Die Normen der kaufrechtlichen Gewährleistungspflicht wie auch die werkvertragliche Mängelhaftung sind dispositives Recht:
Die Parteien können daher
- den Inhalt der gesetzlichen Normen aufheben, ersetzen oder ergänzen;
- eigene, den individuellen Bedürfnissen angepasste Haftungsregeln redigieren41;
- auf die gesetzlichen Bestimmungen der werkvertraglichen Mängelhaftung verweisen;
- vorformulierte Vertragsbestimmungen zur Mängelhaftung (AGB) übernehmen42;
- vereinbaren, dass der Verkäufer die ihm seitens der Unternehmer zustehenden Nachbesserungsrechte43; dem Käufer abtritt44;
- verabreden, dass jede Gewährleistungspflicht wegbedungen wird (sog. Freizeichnung)45.
Nun zu den zwei Gewährleistungsextremen, der Wegbedingung und der Zusicherung.
Wegbedingung der Gewährleistung
Die Wegbedingung der Gewährleistungspflicht46, auch «Freizeichnung» genannt, bewirkt in aller Regel, dass die Rechts- und Sachgewährleistung vollständig wegbedungen wird.
Die Freizeichnung steht im Widerspruch zur Vertragstreue. Die Freizeichnungsklausel ist, wenn nicht ungültig47, so doch restriktiv auszulegen48. Sind die Mängel ausserhalb der Vorstellungskraft der Parteien, so ist die Freizeichnung diesbezüglich unwirksam, und der Käufer kann seine Gewährleistungsbehelfe doch durch- setzen (Ausschluss nicht voraussehbarer Mängel)49.
Zusicherung
Mit der formfrei50 gültigen Zusicherung51 gibt der Veräusserer zu erkennen und will dafür einstehen, dass eine Eigenschaft des Kaufobjektes im Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Gefahr vorhanden ist.
Themen sind bestimmte:
- körperliche Eigenschaften52;
- rechtliche Eigenschaften53;
- wirtschaftliche Eigenschaften54.
41 Z. B. gemeinsame Prüfung; anstatt Verwirkung der Mängelrechte, Ersatz des Schadens, welcher hätte bei rechtzeitiger Mängelrüge vermieden werden können usw.
42 Mustertext für weitere Bestimmung im Grundstückkaufvertrag: «Der Verkäufer leistet Gewähr gemäss den SIA-Normen, insbesondere nach der SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) mit ihren zahlreichen Bestimmungen wie zur Abnahme mit oder ohne Prüfung (Art. 157 ff.), über die Haftung für Mängel (Art. 165 ff.) und über die Verjährung (Art. 172 und 180) usw.»
43 Wandelungs- und Minderungsrechte sind nicht abtretbar, es sei denn, es erfolge eine Vertragsübertragung des Werkvertrages vom Verkäufer als Besteller auf den Käufer, natürlich unter Zustimmung des jeweiligen Unternehmers; vgl. dazu Egli Anton, Kaufvertrag und Garantien nach der SIA-Norm 118 in BR 1983/1, S. 7 ff., Abs. IV.
44 Siehe FN 10. Für den Käufer ist die Abtretung meistens unbefriedigend. Für den Unternehmer ist der «Parteiwechsel» insofern nachteilig, als er neuen Bauherren und ev. neuen Bauleitungen mit möglicherweise an- deren Ansprüchen gegenübersteht.
45 Siehe Anm. 8.
46Beim Grundstückkauf öffentlich zu beurkunden.
47 BK-Giger, N 84 ff. zu OR 221. Ein Teil der Lehre betrachtet Freizeichnungsklauseln als unwirksam. Ein Lösungsansatz von Giger Hans ist die individuelle Geltungs- und Inhaltskontrolle gleich der AGB-Kontrolle (vgl. BK-Giger, N 27 f. zu OR 219.
48 Und zwar nach dem Grundsatz «in dubio contra stipulatorem», im Sinne der Wirkungsbegrenzung Ausschluss nicht voraussehbarer Mängel.
49 Vgl. BK-Giger, N 15 zu OR 219; BGE 60 II 444 (ZBGR 16 S. 148) und BGE 107 II 161 Nr. 21 (ZBGR 65 [1984] 186 ff.
50 Vgl. BK-Giger, N 234 zu OR 216 und N 55 ff. zu OR 221; BGE 63 II 79, BGE 73 II 220.
51 OR 197.
52 Z. B. Zusage des Bauvolumens, des ordnungs- gemässen Zustands des veräusserten Gebäudes («übliche Baugarantie»), des Fehlens übermässiger Grundwasserfeuchtigkeit, der Tragkraft der Decken, des Erschliessungszustands des verkauften Grundstücks bzw. zu dessen Baureife, von Bodenschätzen, der Existenz eines Gleisanschlusses, der Absenz eines anderen Wohnungszugangs auf dem gleichen Stockwerk, einer schönen Aussicht oder von Seeanstoss, vgl. BK-Giger, N 61 zu OR 221.
53 Z. B. Zusage des Fehlens einer öffentlich- rechtlichen Baubeschränkung; die Klausel
«frei von Pacht» gilt dagegen nicht als Zusicherung, vgl. dazu BK-Giger, N 62 zu OR 221.
54 Z. B. Zusage einer bestimmten Mietzinseinnahme oder Rendite, des Umsatzes einer auf dem Kaufobjekt befindlichen Gastwirtschaft oder der Rentabilität einer Gärtnereiliegenschaft; vgl. BK-Giger, N 63 zu OR 221.