Einleitung
Opfer zu sein, ist nichts Schönes.
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen aber nicht die klassische Opfersituation, sondern Personen, welche sich der Opferhaltung – bewusst oder unbewusst kann dahingestellt bleiben – als Lebensmodell verschrieben haben und bei Dritten stets Hilfsgefühle auslösen.
Es geht also um den Missbrauch der Opferrolle, um bei den Beschuldigten Schuldgefühle und bei den Adressaten parteiische Hilfe auszulösen. Angesprochen ist das Thema der sog. «Opfermentalität».
Agenda
Definition der Opfermentalität
Die sog. «Opfermentalität» ist ein Persönlichkeitsmerkmal, bei welchem die betreffenden Menschen die Verantwortung für ihr Verhalten negieren und sich als Opfer der Handlungen anderer sehen.
Anzeichen der Opfermentalität
Personen mit Opfermentalität weigern sich oft, nach Lösungen zu suchen. Solche Personen wälzen sich in ihrem Elend und bemitleiden sich. Sie geben andern die Schuld und machen diese für ihre Probleme verantwortlich.
Die typischen Denkstrukturen der Opfermentalität sind:
- Das Gefühl zu haben, nichts richtig erledigen zu können:
- der Eindruck, dass ihnen immer nur Schlechtes widerfährt;
- die Haltung, dass sich niemand für sie interessiert und niemand helfe.
Umgang mit der Opfermentalität des Dritten
Der Berater, welcher einer Person mit Opfermentalität gegenüber sitzt, kann – je nach Fall – im Gespräch versuchen strukturiert vorzugehen:
- Ansprache des (wirklichen) Problems;
- Mitgefühl-Bekundung bei gleichzeitiger Grenzen-Setzung;
- Problemlösungsangebot;
- Ermutigung eine (voraussichtlich wirksame) Strategie zu verfolgen.
Vorteilsnutzung der Opferstellung
Die Opferrolle kann auch vermeintliche Vorteile haben:
Opfer zu sein,
- schafft Identität;
- erfährt Aufmerksamkeit;
- begründet Hilfsbereitschaft bei anderen Menschen;
- ermöglicht Selbstmitleid;
- Machtgewinn.
Gelingt die Mobilisierung von Hilfe durch Drittpersonen, schafft das Opfer Vorteile für sich. Solche Vorteile verpuffen aber, wenn sich das Opfer aus Selbstmitleidgründen dann doch nicht helfen lässt.
Berater-Gespräch zur Erkennung von Personen mit Opfermentalität
Für Berater lohnt es sich, bei Personen mit möglicher Tendenz zur «Opfermentalität» ein (auch längeres) Gespräch zu führen, um die einzelnen Verhaltensweisen zu checken und um nicht bei der Person mit Opfermentalität selbst aufzulaufen.
Beratungsresistenz
Personen mit Opfermentalität wollen sich bemitleiden und den Anderen Schuld geben.
Sie rücken meistens nicht von ihrem «Programm» ab und sind daher nicht für ein abweichendes, lösungsorientiertes Vorgehen zu gewinnen.
Als beratungsresistent wird ein uneinsichtiges Verhalten bezeichnet, bei welchem Menschen jede Form von Beratung oder Korrektur ablehnen und sich davor verschliessen. Grund kann eben eine Rigidität, eine Zwangsstörung oder eine Opfermentalität sein.
Eine sorgfältige und zielorientierte Beratung wird durch die Beratungsresistenz häufig gestört, ja sogar verunmöglicht.
Der Berater stösst an seine Grenzen:
- Sorgfaltspflicht des Beauftragten findet ihre Grenze in seinem Persönlichkeitsschutz (ZGB 27)
- Kein Anspruch des Auftraggebers gegenüber Beauftragten auf innerliche Teilnahme am „Schicksal“ des Auftraggebers.
Auf kurz oder lang wird entweder die Person mit der Opfermentalität einen anderen Berater suchen (sog. «Berater-Hopping»), oder der Berater sein Mandat niederlegen.
Vgl. hiezu auch
Berater-Hopping
Gelingt es dem unechten Opfer bzw. einer Person mit Opfermentalität nicht, ihren Berater für den irrwitzigen Opfermentalitätskreislauf zu gewinnen, wird der Berater gewechselt (sog. Berater-Hopping).
Solche Personen sind dann die Opfer vorheriger Berater, welche alle keine Hilfe waren oder ihren Job schlecht erledigten. Der neue Berater soll helfen … Der Kreislauf beginnt von Neuem.
Weiterführende Informationen
Schranken bei der Auftragsausführung
Aufklärungs- und Beratungspflicht
Auftrag: Keine Erfolgspflicht
Auftrag und Beratungsresistenz
Auftrag im Allgemeinen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam