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Untersuchungen / Arbeitsrecht

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Whistleblower: Abgrenzungen von gutmeinenden und querulatorischen Hinweisgebern

Datum:
16.01.2025
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Untersuchungen, Arbeitsrecht
Thema:
Whistleblower
Stichworte:
Hinweisgeber, Meldegegenstände, Meldung, Misstände, Whistleblower, Whistleblowing
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG
Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-,
Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes,
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte, Zürich

Einleitung

Hinweise von Whistleblowern sind für interne Untersuchungen, für Unternehmen, für ihre Mitarbeiter und Kunden wichtige Quellen.

Unter den Hinweisgebern gibt es leider aber auch immer wieder sog. „Querulanten“.

Missstands-Meldegegenstände

Whistleblower melden den Unternehmen allerlei Missstände, in subjektiver oder objektiver Hinsicht.

Statt einer Wiederholung verweisen wir auf unsere diesbezüglichen Ausführungen in:

Missstand-Meldegegenstände

Denkbar sind folgende Missstände, die Whistleblower melden könnten:

  • Verhaltensweisen, die sich gegen das Unternehmensinteresse richten und einen Straftatbestand erfüllen könnten
    • zB Korruption
    • zB Banken- und Finanzkriminalität
    • zB verbotene Insidergeschäfte
    • zB Betrug
    • zB Rechnungslegungs-Fehlverhalten
    • zB Wirtschaftsprüfungsdelikte
  • Verhaltensweisen, die gegen Menschenrechte verstossen
    • zB Produktion durch Kinderarbeit
    • zB Missachtung des Umweltschutzes
    • zB Verletzung der Gleichstellung von Mann und Frau im Betrieb
  • Verhaltensweisen, die die unternehmensinternen Ethikregeln verletzen
    • Nur legale Ethikvorschriften (zB kein Verbot privater Beziehungen / Liebesbeziehungen unter Mitarbeitern)

Quelle: Whistleblowing: Verfahren zur Meldung von Missständen

Wichtigkeit der Meldung für das Unternehmen

Eine Whistleblower-Meldung ist für ein Unternehmen immer wichtig, und zwar unabhängig davon, ob sie

  • zu Recht erfolgt oder zu Unrecht mitgeteilt wird;
  • zum Vorteil des Unternehmens oder zu seinem Nachteil gemacht wird.

Es geht immer auch darum, herauszufinden, ob der Whistleblower hehre Gründe und Absichten verfolgt oder eben nicht. Ob er das angepeilte Unternehmen nur in die Irre führen oder mit sich beschäftigen will. Ob er Unfrieden unter dem Personal oder in der Geschäftsleitung verursachen will.

Hinweisgebersysteme

Vor allem grössere Unternehmen haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, unternehmensinterne Meldestellen zur Bekämpfung von Compliance-Verstössen einzurichten.

Die Entgegennahme und das Prüfen von Missständen ist für die Geschäftsleitung elementar. Mit der Aufdeckung von Fehlverhalten im Unternehmen kann nicht nur weiterer Schaden, sondern auch ein Imageverlust vermieden werden.

Ablaufprozess für Hinweisgeber

Viele Unternehmen haben heute Ablaufprozesse für Hinweisgeber, v.a. für Whistleblower aus dem Kreis der aktuellen oder ehemaligen Mitarbeiter.

Hinweise der Klienten oder von Konkurrenten sind meistens nur von grossen Unternehmen durch ein Ablaufprogramm organisiert.

Vgl. Whistleblowing: Verfahren zur Meldung von Missständen

Gehör und Kommunikation

Jeder Hinweisgeber ist ernst zu nehmen. Es gibt immer ein Motiv, die Missstands-Mitteilung zu machen.

Ein Whistleblower ist zunächst wie ein Kunde oder wie jeder Dritte zu behandeln.

Querulatorische Hinweisgeber sind

  • hochsensibilisiert;
  • beseelt vom gemeldeten Vorwurf;
  • motiviert, persönliche und emotionale Konflikte zu intensivieren;

Die Unternehmens-Kommunikation sollte daher professionell und sachlich bleiben:

  • Vermeidung von Mitgefühlen oder emotionalen Reaktionen,
    • #MeToo-Bewegung
    • Gleichstellung der Geschlechter / Gleichberechtigung von Mann + Frau
    • Geschlechterrolle und Geschlechtskonstruktion (Gender)
    • Kulturelle Unterschiede und kulturelle Prägung
  • Keine Bekanntgabe von Erkenntnissen zur Vermeidung von neuen Angriffspunkten.
  • Konzentration auf die konkrete Sachlage, zur Vermeidung von Missverständnissen.

Motivation des Hinweisgebers

Hinweisgeber machen ihre Missstands-Mitteilungen aus verschiedenen Gründen:

  • Fürsorge für das Unternehmen, welcher vom Missstand betroffen sein soll
  • Frust aus eigener unkorrekter Behandlung durch das Unternehmen oder Vorgesetzte
  • Fürsorge für ehemalige ungerecht behandelte Kollegen
  • Finanzielle Interessen (Gläubigerstellung, Aktionärsstellung, Pensionär)
  • Konkurrenten, welche sich legal verhalten und im Fehlverhalten des Unternehmens, welchem die Mitteilung gemacht wird, eine eigene Benachteiligung im Markt, Vertrieb, Submission usw. erblicken
  • uam.

Herausfinden des Hinweisgeberziels

Das Unternehmen muss erforschen, ob es etwas Wahres an der Mitteilung des Whistleblowers hat und, ob intern die objektiv und / oder subjektiv notwendigen Massnahmen zu treffen sind oder, ob ein sog. querulatorischer Hinweisgeber sein Handwerk betreibt und Abwehrmassnahmen gegen ihn zu ergreifen sind.

Es geht letztlich darum, konstruktive Kritik von Querulanz abzugrenzen. – Dies ist insofern wichtig, als das Unternehmen salopp ausgedrückt, herauszufinden hat, ob es den Wurm intern zu bekämpfen oder extern abzuwehren hat.

Identifizierung von querulatorischen Hinweisgebern

Die frühzeitige Identifikation und Bewertung der Hinweise soll ermöglichen, querulatorische Hinweisgeber von effektiven Missständen aufdeckenden Whistleblowern zu unterscheiden.

Indizien auf querulatorisches Verhalten können sein:

  • Übermässiger Mitteilungsdrang;
  • Nicht-zur-Kenntnis-nehmen-wollen des finalen Untersuchungsergebnisses des Unternehmens;
  • unerschütterliche Überzeugung der eigenen Meinung;
  • Wechsel der Ansprechpartner bei nicht zufriedenstellender Antwort des ersten Unternehmensvertreters:
    • «Tipp» an zB die Vertriebsgesellschaft.
    • Findet der Hinweisgeber kein Gehör, schaltet er das Hinweisgebersystem der Muttergesellschaft ein.
    • Erhält er auch da keine zufriedenstellende Antwort, sucht er weitere Ansprechpartner wie den CEO, den VRP und schliesslich Aktionäre der (börsenkotierten) Holdinggesellschaft.
    • mit der Holdinggesellschaft bzw. dessen CEO und dann mit dem Verwaltungsratspräsidenten sowie schliesslich mit Aktionären, natürlich immer unter Zur-Verfügungstellung seiner Hinweis-Korrespondenz.

Behandlung von querulatorischen Hinweisgebern

Querulatorisch agierende Hinweisgeber

  • überschreiten meistens die Zuständigkeiten der Angesprochenen;
  • verlangen nach einer umfassenderen Bearbeitung ihrer Anliegen, und zwar mehr als
    • sachlich notwendig und / oder
    • möglich.

Einem querulatorischen Hinweisgeber sind die Kompetenzen und Grenzen der zuständigen Unternehmensabteilung aufzuzeigen und die Erwartungen des Hinweisgebers zu managen.

Eskalation

Präsentiert der querulatorische Hinweisgeber seine (von der Realität) abweichende Version der Dinge

  • in den sozialen Netzwerken,
  • gegenüber der Presse und
  • bei Kunden, Lieferanten und Kreditgebern des Unternehmens,

verlässt er seine Whistleblower- bzw. Hinweisgeber-Funktion:

  • Es geht um Rache und Schädigung des Unternehmens, nicht mehr um eine „Tipp-Gebung“.

Ohne Eigeninteresse müsste der Whistleblower einfach zuwarten:

  • Irgendwann kommt die Wahrheit ans Licht  (Volksmund).

Ungerechtigkeit kann eine schwere emotionale Last darstellen und Gefühle von Hilflosigkeit, Wut und Frustration hervorrufen.

Zusätzlich können vorhanden sein:

  • eine verschobene Wahrnehmung;
  • eine Täter-Opfer-Dynamik;
  • das Lebensprinzip der ewigen Opferrolle.

Ungerechtigkeit und verschobene Wahrnehmung können zur Rache- und Schädigungs-Entwicklung beitragen.

Trotzdessen kann das betroffene Unternehmen ein Verleumdungsverhalten des Tippgebers in den Medien in vielen Fällen nicht tolerieren. 

Abwehrmassnahmen gegen querulatorische Hinweisgeber

In solchen Fällen hat das Unternehmen nachzudenken über:

  • Interne Massnahmen
    • Kommunikation mit den Mitarbeitern (Kader oder alle Angestellten, je nach individuell-konkretem Sachverhalt)
    • Ev. Information von Anker-Aktionären udgl.
  • Externe Massnahmen
    • Beeinflussung des Hinweisgebers
      • Sollte sich ein Hinweisgeber eindeutig querulatorisch verhalten und dabei die internen Prozesse des Unternehmens oder dessen Mitarbeiter stören,
        • müssen ab einem bestimmten Moment Konsequenzen aufgezeigt und ergriffen werden;
        • kann eine Kommunikations-Beendigung und ein konsequentes Nicht-Reagieren oft die bessere Lösung sein.
    • Rechtliche Massnahmen
      • Zivilprozessuales Vorgehen
        • Unterlassungsklage vs. Hinweisgeber
      • Strafrechtliches Vorgehen
        • Strafanzeige vs. Hinweisgeber
          • zB wegen übler Nachrede
          • zB wegen Verleumdung
          • zB wegen Beschimpfung
          • zB wegen Ehrverletzung
          • zB wegen falscher Anschuldigung
      • Vorsorgliche Massnahmen
        • Superprovisorische Massnahmen.betreffend Unterlassung unter der Strafandrohung gemäss StGB 292 vs. Hinweisgeber

Strategie

Wichtig sind nicht nur

  • eine Chancen-, Risken- und Nutzenabklärung, sondern auch
  • eine strategisch-taktische Analyse der Sinnhaftigkeit reaktiver Schritte gegen den Hinweisgeber.

Mit rechtlichen Massnahmen wird eine neue oder weitere (externe) Eskalationsstufe geschaffen und dem querulatorischen Hinweisgeber „neue Munition“ für sein Treiben gegeben. – Oder soll mit der Variante „Beendigung der Kommunikation“ fortgefahren werden?

Auch bei der Fortsetzung der Variante „Beendigung der Kommunikation“ muss sich das Unternehmen darauf vorbereiten, dass es von der Presse angegangen und von ihm ein Statement verlangt wird.

Fazit

Kein Unternehmen ist vor dem „Phänomen querulatorischer Hinweisgeber“ gefeit.

Wichtig sind aber:

  • Professionelle Kommunikation
    • Eine professionell-sachliche Bearbeitung der Hinweisgeber-Meldung.
    • Obwohl ein erheblicher Aufwand für das Unternehmen entsteht, sollte es sich nicht vor Querulanten oder notorischen Nörglern drücken.
  • Kein verfrühtes Wohlwollen-Bekunden
    • Keine Anerkennung der Meldung als konstruktive Kritik
    • Keine Verwechslung von Querulanz mit konstruktiver Kritik
  • Ein frühzeitiges Erkennen der Querulanz,
    • um keine zu wohlwollende Kommunikation aufzubauen;
    • um nicht unverhältnismässig vom querulatorischen Hinweisgeber in Beschlag genommen zu werden.
  • Vorgehen als Strategie-Thema
    • Der Umgang mit Hinweisgebern ist eine Strategiefrage.
    • Es kann helfen,
      • direkt zu kommunizieren und
      • klare Grenzen zu setzen.
    • In anderen Fällen kann es besser sein, dass das Unternehmen
      • seine Anliegen strukturiert dokumentiert,
      • neutral bleibt,
      • eine Eskalation vermeidet.
  • Rechtliche Schritte?
    • Rechtliche (Abwehr-)Massnahmen können, müssen aber nicht Vorteile bringen.

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