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Raumplanungs- und Baurecht

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Bundesgericht: Gemeinden dürfen nicht eigenständig über Baugesuche ausserhalb der Bauzone entscheiden

Art. 87 Abs. 3 KRG/GR und Art. 25 Abs. 2 RPG

Datum:
22.04.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Bau- und Planungsrecht
Thema:
Baugesuche ausserhalb der Bauzone
Stichworte:
Baubewilligung, Baugesuch, Baugesuche, Bauvorhaben, Bauzone, Gemeinden, Kantone, Raumplanungsgesetz, RPG
Erlass:
Art. 87 Abs. 3 KRG/GR und Art. 25 Abs. 2 RPG
Entscheid:
BGer 1C_170/2024 vom 05.03.2025
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Das Bundesgericht hat im Urteil 1C_170/2024 entschieden, dass es einer Gemeinde nicht gestattet ist, Baugesuche ausserhalb der Bauzone eigenständig abzuweisen. Eine solche Praxis verstösst gegen Bundesrecht, insbesondere gegen die Vorgaben des Raumplanungsgesetzes (RPG). 

Im konkreten Fall ging es um ein Baugesuch in der Gemeinde Zizers im Kanton Graubünden.

History: Streit um ein Ökonomiegebäude in der Landwirtschaftszone

Der Beschwerdeführer hatte auf seiner Parzelle in der Landwirtschaftszone ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude geplant.

  • Die Baukommission der Gemeinde Zizers wies das Gesuch des Beschwerdeführers zur Erteilung der Baubewilligungim August 2022 mit Verweis auf eine fehlende Zonenkonformität ab, ohne die zuständige kantonale Behörde abschliessend entscheiden zu lassen.
  • Ein Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (seit Anfang 2025: Obergericht) wurde abgewiesen, woraufhin der Beschwerdeführer den Fall ans Bundesgericht weiterzog.

Kernfrage: Kann eine Gemeinde direkt Baugesuche ablehnen?

Strittig war, ob die Bündner Regelung (Art. 87 Abs. 3 KRG/GR), wonach Gemeinden Baugesuche ausserhalb der Bauzonen von sich aus wegen fehlender Zonenkonformität abweisen können, mit dem übergeordneten Bundesrecht (Art. 25 Abs. 2 RPG) vereinbar ist.

Gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG obliegt die Prüfung solcher Baugesuche ausschliesslich den kantonalen Behörden. Das Bundesgericht stellte fest, dass gegen den klaren Wortlaut dieser Bestimmung verstossen wurde:

  • Alle Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen müssen zwingend der zuständigen kantonalen Behörde zur Entscheidung vorgelegt werden,
  • unabhängig davon, ob die kommunale Baubehörde das Gesuch positiv oder negativ beurteilt.

Einheitliche Entscheidungsfindung als zentrales Ziel

Das Bundesgericht betonte, dass Art. 25 Abs. 2 RPG sicherstellen soll,

  • dass Baugesuche ausserhalb der Bauzone
    • einheitlich,
    • rechtsgleich
    • und durch eine unabhängige Instanz
  • beurteilt werden.

Dies diene nicht nur der Chancengleichheit, sondern verhindere auch mögliche Interessenkonflikte oder lokale «Pressionen».

Diese Streitsache in der Gemeinde Zizers zeigte exemplarisch,

  • dass die federführende kantonale Fachstelle (Amt für Raumentwicklung Graubünden) zwar einbezogen wurde,
  • die endgültige Entscheidung jedoch eigenmächtig durch die Gemeinde getroffen wurde.

Ein solches Vorgehen sei rechtswidrig und widerspreche sowohl Art. 25 Abs. 2 RPG als auch dem Koordinationsgebot gemäss Art. 25a RPG. Die beiden Themen verlangen eine koordinierte und übergeordnete Beurteilung.

Bundesgericht korrigiert: Rückweisung zur Nachbesserung

Das Bundesgericht erklärte das Vorgehen der Gemeinde als bundesrechtswidrig und hob die Entscheide der Vorinstanzen auf. Es wies die Streitsache zur Fortsetzung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen zurück. Die für die Koordination zusätzlich zuständige kantonale Fachstelle muss zudem eine abschliessende Beurteilung treffen.

Relevanz für die Praxis

Der Entscheid des Bundesgerichts hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung:

  1. Klarstellung der Zuständigkeiten: Gemeinden dürfen nicht eigenständig über Baugesuche ausserhalb der Bauzonen entscheiden.
  2. Einheitlichkeit und Rechtssicherheit: Die Entscheidungskompetenz liegt ausschliesslich bei den kantonalen Behörden, um einheitliche Standards sicherzustellen.
  3. Koordinationspflicht: Das Verfahren muss so gestaltet sein, dass eine gemeinsame und fachlich fundierte Lösung zwischen Gemeinde und Kanton erreicht wird.

Dieser Entscheid stärkt das Ziel des Raumplanungsrechts, Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen restriktiv und nach rechtsgleichen Kriterien zu behandeln. Damit sollen lokal divergierende Praktiken vermieden werden.

BGer 1C_170/2024 vom 05.03.2025

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

Bildquelle: hayoz-holzbau.ch

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