Ausgangslage
Wer noch nach altem, bis 1978 gültigem Kindesrecht, in keinem rechtlichen Kindesverhältnis zum «Zahlvater» steht, kann keine Herabsetzungsklage erheben:
- Offensteht jedoch – entgegen der intertemporalen Regelung gemäss SchlT ZGB 13a – die Vaterschaftsklage gemäss ZGB 263 Abs. 3.
Im Einzelnen:
Zur Erhebung einer Herabsetzungsklage sind lediglich pflichtteilsgeschützte Erben legitimiert:
- Kein automatischer Wechsel von «Zahlvaterschaft» zur Vaterschaft mit Standesfolge
- Hat der Erblasser eine Person zu Lebzeiten als altrechtlicher «Zahlvater» unterstützt, so ist diese Person nur dann zur Erhebung der Herabsetzungsklage berechtigt, wenn ein rechtliches Kindesverhältnis zum Verstorbenen hergestellt wurde, was nicht ipso iure mit der Gesetzesänderung per 1978 geschah,
- als der Dualismus von «Zahlvaterschaft» und Vaterschaft mit Standesfolge abgeschafft wurde.
- Hat der Erblasser eine Person zu Lebzeiten als altrechtlicher «Zahlvater» unterstützt, so ist diese Person nur dann zur Erhebung der Herabsetzungsklage berechtigt, wenn ein rechtliches Kindesverhältnis zum Verstorbenen hergestellt wurde, was nicht ipso iure mit der Gesetzesänderung per 1978 geschah,
- Im konkreten Fall keine Vaterschaftsklage
- In concreto hatte der «Zahlvater» das Kind nie (rechtlich) anerkannt und es waren auch keine Klagen zwecks Herstellung eines rechtlichen Kindesverhältnisses eingereicht worden.
- Fehlende Aktivlegitimation zur Erhebung einer Herabsetzungsklage
- Weil es an einem rechtlichen Kindesverhältnis zum Beschwerdeführer fehlte,
- war dieser nicht zur Erhebung einer Herabsetzungsklage legitimiert.
- Weil es an einem rechtlichen Kindesverhältnis zum Beschwerdeführer fehlte,
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
- Die Gerichtskosten von Fr. 10’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, mitgeteilt.
BGer 5A_238/2023 vom 18.03.2024 = BGE 150 III 160 ff.
Definition der sog. «Zahlvaterschaft»
Uneheliche Kinder ohne Erbberechtigung
Mit dem Begriff «Zahlvaterschaft» ist ein von 1912 bis 1977 gesetzlich vorgesehenes Konstrukt gemeint.
Vor dem 01.01.1978 kannte das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) zwei Arten von Rechtsverhältnissen des Vaters zu seinem ausserehelich geborenen Kind:
- 1) Das dem ehelichen weitgehend gleichgestellte Kindesverhältnis mit sog. Standesfolge;
- 2) die «Zahlvaterschaft».
Die «Zahlvaterschaft» erlaubte es Vätern, ihre unehelichen Kinder nicht offiziell anerkennen zu müssen:
- Sie mussten lediglich eine monatliche Unterstützungspflicht an die Mutter des ausserehelichen Kindes leisten.
I. Nachkommen
Art. 457 ZGB
1 Die nächsten Erben eines Erblassers sind seine Nachkommen.
2 Die Kinder erben zu gleichen Teilen.
3 An die Stelle vorverstorbener Kinder treten ihre Nachkommen, und zwar in allen Graden nach Stämmen.
B. Herabsetzungsklage
I. Voraussetzungen
1. Im Allgemeinen
Art. 522 ZGB
1 Die Erben, die dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten, können die Herabsetzung der folgenden Erwerbungen und Zuwendungen verlangen, bis der Pflichtteil hergestellt ist:
1. der Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge;
2. der Zuwendungen von Todes wegen;
3. der Zuwendungen unter Lebenden.
2 Enthält eine Verfügung von Todes wegen Bestimmungen über die Teile der gesetzlichen Erben, so sind sie als blosse Teilungsvorschriften aufzufassen, wenn kein anderer Wille des Erblassers aus der Verfügung ersichtlich ist.
2. Neue Klagen
Art. 13a SchlT ZGB
1 Ist vor Inkrafttreten des neuen Rechts durch gerichtliche Entscheidung oder durch Vertrag eine Verpflichtung des Vaters zu Vermögensleistungen begründet worden und hat das Kind beim Inkrafttreten des neuen Rechts das zehnte Altersjahr noch nicht vollendet, so kann es binnen zwei Jahren nach den Bestimmungen des neuen Rechts auf Feststellung des Kindesverhältnisses klagen.
2 Beweist der Beklagte, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als diejenige eines Dritten, so erlischt der Anspruch auf künftigen Unterhalt.
Art. 8 EMRK Recht auf Achtung des Privat‑ und Familienlebens
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat‑ und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Art. 14 EMRK Diskriminierungsverbot
Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
Weiterführende Informationen
Herabsetzungsklage
Vaterschaftsklage
Quelle
LawMedia Redaktionsteam