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Gesellschaftsrecht

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Aktienrechtliche Verantwortlichkeit + Business Judgment Rule

OR 754

Datum:
16.09.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht
Stichworte:
aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Business Judgment Rule
Erlass:
OR 754
Entscheid:
BGer 4A_506/2024 vom 18.03.2025
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Regeste

OR 754 – Verantwortlichkeit der Organe

Sachverhalt

«A.a. B.________ (Kläger, Beschwerdegegner) war Aktionär und Präsident des Verwaltungsrats der C.________ AG mit Sitz in U.________. Diese bezweckte namentlich die Erbringung von Dienstleistungen im baulichen Brandschutz. Mit Entscheid vom 9. Mai 2017 eröffnete der Konkursrichter am Bezirksgericht Winterthur über die C.________ AG den Konkurs. Am 10. Januar 2018 wurde die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht.

A.________ (Beklagter, Beschwerdeführer) war alleiniger Geschäftsführer sowie – nebst seiner Ehefrau – Aktionär und Mitglied des Verwaltungsrats der D.________ AG (vormals: E.________ AG) mit Sitz in V.________. Diese bezweckte die Führung, Betreuung und Leitung von Bauten und Anlagen. Sie beschäftigte keine Angestellten. Mit Entscheid vom 6. Februar 2019 eröffnete der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug über die D.________ AG den Konkurs. Am 15. Dezember 2021 wurde die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht.»

Aus den Erwägungen

Die Mitglieder des Verwaltungsrats und alle mit der Geschäftsführung

befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, welchen sie durch absichtliche

oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (vgl. OR 754 Abs. 1).

Der Verantwortlichkeitskläger hat folgende Obliegenheiten:

  • Substantiierung + Beweis
    • Substantiierung und Beweis der Elemente des Verantwortlichkeitsanspruchs;
  • Bestreitungsanforderungen
    • Die Anforderungen an eine substantiierte Bestreitung sollen je detaillierter der Parteivortrag, desto höher sein.
  • Keine pauschalen Bestreitungen
    • Die tieferen Bestreitungsanforderungen als die Anforderungen an die Substantiierung einer Behauptung reichen als pauschale Bestreitungen indessen nicht aus.
  • Erfordernis einer klaren Bestreitungsäusserung zur gegnerischen Behauptung
    • Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten und konkreten gegnerischen Behauptung infrage gestellt wird.

Das Bundesgericht anerkennt im Hinblick auf die Beurteilung von Verletzungen der Sorgfaltspflicht durch ein Organ gemäss OR 717 Abs. 1,

  • dass sich die Gerichte Zurückhaltung aufzuerlegen haben
    • bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden,
      • die zustande gekommen sind
        • in einer einwandfreien Erhebung
        • auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und
        • von Interessenkonflikten freien Entscheidungsprozess.

Sind die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt, rechtfertigt es sich nicht,

  • besondere Zurückhaltung zu üben und
  • nur zu prüfen, ob der Entscheid noch im Rahmen des Vertretbaren liegt.

Vielmehr reicht es in diesem Fall für eine Verantwortung des Verwaltungsrats aus, dass

  • ein Geschäftsentscheid
    • in der gegebenen Situation bei freier bzw. umfassender Prüfung;
    • als fehlerbehaftet erscheint.

Bei einer Unterlassungshandlung, bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach,

  • ob der Schaden auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre.

Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf,

  • für den nach den Erfahrungen des Lebens und
  • dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
  • eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss.

Grundsätzlich unterscheidet die Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen

  • natürlichem Kausalbezug und
  • adäquatem Kausalzusammenhang.

Die Feststellungen des Sachgerichts im Zusammenhang mit Unterlassungen sind daher

  • entsprechend der allgemeinen Regel über die Verbindlichkeit der Feststellungen
  • zum natürlichen Kausalzusammenhang

für das Bundesgericht bindend,

  • nur wenn die hypothetische Kausalität festgestellt wird
    • ausschliesslich auf Basis der allgemeinen Lebenserfahrung,
    • nicht gestützt auf Beweismittel,
  • unterliegen die Erhebungen der freien Überprüfung durch das Bundesgericht.

Entscheid

Demnach erkennt das Bundesgericht:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 6’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  3. Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7’000.– zu entschädigen.
  4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, schriftlich mitgeteilt.

BGer 4A_506/2024 vom 18.03.2025

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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