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Fristen / Gerichte

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Fristen und Feiertage

Datum:
26.03.2024
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Fristen, Gerichte
Thema:
Fristen und Feiertage
Stichworte:
Fairness, Ferien, Festtage
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Fairness der Behörden und Gerichte

Einleitung

Es ist wie «verhext». Wenn man in die Ferien fährt oder die Feiertage geniessen will, treffen vorher oft Verfügungen von Behörden und Urteile von Gerichten, ab deren Empfang zu beachtende Rechtsmittelfristen zu laufen beginnen, ein. – So unfair wie es die Parteien empfinden, so unfair wäre es, den Behörden und Gerichten zu unterstellen, dass sie solche Zustellungszeitpunkte bewusst wählen, damit die Rechtsunterworfenen mangels Zeit und Lust auf ein Rechtsmittel verzichten. Irgendwann müssen Behörden und Gerichte ihre Arbeit abliefern und ihre Entscheide versenden.

Nachfolgend soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – kurz auf die Fristen-, Postempfangs-, Zustellungs- und Fristwahrungs-Probleme eingegangen werden.

Bedeutung von Fristen

Im „Rechtsleben“, d.h. bei Rechtsanwälten, Unternehmensjuristen, Verwaltungsbehörden, Gerichten usw., aber auch bei den Prozessparteien und Rechtslaien spielen Fristen eine bedeutende Rolle.

Postempfang

Empfänger-Abwesenheiten

Bei der «Die Post» gibt es zwei Möglichkeiten, bei Abwesenheiten seinen Postempfang zu organisieren:

Weiter bestehen Alternativen zur «Postrückhaltung» und «Postumleitung» wie:

Postzurückhaltung

Die Information der «Die Post» lautet:

«Während Ihrer Abwesenheit werden Ihre Postsendungen für maximal 26 Wochen bei der Post zurück behalten. Der Auftrag für die befristete Aufbewahrung umfasst alle adressierten Brief- und Paket sendungen. Einschreiben und Pakete werden maximal acht Wochen, Betreibungs- und Gerichtsurkunden maximal eine Woche zurückbehalten. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist können Sie die zurückbehaltenen Sendungen am Schalter abholen (Montag bis Samstag) oder sich zu Hause zustellen lassen (Montag bis Freitag kostenlos; Samstag gegen Aufpreis). Die Zustellung oder Abholung der Sendungen muss innerhalb von sieben Tagen nach Ablauf des Auftrags erfolgen. Vom Auftrag generell ausgeschlossen sind: – SameDay-Sendungen – Innight-Sendungen – Telefonbücher, die auf reinen Paketbotentouren zugestellt werden».

Vgl. Factsheet.

Postumleitung

Die Information der «Die Post» lautet:

  • «Postsendungen werden Ihnen befristet oder bis auf Widerruf an Ihre vorübergehend gültige Adresse umgeleitet. Die Umleitung ist sowohl an Inlands- wie auch an Auslandsadressen möglich. Aufträge an eine Postlageradresse sind nur mit fixem Enddatum möglich. Betreibungsurkunden können nicht an Postlageradressen umgeleitet werden, sondern werden direkt an den Absender retourniert. Betreibungsurkunden können nur innerhalb des Betreibungskreises umgeleitet werden.»
  • «Von der Umleitung generell ausgeschlossen sind (hier interessierend): …
    • Ausland: Gerichtsurkunden und Betreibungsurkunden.»
  • Vgl. Factsheet.

Warnhinweis / Vorbehalt / Disclaimer

Da die Post aufgrund der Digitalisierung permanent in Umstrukturierung ist, muss gecheckt werden, ob und inwieweit diese Leistungen noch angeboten werden. Zudem fällt auf, dass die Post keine Warnhinweise zur Rückbehaltung oder Postumleitung von Gerichtsurkunden machen (vgl. die nachfolgend erläuterten Gefahren unter «Zustellung von Verfügungen und Entscheiden») und nur Einschränkungen bei Betreibungsurkunden erwähnen.

Die Ausführungen zum Postempfang wurden am 24.03.2024 abgerufen und erfolgen ohne jede Gewähr / s.e.&o.

Zustellung von Verfügungen und Entscheiden

Allgemeines

Eine eingeschriebene Gerichtspostsendung oder eine Gerichtsurkunde, die nicht abgeholt worden ist, gilt nach herrschender Lehre am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt!

Vorausgesetzt wird, dass die betroffene Person mit einer Zustellung rechnen musste:

  • Dies ist namentlich der Fall, wenn ein laufendes Prozess­rechts­verhältnis vorliegt,
    • welches die Parteien nach Treu und Glauben verpflichtet,
      • Für die Zustellung von behördlichen Sendungen erreichbar zu sein.

Diese Regelung gilt auch dann, wenn die Abholfrist verlängert wurde, bei einer Postlagersendung sowie bei einem Rückhalteauftrag!

Erkundigung nach bevorstehender Gerichtsurkundenzustellung + Abwesenheitsmitteilung etc.

Auch im Verkehr mit Behörden und Gerichten empfiehlt sich das Konzept der «Kommunikation». Anrufen und sich unter Hinweis auf die bevorstehende Abwesenheit erkundigen, ob die Zustellung einer «Fristsache» bevorstehe. – Auch Richter, Gerichtsschreiber und Gerichtssekretäre sind keine Unmenschen. Sie werden – in Abwägung der Interessen aller am Verfahren Beteiligter – entscheiden, ob die Fristsendung erst nach der Rückkehr des Anrufenden erfolgen kann.

Wird die Fristsendung aber in Kenntnis und bewusst während der Abwesenheit zugestellt, kann dies u.U. gegen das Fairness-Gebot von Art. 29 Abs. 1 BV verstossen.

Sicherstellung des Postempfangs + der 7-tägigen Abholfrist

So oder anders, also auch trotz Abwesenheitsmitteilung an die Behörde bzw. ans Gericht, sollten sichergestellt werden:

  • Entgegennahme der Abholungseinladung + Kenntnisnahme
  • Postabholung binnen der 7 Tage-Abholfrist
  • Auf Kuvert und Behördenverfügung bzw. Gerichtsurkunde Abholdatum notieren

Wichtig:

  • Kopie der Abholungseinladung erstellen (Pöstler könnte falsches Abholdatum angegeben haben, die Poststelle könnte die Fristsendung vorzeitig zurückgesandt haben usw.)
  • Kuvert beachten – R-Kleber?
  • Kuvert aufbewahren
  • Ab dem dem Eingangsdatum folgenden Tag errechnet sich die Frist

Achtung:

  • Die 7-tägige Chargé-Abholfrist gilt auch für Postlagersendungen sowie bei einem Rückhalteauftrag!
  • Manche Behörden und Gerichte verlangen eine Rücksendung des Chargé-Schreibens bei Nichtabholung
    • Es kann sich daher der Fall einstellen, dass die Sendung zurückgeht, der Adressat vom Anlass gar nichts erfährt und die Rechtsmittelfrist oder eine Stellungnahme-Gelegenheit verpasst.

A-Post Plus (A+) und Eingang

Bei A-Post Plus gelten die gleichen Fristbeachtungsregeln wie für die übrigen fristgebundenen Sendungen, mit dem Unterschied, dass der

  • Zugang automatisch erfolgt.

Wichtig:

  • Kuvert beachten – A-Post Plus-Kleber?
  • Kuvert aufbewahren
  • Unter der Tracking-Nummer des A-Post Klebers Eingangsdatum abklären
  • Ab dem dem Eingangsdatum folgenden Tag errechnet sich die Frist.

Vgl. hiezu

Postfach und Eingang

Für Postfach-Mieter erfolgt der Sendungs-Zugang bereits mit dem Einlegen der Post-Abholungseinladung durch den Post-Mitarbeiter und nicht erst mit dem Abholen der Sendung, für die der Postfachnutzer die Postabholungseinladung erhalten hat. Dieser Unterschied hat auch folgen für Fristberechnung (Fristbeginn am folgenden Tag, nachdem die Postabholungseinladung ins Postfach gelegt wurde.

Vgl. hiezu auch

siehe KORRIGENDUM unten

Fristen

Allgemeines

Eine erste Unterscheidung wird getroffen zwischen gesetzlichen, nicht erstreckbaren Fristen und nicht gesetzlichen, meist ein- bis dreimal erstreckbaren Fristen. Eröffnete Urteile lösen gesetzliche, nicht erstreckbare (Rechtsmittel-)Fristen aus.

Für den Regelfall der ordentlichen Zivilverfahren bestehen für Urteile Gerichts- oder Betreibungsferien. Für Urteile in summarischen Zivilverfahren und für bestimmte kantonale Verwaltungsverfahren gelten keine Gerichtsferien, aber laufende und gar kurze Fristen, so kurze, dass sie als unfair qualifiziert werden können.

In Rechtsmittelverfahren

Vor allem im Rechtsmittelverfahren gelten

  • gesetzliche Fristen
    • für die Erhebung eines Rekurses oder einer Beschwerde;
  • behördliche bzw. gerichtliche Fristen
    • für die Rekurs- oder Beschwerdeantwort, Replik und Duplik sowie weitere verfahrensleitende Anordnungen.

Ordentliche Rechtsmittelfristen

  • Zivilprozess
    • Ordentliches Verfahren
      • Rechtsmittelfrist: 30 Tage
    • Summarisches Verfahren
      • Rechtsmittelfrist: 10 Tage
  • Verwaltungsprozess
    • Im Bund und in den meisten Kantonen beträgt die
      • ordentliche Rechtsmittelfrist: 30 Tage;
      • manchmal 20 Tage (in einzelnen Kantonen sind die ordentlichen Fristen kürzer).

Hohe Feiertage

In Gerichtsverfahren gelten Gerichtsferien, während derer die Fristen stillstehen:

  • über die hohen Feiertage
    • Im ordentlichen Zivilprozess
      • Weihnachten/Neujahr
      • Ostern;
    • In summarischen Verfahren
      • Kein Fristenstillstand
  • im Sommer in der Regel
    • im ordentlichen Zivilprozess
      • in den Sommerferien-Wochen
    • In summarischen Verfahren
      • Kein Fristenstillstand

Das sind für alle Beteiligten zumutbare und faire Lösungen.

In Verwaltungsverfahren

Im Verfahren vor Verwaltungsbehörden gibt es

  • keine Gerichtsferien und daher kein Rechtsstillstand.

Das bedeutet, dass

  • die gesetzlichen und behördlichen Fristen auch über die hohen Feiertage und
  • während der Sommerpause laufen.

Für die Prozessbeteiligten ist dies weniger angenehm, aber man muss sich in der Regel damit arrangieren.

Nach Sachbereichen

In bestimmten Sachbereichen gelten abgekürzte Fristen, wie:

  • für die politischen Rechte.

Im Kanton Zürich besteht beim Rechtsmittel der der Stimmrechtsbeschwerde eine Rekursfrist von 5 Tagen. Für verfahrensleitende Anordnungen dürften ähnlich kurze Fristen angesetzt werden. Gerichtsferien bestehen ebenso nicht.

Sind Rechtsmittel- oder andere Fristen von 5 Tagen zu wahren, kann je nach Zustellungs- und Feiertage-Konstellation die Frist um mehrere Tage verkürzt sein. Andere Kantone kennen gar 3 Tage-Fristen bei Stimmrechtsbeschwerden.

Trotz Beschleunigungsziel scheint dies Prof. Dr. Tobias Jaag, Fristen – Fairness – Feiertage, in: ZBl. 125 (2024) S. 113 f., als unhaltbar, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Verstoss gegen Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV);
  • Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf gerechte Behandlung;
  • Verstoss gegen das Gebot der Fairness (Art. 29 Abs. 1 BV).

Fazit

Das Wichtigste für Prozessbeteiligte ist, damit zu rechnen, dass eine Anordnung oder eine Gerichtsurkundenzustellung erfolgen könnte.

Ebenso wichtig sind:

Falls Unklarheiten bestehen, Rat einholen.

KORRIGENDUM – Postfach und Eingang

betreffend Zustellungszeitpunkt eingeschriebener Briefpost bei Abholungseinladung in einem Postfach

Wir schrieben (oben) unter: Postfach bzw. via Link im Newsletter vom 28.03.2024 folgendes:

«Für Postfach-Mieter erfolgt der Sendungs-Zugang bereits mit dem Einlegen der Post-Abholungseinladung durch den Post-Mitarbeiter und nicht erst mit dem Abholen der Sendung, für die der Postfachnutzer die Postabholungseinladung erhalten hat. Dieser Unterschied hat auch folgen für Fristberechnung (Fristbeginn am folgenden Tag, nachdem die Postabholungseinladung ins Postfach gelegt wurde.»

Das Bundesgericht hat in BGE 100 III 3 eine Änderung seiner Rechtsprechung vorgenommen und die bisherige Praxis (BGE 78 I 325; BGE 83 III 96; BGE 97 I 98), wonach die Zustellung bei Vorliegen eines Postfaches bereits durch das Ablegen der Abholungseinladung im Postfach als erfolgt gelte, geändert.

Die bisherige Rechtsprechung lasse sich nur für Institutionen oder Geschäftsfirmen rechtfertigen, die ihr Postfach täglich mindestens einmal oder mehrmals leeren lassen, nicht jedoch für Privatpersonen, so das Bundesgericht.

Das Bundesgericht schliesst seine Ausführungen damit, dass aufgrund des Grundsatzes der Rechtssicherheit und der rechtsgleichen Behandlung, die Regeln über die Zustellung gerichtlicher Sendungen durch die Post möglichst klar, einfach und vor allem einheitlich gehandhabt werden müsse. 

Aus diesen Gründen sei in Abweichung von der bisherigen Praxis davon auszugehen, auch eine an einen Postfachinhaber adressierte eingeschriebene Sendung sei erst in jenem Zeitpunkt als zugestellt zu betrachten, in welchem sie am Postschalter abgeholt werde; geschehe dies nicht innert der Abholungsfrist, so gelte die Zustellung als am letzten Tag dieser Frist erfolgt.

Die Redaktion hat dieser Unterscheidung zwischen Institutionen und Geschäftsfirmen einerseits und Privatpersonen andererseits sowie der neuen einheitlichen Gerichtspraxis leider zu wenig Rechnung getragen.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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