(Praxisänderung)
DBG 32 Abs. 2 und DBG 126 Abs. 1 + 2 / StHG 9 Abs. 3 und StHG 42 Abs. 1 + 2
Zu den Unterhaltskosten gehören gemäss der am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Fassung von DBG 32 Abs. 2:
- u.a. die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften (infolge Abschaffung der sog. «Dumont-Praxis»).
- Kosten für Arbeiten im Zusammenhang mit einer Totalsanierung oder dem völligen Um- oder Ausbau (sog. wirtschaftlicher Neubau) sind als Instandstellungskosten abzugsfähig, soweit
- sie aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters dazu dienen,
- einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen,
- mithin werterhaltend wirken
- einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen,
- sie aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters dazu dienen,
(Praxisänderung; E. 4.3-4.7).
Sachverhalt
«A.A.________ und B.A.________ wohnen im Kanton Freiburg.
Im Jahr 2018 erwarben sie im Kanton Jura ein stark renovierungsbedürftiges Bauernhaus, welches sie in den Jahren 2018 und 2019 umfassend sanierten.
Am 17. Juni 2019 reichten die Eheleute A.________ im Kanton Freiburg die Steuererklärung 2018 ein.
Sie deklarierten ein Einkommen aus unselbständiger Haupterwerbstätigkeit von Fr. 141’873.- (Ehemann) und Fr. 76’297.- (Ehefrau), ein Einkommen aus Privatkapitalien von Fr. 18’643.- sowie ein Einkommen aus Privatliegenschaften von Fr. 31’087.-, wovon sie unter anderem Liegenschaftsunterhaltskosten von Fr. 73’971.- (Fr. 23’318.- für die selbstbewohnte Liegenschaft im Kanton Freiburg; Fr. 50’653.- für die Liegenschaft im Kanton Jura) zum Abzug brachten.» (lit. A)
Prozess-History
- Kantonale Instanzen
- Die kantonalen Instanzen lehnten den steuerlichen Abzug der Kosten ab.
- Bundesgericht
- Die Eheleute erhoben Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (BGer).
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht erwog grundsätzlich und hier zusammengefasst oder auszugsweise wiedergegeben folgendes:
- Abzugsberechtigung von Unterhaltskosten + Instandstellungskosten neu erworbener Liegenschaften
- Bei Liegenschaften im Privatvermögen können gemäss DBG 32 Abs. 2 und StHG 9 Abs. 3 u.a. die Unterhaltskosten und die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften abgezogen werden.
- Vorinstanz folgte bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung
- Die Vorinstanz stützte sich bei ihren Erwägungen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach
- die Totalsanierung sowie
- der völlige Um- oder Ausbau eines Gebäudes eine «Herstellung» darstellen (sog. «wirtschaftlicher Neubau»)
- Die Vorinstanz stützte sich bei ihren Erwägungen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach
und die damit verbundenen Kosten einkommenssteuerlich gesamthaft nicht absetzbar sind.
- Praxisänderung
- Die bisherige Rechtsprechung ist laut BGer aufzugeben:
- Grammatikalische Auslegung + Entstehungsgeschichte
- Sie ist weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte vereinbar von
- DBG 32 Abs. 2 +
- StHG 9 Abs. 3.
- Sie ist weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte vereinbar von
- Abklärung von Amtes wegen unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen
- Vielmehr ist für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft – wie bei allen anderen Liegenschaftskosten – individuell
- aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters und
- unter Mitwirkung der steuerpflichtigen Person gemäss DBG 126 Abs. 1 i.V.m. StHG 42 Abs. 1 + 2 abzuklären,
- Vielmehr ist für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft – wie bei allen anderen Liegenschaftskosten – individuell
- Grammatikalische Auslegung + Entstehungsgeschichte
- Die bisherige Rechtsprechung ist laut BGer aufzugeben:
-
-
-
-
- ob sie dazu dienen,
- einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen, und
- damit werterhaltend wirken
- ob sie dazu dienen,
- Vgl. DBG 126 Abs. 1 + 2; StHG 42 Abs. 1 + 2.
-
- Ohne entsprechende Feststellung kein Wiederherstellungscharakter
- Kann der «Wiederherstellungscharakter» und die «Werterhaltungswirkung» nicht festgestellt werden,
- ist zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass
- die Kosten nicht der Instandstellung dienen und
- diese daher nicht abgezogen werden können.
- ist zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass
- Kann der «Wiederherstellungscharakter» und die «Werterhaltungswirkung» nicht festgestellt werden,
-
-
Entscheid des Bundesgerichts
- Teilweise Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten;
- Rückweisung an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung;
- Aufteilung der Kosten zwischen den Beschwerdeführenden (ein Fünftel) und dem Kanton Freiburg (vier Fünftel);
- Gewährung einer reduzierteren Parteientschädigung an die Beschwerdeführenden
BGer 9C_677/2021 vom 23.02.2023 = BGE 149 II 27 ff.
4. Abschnitt: Privatvermögen
Art. 32 DBG
1 Bei beweglichem Privatvermögen können die Kosten der Verwaltung durch Dritte und die weder rückforderbaren noch anrechenbaren ausländischen Quellensteuern abgezogen werden.
2 Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, die Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte abgezogen werden.78 Das EFD bestimmt, welche Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können.79 Den Unterhaltskosten gleichgestellt sind auch die Rückbaukosten im Hinblick auf den Ersatzneubau.80
2bis Investitionskosten nach Absatz 2 zweiter Satz und Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau sind in den zwei nachfolgenden Steuerperioden abziehbar, soweit sie in der laufenden Steuerperiode, in welcher die Aufwendungen angefallen sind, steuerlich nicht vollständig berücksichtigt werden können.81
3 Abziehbar sind ferner die Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten, die der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Vorschriften, im Einvernehmen mit den Behörden oder auf deren Anordnung hin vorgenommen hat, soweit diese Arbeiten nicht subventioniert sind.
4 Der Steuerpflichtige kann für Grundstücke des Privatvermögens anstelle der tatsächlichen Kosten und Prämien einen Pauschalabzug geltend machen. Der Bundesrat regelt diesen Pauschalabzug.
78 Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 3. Okt. 2008 über die steuerliche Behandlung von Instandstellungskosten bei Liegenschaften, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 1515; BBl 2007 7993 8009).
79 Fassung des zweiten Satzes gemäss Ziff. II 3 des Energiegesetzes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2017 6839; BBl 2013 7561).
80 Dritter Satz eingefügt durch Ziff. II 3 des Energiegesetzes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2017 6839; BBl 2013 7561).
81 Eingefügt durch Ziff. II 3 des Energiegesetzes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2017 6839; BBl 2013 7561).
Art. 126 DBG Weitere Mitwirkungspflichten
1 Der Steuerpflichtige muss alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen.
2 Er muss auf Verlangen der Veranlagungsbehörde insbesondere mündlich oder schriftlich Auskunft erteilen, Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen sowie Urkunden über den Geschäftsverkehr vorlegen.
3 Natürliche Personen mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und juristische Personen müssen Geschäftsbücher und Aufstellungen nach Artikel 125 Absatz 2 und sonstige Belege, die mit ihrer Tätigkeit in Zusammenhang stehen, während zehn Jahren aufbewahren. Die Art und Weise der Führung und der Aufbewahrung richtet sich nach den Artikeln 957–958f OR224.225 226
225 Fassung des zweiten Satzes gemäss Ziff. I 2 des Steuererlassgesetzes vom 20. Juni 2014, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 9; BBl 2013 8435).
226 Fassung gemäss Ziff. II 1 des BG vom 22. Dez. 1999 (Die kaufmännische Buchführung), in Kraft seit 1. Juni 2002 (AS 2002 949; BBl 1999 5149).
2. Abschnitt: Abzüge
Art. 9 StHG Allgemeines
1 …
2 …
3 Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, die Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte abgezogen werden. Zudem können die Kantone Abzüge für Umweltschutz, Energiesparen und Denkmalpflege vorsehen. Bei den drei letztgenannten Abzügen gilt folgende Regelung:66
a.67 Bei den Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, bestimmt das Eidgenössische Finanzdepartement in Zusammenarbeit mit den Kantonen, welche Investitionen den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können; den Unterhaltskosten gleichgestellt sind auch die Rückbaukosten im Hinblick auf den Ersatzneubau.
1. Die nicht durch Subventionen gedeckten Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten sind abziehbar, sofern der Steuerpflichtige solche Massnahmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften, im Einvernehmen mit den Behörden oder auf deren Anordnung hin vorgenommen hat.
3bis …
4 …
66 Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 3. Okt. 2008 über die steuerliche Behandlung von Instandstellungskosten bei Liegenschaften, in Kraft seit 1. Jan. 2010 (AS 2009 1515; BBl 2007 7993 8009).
67 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 4 des Energiegesetzes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6839; BBl 2013 7561).
Art. 42 StHG Verfahrenspflichten des Steuerpflichtigen
1 Der Steuerpflichtige muss alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen.
2 Er muss auf Verlangen der Veranlagungsbehörde insbesondere mündlich oder schriftlich Auskunft erteilen, Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen sowie Urkunden über den Geschäftsverkehr vorlegen.
3 Natürliche Personen mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und juristische Personen müssen der Steuererklärung beilegen:
die unterzeichneten Jahresrechnungen (Bilanzen, Erfolgsrechnungen) der Steuerperiode; oder
bei vereinfachter Buchführung nach Artikel 957 Absatz 2 des Obligationenrechts (OR)179: Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben, über die Vermögenslage sowie über Privatentnahmen und -einlagen der Steuerperiode.180
4 Die Art und Weise der Führung und der Aufbewahrung der Dokumente nach Absatz 3 richtet sich nach den Artikeln 957–958f OR.181
179 SR 220
180 Fassung gemäss Ziff. I 3 des Steuererlassgesetzes vom 20. Juni 2014, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 9; BBl 2013 8435).
181 Eingefügt durch Ziff. I 3 des Steuererlassgesetzes vom 20. Juni 2014, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 9; BBl 2013 8435).
Weiterführende Informationen
- Steuerverfahrensrecht
- Liegenschaftenbesteuerung
Quelle
LawMedia Redaktionsteam