + 2; StHG 42 Abs. 1 + 2.
      • Ohne entsprechende Feststellung kein Wiederherstellungscharakter
        • Kann der «Wiederherstellungscharakter» und die «Werterhaltungswirkung» nicht festgestellt werden,
          • ist zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass
            • die Kosten nicht der Instandstellung dienen und
            • diese daher nicht abgezogen werden können.

Entscheid des Bundesgerichts

  • Teilweise Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten;
  • Rückweisung an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung;
  • Aufteilung der Kosten zwischen den Beschwerdeführenden (ein Fünftel) und dem Kanton Freiburg (vier Fünftel);
  • Gewährung einer reduzierteren Parteientschädigung an die Beschwerdeführenden

BGer 9C_677/2021 vom 23.02.2023   =   BGE 149 II 27 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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