Sachverhalt
Der Kanton Waadt kündigte mehrere Mietverträge für Parzellen am Neuenburgersee, auf welchen die Mieter Chalets errichtet hatten.
Prozess-History
Die Parzellen-Mieter fochten die Kündigung an, worauf der Kanton Waadt widerklageweise die Ausweisung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangte.
Erwägungen des Bundesgerichts
Bezüglich der Hauptklagen hatte das Bundesgericht (BGer) nach den Normen des Sachenrechts zu beurteilen, ob die auf den Grundstücken des Kantons Waadt errichteten «Chalets»
- die Voraussetzungen für Fahrnisbauten gemäss ZGB 677 erfüllten;
- als Bauten Bestandteile des gemieteten Bodens gemäss ZGB 642 bildeten.
Von der Qualifikation der «Chalets» war letztlich die Frage abhängig, ob auf die betreffenden Mietverträge der mietrechtliche Kündigungsschutz anwendbar war (vgl. OR 271 ff.).
Für das BGer waren entscheidend, ob die subjektiven und objektiven Elemente erfüllt waren:
- Subjektives Element
- Absicht der Parteien bei Vertragsabschluss, keine dauerhafte Baute zu errichten.
- Objektives Element
- Fehlen einer intensiven Verbindung, sodass die strittigen «Chalets» als Fahrnisbauten nach ZGB 677 anzusehen waren.
Die Gültigkeit der Kündigungen war aufgrund der erfüllten Voraussetzungs-Elemente nach den Regeln für Mietverträge von unbebauten Grundstücken zu beurteilen, d.h.:
- kein Kündigungsschutz nach den Wohnraummiete-Regeln für eine dem Mieter gehörende Baute.
In zivilprozessualer Hinsicht bestätigte das BGer in Bezug auf die Widerklagen,
- dass eine Widerklage auf Ausweisung im Kündigungsschutzprozess bzw. auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zulässig ist;
- dass eine solche Widerklage auch dann möglich ist, wenn der Streitwert der Widerklage die Streitwertgrenze für das vereinfachte Verfahren überschreitet.
Entscheid des Bundesgerichts
- Abweisung der Beschwerde in Zivilsachen.
- Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdeführer, die den Beschwerdegegner (Kanton Waadt) entschädigen müssen.
BGer 4A_337/2022 vom 24.10.2023 = BGE 150 III 103 ff.
5. Fahrnisbauten
Art. 677 ZGB
1 Hütten, Buden, Baracken u. dgl. behalten, wenn sie ohne Absicht bleibender Verbindung auf fremdem Boden aufgerichtet sind, ihren besondern Eigentümer.
2 Ihr Bestand wird nicht in das Grundbuch eingetragen.
B. Umfang des Eigentums
I. Bestandteile
Art. 642 ZGB
1 Wer Eigentümer einer Sache ist, hat das Eigentum an allen ihren Bestandteilen.
2 Bestandteil einer Sache ist alles, was nach der am Orte üblichen Auffassung zu ihrem Bestande gehört und ohne ihre Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann.
Zweiter Abschnitt: Inhalt und Beschränkung des Grundeigentums
I. Inhalt
A. Umfang
Art. 667 ZGB
1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.
2 Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen.
Dritter Abschnitt: Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn-
und Geschäftsräumen
A. Anfechtbarkeit der Kündigung
I. Im
Allgemeinen
Art. 271 OR
1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
2 Die Kündigung muss auf Verlangen begründet werden.
II. Kündigung durch den Vermieter
Art. 271a OR
1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird:
- weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht;
- weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zu Lasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will;
- allein um den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen;
- während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat;
- vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, in dem der Vermieter:
-
- zu einem erheblichen Teil unterlegen ist;
- seine Forderung oder Klage zurückgezogen oder erheblich eingeschränkt hat;
- auf die Anrufung des Richters verzichtet hat;
- mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder sich sonstwie geeinigt hat;
- wegen Änderungen in der familiären Situation des Mieters, aus denen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile entstehen.
2 Absatz 1 Buchstabe e ist auch anwendbar, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat.
3 Absatz 1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen:
- wegen dringenden Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte;
- wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d);
- wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4);
- infolge Veräusserung der Sache (Art. 261);
- aus wichtigen Gründen (Art. 266g);
- wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h).
4. Titel: Vereinfachtes Verfahren
Art. 243 ZPO Geltungsbereich
1 Das vereinfachte Verfahren gilt für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken.
2 Es gilt ohne Rücksicht auf den Streitwert bei Streitigkeiten:91
- nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995;
- wegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen nach Artikel 28b ZGB94 oder betreffend eine elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB;
- aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- oder Pachtverhältnisses betroffen ist;
- zur Durchsetzung des Auskunftsrechts nach Artikel 25 DSG;
- nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 1993;
- aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 199498 über die Krankenversicherung.
3 Es findet keine Anwendung in Streitigkeiten vor der einzigen kantonalen Instanz nach den Artikeln 5 und 8 und vor dem Handelsgericht nach Artikel 6.
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam
Bildquelle: Lib/Aldo Ellena, Portalban, via Freiburger Nachrichten