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Unternehmenssteuern

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Abschreibung einer Darlehensforderung

BV 127 Abs. 2

Datum:
12.06.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Unternehmenssteuern
Thema:
Abschreibung einer Darlehensforderung
Stichworte:
Abschreibung, Darlehen, Darlehensforderung, Steuern, Unternehmen
Erlass:
BV 127 Abs. 2
Entscheid:
BGer 9C_455/2024 vom 28.03.2025
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Sachverhalt

«A.

A.a. Die A.________ AG mit Sitz in U.________/AG bezweckt gemäss Handelsregisterauszug den Betrieb einer Textil-Veredelung, den Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Textilien und Textilrohstoffen, sowie den Erwerb, den Betrieb und die Verwaltung von Kraftwerken und alternativen Elektrizitätsgewinnungen aus erneuerbaren Energieträgern. Im für das vorliegende Verfahren relevanten Zeitraum bestand das Aktionariat der A.________ AG aus B.________ (39 %), C.________ (22 %) und D.________ (39 %). Dieselben Aktionäre halten im gleichen Verhältnis auch die Beteiligungsrechte an der E.________ AG (vgl. Urteil 9C_621/2022 vom 27. Februar 2023 und Verfahren 9C_445/2024 / 9C_454/2024). Der Verwaltungsrat der A.________ AG setzte sich ab dem 8. Februar 2008 aus F.________ (Präsident) und C.________ zusammen. Dieser Verwaltungsrat wurde Ende März 2022 durch G.________ (Präsident) und H.________ ersetzt.

A.b. Mit Vertrag vom 1. November 2010 gewährte die A.________ AG der damaligen I.________ AG mit Sitz in V.________/BE (umfirmiert per 16. April 2013 in J.________ AG; nachfolgend einheitlich J.________ AG) ein unbefristetes Darlehen über «maximal» Fr. 700’000.- zu einem jährlich per 31. Dezember zu leistenden Darlehenszins von 1 %. Für den Verzugsfall wurde ein Verzugszins (inkl. Darlehenszins) von 8 % p.a. vereinbart. Gemäss Darlehensvertrag sollte der geliehene Betrag der «Finanzierung der erforderlichen Anschaffungen für die Durchführung von Rennsportevents (Rennbesuche und Track Days) für Unternehmen (Kader- und Kundenanlässe) » dienen. Zusätzlich zum Basiszins vereinbarten die Parteien eine Beteiligung der Darlehensgeberin am Gewinn aus den Rennsportevents von 50 % bis zum Erreichen eines maximalen Darlehenszinssatzes von 6 %. Eine erste Darlehenstranche von Fr. 150’000.- wurde gemäss der Jahresrechnung 2010 der J.________ AG im Jahr 2010 ausbezahlt. Dem Abschluss 2011 der J.________ AG zufolge war die vereinbarte maximale Darlehenssumme von Fr. 700’000.- sodann per Ende 2011 vollumfänglich ausbezahlt.

A.c. Am 29. Dezember 2011 kündigte die A.________ AG das Darlehen per 30. Juni 2012 und leitete in der Folge am 24. Oktober 2012 gegen die J.________ AG Betreibung ein. Der betreffende Zahlungsbefehl wurde vom Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, am 24. Oktober 2012 ausgestellt und lautete auf eine Forderungssumme von Fr. 700’000.- zuzüglich 8 % Verzugszins seit dem 1. Juli 2012 sowie aufgelaufene Zinsen von Fr. 6’318.05 (pro 2011) und Fr. 3’480.55 (pro 2012). Die J.________ AG, handelnd durch K.________, erhob am 6. November 2012 Rechtsvorschlag.

A.d. Mit Forderungskaufvertrag vom 20. Dezember 2012 (überschriebene Datierung: 20. November 2012) und vom gleichen Tag datierender Zessionserklärung übertrug die A.________ AG der L.________ AG die Darlehensforderung gegen die J.________ AG von Fr. 700’000.- inklusive Kosten und Zinsen sowie sämtlicher Nebenrechte. Als Gegenleistung wurde eine Zahlung von 25 % des Forderungsbetrages per 28. Dezember 2012 vereinbart, vorbehältlich eines vorher eintretenden Konkurses der J.________ AG. Die Überweisung von Fr. 175’000.- an die A.________ AG erfolgte am 27. Dezember 2012, worauf diese im Konto «2470 Darlehen I.________ AG» gleichentags eine entsprechende Haben-Buchung vornahm. Die Restanz von Fr. 525’000.- (Fr. 700’000.- minus Fr. 175’000.-) verbuchte die A.________ AG in der Jahresrechnung 2012 im Konto Nr. 6750 erfolgswirksam als Debitorenverlust. Gemäss der Bilanz 2012 der J.________ AG (datierend vom 6. August 2013) übernahm die L.________ AG zwei weitere Darlehen, die Dritte der J.________ AG gewährt hatten («Darlehen M.________»: Fr. 141’064.-; «Darlehen N.________ SA»: Fr. 287’014.90). Entsprechend bestand bei der J.________ AG per 31. Dezember 2012 zugunsten der L.________ AG eine Darlehensschuld von gesamthaft Fr. 1’130’000.-. Die L.________ AG aktivierte die Darlehensforderung in ihrer Bilanz 2012 nicht.

A.e. Gemäss Forderungskaufvertrag vom 10. Januar 2013 übertrug die L.________ AG die Forderung gegen die J.________ AG von Fr. 1’130’000.- inklusive Zinsen und Kosten sowie sämtlicher Nebenkosten für Fr. 300’000.- auf G.________. Die Forderungszession erfolgte gemäss entsprechender Urkunde am 11. Januar 2013. Mit Valuta vom 15. Januar 2013 überwies G.________ den Forderungskaufpreis an die L.________ AG. Gemäss Anhang zum Jahresabschluss 2012 der J.________ AG erklärte G.________ im Umfang des Verlustvortrages des Jahresverlustes per 31. Dezember 2012 einen Rangrücktritt.

A.f. Nachdem die J.________ AG 2013 von der E.________ AG für Fr. 2’700’000.- eine Liegenschaft erworben und sie im gleichen Jahr für Fr. 4’300’000.- an die O.________ AG weiterverkauft hatte, führte sie das Darlehen im Gesamtbetrag von Fr. 1’130’000.- an G.________ zurück. Gemäss der Jahresrechnung 2013 der J.________ AG buchte diese die Position «Darlehen L.________ AG» von Fr. 1’130’000.- aus.

A.g. Nach einer Revision bei der A.________ AG und der E.________ AG am 5. und 6. April 2016, anschliessender Korrespondenz und einer Besprechung mit dem früheren Rechtsvertreter der beiden Gesellschaften veranlagte das Kantonale Steueramt am 9. Juni 2017 die A.________ AG für die Kantons- und Gemeindesteuern 2012 mit einem steuerbaren und satzbestimmenden Reingewinn von Fr. 207’549.- und einem steuerbaren Eigenkapital von Fr. 1’437’900.-. Dabei addierte das Kantonale Steueramt eine «Forderungsabschreibung J.________ AG» von Fr. 525’000.- zum deklarierten Reingewinn. Gleichzeitig wurde eine gewinnmindernde und kapitalbildende «Minusreserve auf Forderungsabschreibung J.________ AG», d.h. eine als Gewinn versteuerte Reserve, im Umfang von Fr. 105’000.- gebildet.»

Prozess-History

«B.a. Die kantonalen Rechtsmittel gegen diese Veranlagungsverfügung blieben erfolglos (Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts vom 19. Februar 2018; Urteil des Spezialverwaltungsgerichts des Kantons Aargau, Abteilung Steuern, vom 21. Januar 2021; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. April 2022).

B.b. Am 27. Februar 2023 hiess das Bundesgericht eine Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gut. Es hob das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Sache zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurück (Urteil 9C_623/2022 vom 27. Februar 2023). Es begründete sein Urteil damit, dass sich das Verwaltungsgericht in einen Widerspruch verstrickt und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hatte, weil es im Verfahren betreffend die A.________ AG angenommen hatte, deren Forderung gegen die J.________ AG sei werthaltig gewesen, während die Vorinstanz im Verfahren betreffend die E.________ AG den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatte (vgl. Urteil 9C_623/2022 vom 27. Februar 2023 E. 3.3).

B.c. Nach ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der A.________ AG mit Urteil vom 29. Mai 2024 abermals ab. Es begründete dies damit, dass die Forderung der A.________ AG gegen die J.________ AG per Ende der Steuerperiode 2012 zwar tatsächlich nur noch im Umfang von Fr. 175’000.- werthaltig gewesen sei. Es habe aber schon am Ende der Vorperiode ein entsprechender Abschreibungsbedarf bestanden, weswegen die Abschreibung in der Steuerperiode 2012 nicht mehr zum Abzug zugelassen werden könne.

C.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. September 2024 beantragt die A.________ AG, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Mai 2024 aufzuheben und der Gewinn des Geschäftsjahres 2012 wie deklariert, ohne Aufrechnung einer geldwerten Leistung von Fr. 525’000.-, zu veranlagen. Das Kantonale Steueramt beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die A.________ AG nimmt erneut Stellung.»

Erwägungen

Bei der darlehensnehmenden Gesellschaft bestanden aufgrund einer Unterbilanz Zweifel an der Werthaltigkeit der Darlehensforderung.

Im Zweifelsfalle besteht aus steuerlichen Gesichtspunkten noch keine Verpflichtung, die entsprechende Forderung wertmässig zu berichtigen.

Daher war es im konkreten Fall steuerrechtlich zulässig, dass die Darlehensgeberin erst im Folgegeschäftsjahr, als konkrete Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit gegeben waren, die Wertberichtigung vorzunehmen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 29. Mai 2024 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Veranlagung im Sinne der Erwägungen an das Kantonale Steueramt Aargau zurückgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 5’000.- werden dem Kantonalen Steueramt Aargau auferlegt.
  3. Das Kantonale Steueramt Aargau hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 3’000.- zu bezahlen.
  4. Das Verfahren wird zur neuen Verlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.
  5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 9C_455/2024 vom 28.03.2025

Verfassungsmässige Grundlage

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