Das Bundesgericht hat im Urteil 1C_170/2024 entschieden, dass es einer Gemeinde nicht gestattet ist, Baugesuche ausserhalb der Bauzone eigenständig abzuweisen. Eine solche Praxis verstösst gegen Bundesrecht, insbesondere gegen die Vorgaben des Raumplanungsgesetzes (RPG).
Im konkreten Fall ging es um ein Baugesuch in der Gemeinde Zizers im Kanton Graubünden.
History: Streit um ein Ökonomiegebäude in der Landwirtschaftszone
Der Beschwerdeführer hatte auf seiner Parzelle in der Landwirtschaftszone ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude geplant.
- Die Baukommission der Gemeinde Zizers wies das Gesuch des Beschwerdeführers zur Erteilung der Baubewilligungim August 2022 mit Verweis auf eine fehlende Zonenkonformität ab, ohne die zuständige kantonale Behörde abschliessend entscheiden zu lassen.
- Ein Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (seit Anfang 2025: Obergericht) wurde abgewiesen, woraufhin der Beschwerdeführer den Fall ans Bundesgericht weiterzog.
Kernfrage: Kann eine Gemeinde direkt Baugesuche ablehnen?
Strittig war, ob die Bündner Regelung (Art. 87 Abs. 3 KRG/GR), wonach Gemeinden Baugesuche ausserhalb der Bauzonen von sich aus wegen fehlender Zonenkonformität abweisen können, mit dem übergeordneten Bundesrecht (Art. 25 Abs. 2 RPG) vereinbar ist.
Gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG obliegt die Prüfung solcher Baugesuche ausschliesslich den kantonalen Behörden. Das Bundesgericht stellte fest, dass gegen den klaren Wortlaut dieser Bestimmung verstossen wurde:
- Alle Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen müssen zwingend der zuständigen kantonalen Behörde zur Entscheidung vorgelegt werden,
- unabhängig davon, ob die kommunale Baubehörde das Gesuch positiv oder negativ beurteilt.
Einheitliche Entscheidungsfindung als zentrales Ziel
Das Bundesgericht betonte, dass Art. 25 Abs. 2 RPG sicherstellen soll,
- dass Baugesuche ausserhalb der Bauzone
- einheitlich,
- rechtsgleich
- und durch eine unabhängige Instanz
- beurteilt werden.
Dies diene nicht nur der Chancengleichheit, sondern verhindere auch mögliche Interessenkonflikte oder lokale «Pressionen».
Diese Streitsache in der Gemeinde Zizers zeigte exemplarisch,
- dass die federführende kantonale Fachstelle (Amt für Raumentwicklung Graubünden) zwar einbezogen wurde,
- die endgültige Entscheidung jedoch eigenmächtig durch die Gemeinde getroffen wurde.
Ein solches Vorgehen sei rechtswidrig und widerspreche sowohl Art. 25 Abs. 2 RPG als auch dem Koordinationsgebot gemäss Art. 25a RPG. Die beiden Themen verlangen eine koordinierte und übergeordnete Beurteilung.
Bundesgericht korrigiert: Rückweisung zur Nachbesserung
Das Bundesgericht erklärte das Vorgehen der Gemeinde als bundesrechtswidrig und hob die Entscheide der Vorinstanzen auf. Es wies die Streitsache zur Fortsetzung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen zurück. Die für die Koordination zusätzlich zuständige kantonale Fachstelle muss zudem eine abschliessende Beurteilung treffen.
Relevanz für die Praxis
Der Entscheid des Bundesgerichts hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung:
- Klarstellung der Zuständigkeiten: Gemeinden dürfen nicht eigenständig über Baugesuche ausserhalb der Bauzonen entscheiden.
- Einheitlichkeit und Rechtssicherheit: Die Entscheidungskompetenz liegt ausschliesslich bei den kantonalen Behörden, um einheitliche Standards sicherzustellen.
- Koordinationspflicht: Das Verfahren muss so gestaltet sein, dass eine gemeinsame und fachlich fundierte Lösung zwischen Gemeinde und Kanton erreicht wird.
Dieser Entscheid stärkt das Ziel des Raumplanungsrechts, Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen restriktiv und nach rechtsgleichen Kriterien zu behandeln. Damit sollen lokal divergierende Praktiken vermieden werden.
BGer 1C_170/2024 vom 05.03.2025
Art. 87 Abs. 3 KRG/GR
1 Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen (BAB) erfordern neben der Baubewilligung eine kantonale Bewilligung (BAB-Bewilligung).
2 Zuständig für Entscheide über Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen ist das Departement (BAB-Behörde). Die Regierung kann durch Verordnung die Zuständigkeit ganz oder teilweise einer anderen kantonalen Behörde übertragen.
3 Die kommunale Baubehörde überweist Gesuche für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen (BAB-Gesuch), bei denen sie die Voraussetzungen für eine Baubewilligung und eine BAB-Bewilligung als erfüllt betrachtet, mit begründetem Antrag auf Erteilung der BAB-Bewilligung der Fachstelle. Andernfalls weist sie das Gesuch von sich aus ab.
4 Erteilt die BAB-Behörde die BAB-Bewilligung, wird sie von der kommunalen Baubehörde zusammen mit der Baubewilligung eröffnet. In diesem Fall ist die Baubewilligung ohne Rücksicht auf allfällige kommunale Rechtsmittel direkt beim Obergericht anfechtbar. *
5 Verweigert die BAB-Behörde die BAB-Bewilligung, eröffnet sie den ablehnenden BAB-Entscheid direkt den Gesuchstellenden, wodurch das Baugesuch als abgewiesen gilt. Für die Verfahrenskosten der Gemeinde erlässt die kommunale Baubehörde einen separaten Kostenentscheid.
6 Bauten und Anlagen, die von der Regierung durch Verordnung von der Baubewilligungspflicht ausgenommen werden, erfordern keine BAB-Bewilligung, auch wenn die Gemeinden sie dem vereinfachten Baubewilligungsverfahren unterstellt haben.
3. Abschnitt: Zuständigkeit und Verfahren
Art. 25 Kantonale Zuständigkeiten
1 Die Kantone ordnen Zuständigkeiten und Verfahren.
1bis Sie legen für alle Verfahren zur Errichtung, Änderung oder Zweckänderung von Bauten und Anlagen Fristen und deren Wirkungen fest.70
2 Die zuständige kantonale Behörde entscheidet bei allen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen, ob sie zonenkonform sind oder ob für sie eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann.71
___
70 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 6. Okt. 1995 (AS 1996 965; BBl 1994 III 1075). Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 20. März 1998, in Kraft seit 1. Sept. 2000 (AS 2000 2042; BBl 1996 III 513).
71 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 20. März 1998, in Kraft seit 1. Sept. 2000 (AS 2000 2042; BBl 1996 III 513).
Art. 25a72 Grundsätze der Koordination
1 Erfordert die Errichtung oder die Änderung einer Baute oder Anlage Verfügungen mehrerer Behörden, so ist eine Behörde zu bezeichnen, die für ausreichende Koordination sorgt.
2 Die für die Koordination verantwortliche Behörde:
a. kann die erforderlichen verfahrensleitenden Anordnungen treffen;
b. sorgt für eine gemeinsame öffentliche Auflage aller Gesuchsunterlagen;
c. holt von allen beteiligten kantonalen und eidgenössischen Behörden umfassende Stellungnahmen zum Vorhaben ein;
d. sorgt für eine inhaltliche Abstimmung sowie möglichst für eine gemeinsame oder gleichzeitige Eröffnung der Verfügungen.
3 Die Verfügungen dürfen keine Widersprüche enthalten.
4 Diese Grundsätze sind auf das Nutzungsplanverfahren sinngemäss anwendbar.
___
72 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 6. Okt. 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1997 (AS 1996 965; BBl 1994 III 1075).
Weiterführende Informationen
Baubewilligungen / Baugesuche
Quelle
LawMedia Redaktionsteam
Bildquelle: hayoz-holzbau.ch