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Schulden sind vor der Erbteilung zu tilgen oder sicherzustellen

ZGB 610 Abs. 3

Datum:
24.09.2024
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Erbrecht
Thema:
Erbteilung
Stichworte:
Erbteilung, Nachlass, Schulden, Sicherstellung, Tilgung
Erlass:
ZGB 610 Abs. 3
Entscheid:
Obergericht des Kantons Aargau, Urteil vom 23.10.2023, ZGR.2023.3
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ausgangslage

Die Berufungsklägerin hatte bei der Vorinstanz beantragt, die Schulden der Nachlässe seien vor Vollzug der Teilung zu tilgen, eventualiter sicherzustellen. Die Vorinstanz hatte sich lediglich zu den Grundpfandschulden geäussert, ohne dazu effektiv eine Tilgung oder Sicherstellung anzuordnen.

Erwägungen des Obergerichts des Kantons Aargau

Gemäss ZGB 610 Abs. 3 (siehe Box unten) kann jeder Erbe verlangen, dass die Schulden des Erblassers vor der Teilung der Erbschaft getilgt oder sichergestellt werden:

  • Begehren
    • Das Begehren um Vorabtilgung oder Sicherstellung eines einzigen Erben genügt,
      • und zwar auch dann,
        • wenn dieser faktisch aus der Erbteilung nichts mehr erhält (…),
          • weil das Gesetz die Solidarhaftung der Miterben für fünf Jahre über die Erbteilung hinaus andauern lässt (ZGB 639).
  • Zuweisung von Aktiven, aber auch von Passiven
    • Anlässlich der Erbteilung können den einzelnen Miterben zugewiesen werden:
      • Nicht nur die Aktiven eines Nachlasses,
      • sondern auch die Passiven einer Erbschaft.
  • Erbteilung betrifft primär Aktiven-Auseinandersetzung
    • Die Erben sind von Gesetzes wegen nicht zum Einbezug der Schulden in die Erbteilung verpflichtet, da diese ist im Grunde vielmehr eine Auseinandersetzung nur über die Aktiven ist (…).

Wie die Berufungsklägerin aber zu Recht vorbringt, unterliess es die Vorinstanz gänzlich, bezüglich der Passiven konkrete Anweisungen zu treffen:

  • Netto-Mittel-Verteilung
    • Es wurden zwar finanzielle Mittel im Umfang der Passiven nicht an die Erben verteilt.
  • Keine Regelung von Schuldentilgung oder Sicherstellung
    • Dem vorinstanzlichen Urteil kann aber nicht entnommen werden,
      • ob und ggf. von wem die Schulden getilgt werden oder,
      • ob die übriggebliebenen Mittel bspw. auf einem Sperrkonto sichergestellt werden.
  • Pflichtverletzung der Vorinstanz
    • Die Vorinstanz ist damit ihrer Pflicht nach ZGB 610 Abs. 3 nicht nachgekommen.

Fazit

Da die Vorinstanz hinsichtlich der Tilgung oder Sicherstellung der Schulden des Nachlasses keine Anordnungen getroffen hat, war das Verfahren (auch) in diesem Punkt gestützt auf ZPO 318 Abs. 1 lit. c in teilweiser Gutheissung der Berufung zu diesem Zweck und zum neuen Entscheid in der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau

Das Obergericht erkennt:

  • 1.
    • 1.1. In teilweiser Gutheissung der Berufung wird Dispositiv-Ziffer 3. des Entscheids des Bezirksgerichts Rheinfelden vom 22. November 2021 aufgehoben und zur Neubeurteilung im Sinne der obergerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
    • 1.2. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.
  • 2. Die obergerichtliche Entscheidgebühr von Fr. 37’250.00 wird mit dem von der Berufungsklägerin geleisteten Kostenvorschuss verrechnet und zusammen mit den obergerichtlichen Parteikosten von der Vorinstanz in ihrem neuen Entscheid nach dem Ausgang des Verfahrens verlegt.
  • Zustellung an: …

Obergericht des Kantons Aargau
Urteil vom 23.10.2023
ZGR.2023.3

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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