Ausgangslage
Es wurde ein Rechtsanwalt (RA) aufgrund seines Anwaltsberufs als Willensvollstrecker beauftragt. Der RA wurde vom kantonalen Erbschaftsamt zum Erbschaftsverwalter berufen, weil er bereits als Willensvollstrecker amtete und kein Interessenskonflikt vorlag.
Erbschaftsverwalter als Rechtsanwalt
Weil seine Einsetzung als Erbschaftsverwalter indirekt auf die Anwaltstätigkeit zurückzuführen war, unterstand er den anwaltsrechtlichen Berufsregeln.
Rechenschafts- und Rechnungslegungspflicht
Der Willensvollstrecker wie der Erbschaftsverwalter müssen den Erben Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen:
- Reagiert der Erbschaftsverwalter nicht auf die wiederholten Anfragen der Alleinerbin betreffend der Verwendung einer Akontozahlung und der Auszahlung des Restbetrags,
- verstösst er gegen BGFA 12 lit. i und
- macht sich überdies disziplinarisch verantwortlich.
Der Beschwerdeführer bezahlte auch die vom Nachlass geschuldete Rechnung des Erbschaftsamts entgegen den Vorgaben von ZGB 518 Abs. 2 nicht,
- weshalb die Vorinstanz davon ausgehen durfte,
- der Beschwerdeführer habe gegen die Generalklausel von BGFA 12 lit. a verstossen.
Gelöschte Disziplinarmassnahmen
Das Bundesgericht bestätigte die Rechtsprechung, wonach gelöschte Disziplinarmassnahmen bei der Beurteilung neuer Sanktionen berücksichtigt werden könnten:
- Allerdings nahm das Bundesgericht eine Präzisierung vor:
- Zurückliegende Disziplinarmassnahmen verlören in der Regel mit zunehmendem zeitlichem Abstand an Bedeutung.
Im Kanton Zug bestehen anwaltsrechtliche Besonderheiten, nämlich:
- Im Kanton Zug wird der Anzeigeerstatter ohne konkreten Nachweis eines besonderen Interesses zur Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid zugelassen.
- Im Kanton Zug ist eine Publikation des nach kantonalem Recht vorgesehenen befristeten Berufsausübungsverbots im kantonalen Amtsblatt vorgesehen.
- Diese Publikation stellt eine Disziplinarmassnahme dar und verletzt laut Bundesgericht den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts gemäss BVG 49 Abs. 1.
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird teilweise gutheissen; die Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zug wird insoweit aufgehoben, als die Publikation von Ziffer 2 des Beschlusses vom 23. November 2022 der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug im Amtsblatt bestätigt wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
- Die reduzierten Gerichtskosten von Fr. 1’500.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
- Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer mit Fr. 500.– zu entschädigen.
- Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Rechtsmittelverfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
- Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, und dem Bundesamt für Justiz BJ mitgeteilt.
BGer 2C_164/2023 vom 25.03.2024
B. Inhalt des Auftrages
Art. 518 ZGB
1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2 Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3 Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
Art. 12 BGFA Berufsregeln
Für Anwältinnen und Anwälte gelten folgende Berufsregeln:
- Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus.
- Sie üben ihren Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung aus.
- Sie meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen.
- Sie können Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.
- Sie dürfen vor Beendigung eines Rechtsstreits mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich auch nicht dazu verpflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des Verfahrens auf das Honorar zu verzichten.
- Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung nach Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, abzuschliessen; die Versicherungssumme muss mindestens eine Million Franken pro Jahr betragen; anstelle der Haftpflichtversicherung können andere, gleichwertige Sicherheiten erbracht werden.
- Sie sind verpflichtet, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen.
- Sie bewahren die ihnen anvertrauten Vermögenswerte getrennt von ihrem eigenen Vermögen auf.
- Sie klären ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung auf und informieren sie periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars.
- Sie teilen der Aufsichtsbehörde jede Änderung der sie betreffenden Daten im Register mit.
Art. 49 BV Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts
1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2 Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
Weiterführende Informationen
Erbrecht / Erbschaftsverwalter
Anwaltssorgfalt
Quelle
LawMedia Redaktionsteam