Von einer Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, Art. 419 ff. OR) wird gesprochen, wenn jemand die Geschäfte eines anderen besorgt, wie z.B. die Behandlung eines urteilsunfähigen (bewusstlosen) Patienten. Die Grundsätze der GoA gelten auch für die Behandlung in einem öffentlichen Spital, falls entsprechende öffentlich-rechtliche kantonale Regelungen fehlen.
Haftungsvoraussetzungen
- Vorliegen eines fremden Geschäfts
- Führen eines fremden Geschäfts
In der Lehre wird unterschieden zwischen:
- echter (altruistischer) GoA
- unechter (egoistischer) GoA
Im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung steht die echte GoA im Vordergrund. Bei der echten GoA wird unterschieden zwischen:
- echter berechtigter GoA
- echter unberechtigter GoA
Echte berechtigte GoA
- Ärztliche Behandlung im Interesse des Patienten geboten
- Bei der Beurteilung der Gebotenheit hat der Arzt den mutmasslichen Willen des Patienten zu ermitteln und sein Handeln danach zu richten. Soweit der Patientenwille nicht ermittelt werden kann, ist massgebend was ein korrekt handelnder Arzt unter den gegebenen Umständen aus Patientensicht als geboten ansehen durfte. Ist der Patient handlungsunfähig, ist der wirkliche oder mutmassliche Wille seines gesetzlichen Vertreters massgebend.
- Kein Einmischungsverbot seitens des Patienten
- Patientenverfügung (Patiententestament) als Einmischungsverbot?
Schriftliche Patientenerklärung mit Weisungen für medizinische Behandlung bei Urteilsunfähigkeit (Art. 370 – 373 ZGB). Soweit solche Verfügungen vom Arzt ein Unterlassen bestimmter Massnahmen fordern, können sie je nach den Umständen des Einzelfalles als Einmischungsverbot gelten.
- Patientenverfügung (Patiententestament) als Einmischungsverbot?
Echte unberechtigte GoA
- Behandlung war nicht geboten; oder
- Verstoss gegen Einmischungsverbot des Patienten
Rechtsfolgen
Echte berechtigte GoA:
Der Arzt haftet für jede Fahrlässigkeit, seine Haftung ist aber milder zu beurteilen, wenn er handelte um dem Geschäftsherrn (Patienten) drohenden Schaden abzuwenden (Art. 420 Abs. 1 und 2 OR).
Sind die Voraussetzungen der echten berechtigten GoA gegeben, entsteht ein Rechtsverhältnis, das in vielen Teilen vertragsrechtlichen Grundsätzen folgt:
- Arzt ist zur sorgfältigen Durchführung der Behandlung verpflichtet
- Haftung für jede Fahrlässigkeit
- Anspruch auf Verwendungs- und Schadenersatz
Im Ergebnis entspricht die Haftung im Recht der GoA derjenigen des Beauftragten nach Art. 398 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 OR. Der Patient hat zu beweisen:
- Schaden
- Sorgfaltspflichtverletzung des Arztes
- Kausalzusammenhang
- Verschulden (Vermutung, Art. 97 Abs. 1 OR).
Der Arzt haftet auch für seine Hilfspersonen nach Art. 101 OR.
Echte unberechtigte GoA:
Der Arzt greift ohne Rechtfertigungsgrund in die körperliche Integrität des Patienten ein, sodass ein widerrechtliches Handeln vorliegt. In diesen Fällen haftet der Arzt dem Patienten für Schäden nach den Regeln des Deliktsrechts. Anspruchsgrundlage bilden die Art. 41 ff. OR.
Hat der Arzt entgegen dem ausgesprochenen oder sonst erkennbaren Patientenwillen gehandelt und war dessen Verbot nicht unsittlich oder rechtswidrig, haftet der Arzt auch für Zufall, wenn er nicht beweist, dass dieser auch ohne seine Einmischung eingetreten wäre (Art. 420 Abs. 3 OR).
In diesen Fällen haftet der Arzt auch wenn ihm kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann, soweit zwischen Behandlung und Schaden ein (adäquater) Kausalzusammenhang besteht.
Nach Art. 420 Abs. 2 OR wird die Haftung des Arztes milder beurteilt, wenn ihm am Verstoss gegen das Einmischungsverbot kein oder bloss ein leichtes Verschulden trifft. Vorausgesetzt wird aber, dass der Arzt die Behandlung vorgenommen hat um drohenden Schaden abzuwenden.
Nach Art. 424 OR kann der Patient eine berechtigte wie auch unberechtigte echte Geschäftsführung des Arztes ohne Auftrag nachträglich genehmigen, sodass die Vorschriften des Auftragsrechts (Art. 394 ff. OR) analog zur Anwendung gelangen.