Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es um die Frage der Zulässigkeit unabhängiger Patentanwälte im Sinne von PatGG 29 Abs. 1 im Aktionariat, Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung einer als Aktiengesellschaft organisierten Anwaltskanzlei.
Prozess-History
- Feststellungsbegehren der F AG
- Mit Eingabe vom 20. Mai 2022 informierte die F <AG> die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte (fortan: Aufsichtskommission) über eine beabsichtigte Statutenänderung und beantragte die Feststellung, dass die Voraussetzung der persönlichen Unabhängigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) der bei ihr angestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch nach deren Vornahme erfüllt sei.
- Wichtigster Punkt der geplanten Änderung sei, dass an der F <AG> (nicht wie bisher) nur beteiligt sein könne, wer im kantonalen (Rechts-)Anwaltsregister als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt eingetragen sei, (sondern neu auch wer) im bundesweiten (Patent‑)Anwaltsregister als Patentanwalt oder Patentanwältin eingetragen und zudem vom Bundespatentgericht als unabhängige Patentanwältin oder unabhängiger Patentanwalt zur Vertretung vor Bundespatentgericht zugelassen sei.
- Mit Eingabe vom 20. Mai 2022 informierte die F <AG> die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte (fortan: Aufsichtskommission) über eine beabsichtigte Statutenänderung und beantragte die Feststellung, dass die Voraussetzung der persönlichen Unabhängigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) der bei ihr angestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch nach deren Vornahme erfüllt sei.
- Entscheid der Aufsichtskommission
- Mit Beschluss vom 3. November 2022 wies die Aufsichtskommission dieses Feststellungsbegehren ab (Dispositivziffer 1).
- Die auf Fr. 1’000.- festgesetzte Staatsgebühr auferlegte es den Gesuchstellern (Dispositivziffer 2).
- Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
- Gegen den Entscheid der Aufsichtskommission liessen A, B und C am 9. Dezember 2022 Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben.
Erwägungen
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erwog dabei folgendes:
- Institutionelle Unabhängigkeit
- Es prüfte die Grundlagen und die Praxis zum Erfordernis der institutionellen Unabhängigkeit gemäss BGFA 8 Abs. 1 lit. d,
- insbesondere bei Anwaltskörperschaften sowie
- hinsichtlich der vorgängigen Vereinbarkeit der beabsichtigten Statutenänderung mit BGFA 8 Abs. 1 lit. d.
- Es prüfte die Grundlagen und die Praxis zum Erfordernis der institutionellen Unabhängigkeit gemäss BGFA 8 Abs. 1 lit. d,
- Einschränkungen auf die körperschaftliche Organisation anwaltlicher Tätigkeit
- Die aus BGFA 8 Abs. 1 lit. d fliessenden Einschränkungen auf die körperschaftliche Organisation anwaltlicher Tätigkeit
- bestimmen sich nicht anhand formeller Kriterien,
- sondern nach Massgabe der damit angestrebten Sicherstellung
- der unabhängigen Berufsübung und
- des Geheimnisschutzes
- Die aus BGFA 8 Abs. 1 lit. d fliessenden Einschränkungen auf die körperschaftliche Organisation anwaltlicher Tätigkeit
- Gleichwertige unabhängige Berufsausübung
- Die patentanwaltliche Tätigkeit als Parteivertreter im Sinne von PatGG 29 Abs. 1 unterliegt hinsichtlich der unabhängigen Berufsausübung inhaltlich gleichwertigen Anforderungen und ist gleichermassen einer behördlichen Aufsicht unterstellt.
- Die neu zulässige Präsenz solcher Personen – gemäss strittigem Statutenentwurf – im Aktionariat, Verwaltungsrat oder der Geschäftsleitung der Gesellschaft beeinträchtigt die institutionelle Unabhängigkeit angestellter Rechtsanwältinnen und -anwälte im Sinne von BGFA 8 Abs. 1 lit. d nicht.
- Nur geringfügige Unterschiede
- Aufgrund der bloss geringfügigen Unterschiede im Schutz des Berufsgeheimnisses steht eine solche Regelung nicht im Widerspruch zu BGFA 13.
- PatGG 29 Abs. 1 vs, Berufsregeln von BGFA 12
- Dass unabhängige Patentanwältinnen und -anwälte im Sinne von PatGG 29 Abs. 1 nicht sämtlichen rechtsanwaltlichen Berufsregeln gemäss BGFA 12 unterstehen, vermag die Unabhängigkeit der angestellten Rechtsanwältinnen und -anwälte im Sinne von BGFA 8 Abs. 1 lit. d nicht unmittelbar zu beeinträchtigen.
Entscheid des Verwaltungsgerichts
- Die Beschwerde der Beschwerdeführer 1 und 3 wird im Sinn der Erwägungen gutgeheissen. Dispositivziffer 1 des Beschlusses der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2022 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Voraussetzung der persönlichen Unabhängigkeit der angestellten Rechtsanwältinnen und -anwälte im Sinn von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nicht beeinträchtigt wird, wenn die Statuten der F <AG> Patentanwältinnen und -anwälten, die im Patentanwaltsregister nach Art. 12 PAG eingetragen und zugleich auch vom Bundespatentgericht nach Art. 29 Abs. 1 PatGG zur Parteivertretung zugelassen sind, die Beteiligung an dieser Aktiengesellschaft bzw. den Einsitz im Verwaltungsrat derselben erlauben. Gleiches gilt für die mögliche Einsetzung solcher Personen als <Geschäftsführer oder Aktionärsvertreter in der Generalversammlung.
- In Bezug auf den Beschwerdeführer 2 wird das Verfahren als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
- (Gerichtsgebühren)
- (Gerichtskosten)
- (Prozessentschädigung)
- (Rechtsmittelbelehrung)
- (Mitteilungen)
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
3. Abteilung/3. Kammer
Urteil vom 21.03.2024 (Endentscheid / rechtskräftig)
VB.2022.00753 (URT.2024.25249)
Art. 8 BGFA Persönliche Voraussetzungen
1 Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und Anwälte folgende persönliche Voraussetzungen erfüllen:
a. sie müssen handlungsfähig sein;
b. es darf keine strafrechtliche Verurteilung vorliegen wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind und deren Eintrag im Strafregister nicht gelöscht ist;
c. es dürfen gegen sie keine Verlustscheine bestehen;
d. sie müssen in der Lage sein, den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben; sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind.
2 Anwältinnen und Anwälte, die bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen angestellt sind, können sich ins Register eintragen lassen, sofern die Voraussetzungen nach Absatz 1 Buchstaben a–c erfüllt sind und sich die Tätigkeit der Parteivertretung strikte auf Mandate im Rahmen des von der betroffenen Organisation verfolgten Zwecks beschränkt.
Art. 13 Berufsgeheimnis
1 Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem. 2 Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
3. Abschnitt: Parteivertretung
Art. 29 PATGG
1 In Verfahren betreffend den Bestand eines Patents können auch Patentanwältinnen oder Patentanwälte im Sinne von Artikel 2 des Patentanwaltsgesetzes vom 20. März 200918 als Parteivertretung vor dem Bundespatentgericht auftreten, sofern sie den Patentanwaltsberuf unabhängig ausüben.
2 Die unabhängige Ausübung ihres Berufes ist auf Aufforderung des Bundespatentgerichts mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
3 Patentanwältinnen oder Patentanwälte im Sinne von Artikel 2 des Patentanwaltsgesetzes vom 20. März 2009 erhalten in allen Verhandlungen vor dem Bundespatentgericht Gelegenheit zur technischen Erörterung des Sachverhalts.
Weiterführende Informationen
- BGFA + Anwalts-AG
- PatGG
Quelle
LawMedia Redaktionsteam