Neben den vorerwähnten Bestimmungen zu „Force Majeure / Höherer Gewalt“ existieren auch sogenannte „Härtefallklauseln“ („Hardship Clauses“). Im Gegensatz zur „Force Majeure / Höherer Gewalt“ wird die Leistungserbringung für den Betroffenen im Härtefall (nur) wirtschaftlich, über kurz oder lang, untragbar.
Weiterführende Informationen
- Muster-Klauseln „Härtefall-Klausel“ („Hardship Clause“)
Kernelemente der Härtefallklausel
- Subjektiv unverschuldeter Härtefall
- Leistungserbringung grundsätzlich weiterhin möglich
- Leistungserbringung, über kurz oder lang, ruinös
- Wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet
- Geschäftsmodell u.U. obsolet
Thesen zu den Auswirkungen eines Härtefalls auf Bankgarantien:
- Die Rentabilität eines Geschäftsmodells liegt in der Verantwortung des Unternehmers
- Das eigene, wirtschaftliche Betriebsrisiko kann grundsätzlich nicht auf Vertragspartner abgewälzt werden
- Verluste sollen dort getragen, und allenfalls dort durch staatliche Hilfen gemildert werden, wo sie anfallen
- Die freie Marktwirtschaft stellt und muss ein sich selbst regulierendes System darstellen
- Der Staat kann nicht die Verluste des einen zu Verlusten des anderen erklären, sondern kann Verluste – im Sinne von zB strukturerhaltenden Fördermassnahmen – nur durch individuelle Massnahmen verhindern oder decken helfen
- Das Vertragsrecht ist grundsätzlich nicht geeignet, durch Vertragsanpassungen Verluste des einen Vertragspartners auf den anderen Vertragspartner zu überwälzen
- In Bezug auf die Möglichkeiten der Ziehung von Bankgarantien bedeutet dies, dass sich der Garantie-Begünstigte, sofern die Ziehung gemäss Garantietext möglich und kein entsprechender Vorbehalt enthalten ist, nicht darum kümmern muss, weshalb die Erfüllung ausbleibt oder ausgeblieben ist
- In der Regel deckt die Bankgarantie gerade den Fall ab, dass der Garantie-Auftraggeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und nicht mehr erfüllt oder erfüllen kann. Ob diese Schwierigkeiten viele, oder nur den Garantie-Auftraggeber treffen, ist im entsprechenden Vertragsverhältnis nicht relevant
- Die Besserstellung des Garantie-Begünstigten gegenüber anderen Gläubigern gehört zum Wesensmerkmal jeder Bankgarantie
- Die Abrechnung über die Ziehung der Bankgarantie kann zusammen mit der Auseinandersetzung über eine allfällige Vertragsanpassung gemäss Härtefallklausel erfolgen
Härtefälle infolge Covid-19
- Im Gesellschaftsrecht existiert der Begriff des „Going Concern“ (Fortführungsprinzip)
- Übertragen auf ein Vertragsverhältnis stellen sich, analog einer „Going Concern“ Beurteilung, deshalb die folgenden Fragen:
- Macht die Weiterführung des Vertragsverhältnisses überhaupt noch einen Sinn oder soll – im Sinne eines „Stopp-Loss“ Entscheides, der Stecker gezogen werden?
- Kann das Vertragsverhältnis auf eine für beide Parteien tragbare, wirtschaftliche Grundlage gehoben werden?
- Kann das Vertragsverhältnis durch zeitliche und sachliche Massnahmen, unter Zugrundelegung eines zeitlich vernünftigen Planungshorizontes, saniert werden?
- Sind Struktur- oder Geschäftsfeldanpassungen auf einer oder beiden Seiten notwendig?
- Bei Vermieter zB: Höhergewichtung der Umsatzmiete
- Bei Retail-Leistungserbringern: Anpassung von Sortiment und/oder Vertriebsart
- Etc.
- Aufnahme einer Neuverhandlungspflichtsklausel, falls bestimmte, unverschuldete Ereignisse eintreten, d.h. infolge Wegfalls der vormaligen Geschäftsgrundlage („clausula rebus sic stantibus“)?
- Im Verhältnis zwischen Bankgarantien und Covid-19 stellen sich die folgenden Fragen:
- Aufnahme einer Karenzfrist im Bankgarantietext zu Gunsten des Bankgarantieauftraggebers, falls dieser in eine unverschuldete Leistungsstörung gefallen ist?
- Anknüpfung der Unverschuldetheit an behördliche Massnahmen, wie Betriebsschliessungen oder Betriebseinschränkungen?
- Der Möglichkeit, abstrakte Bankgarantien an Covid-19 oder ähnliche Umstände anzupassen, sind jedoch enge Grenzen gesetzt, da sonst das Rechtsinstitut untergraben resp. ausgehöhlt wird.