Ausgangslage
Mit dem Stillhalteabkommen werden Handlungen verabredet, die im späteren Insolvenzverfahren über den Kreditnehmer paulianisch angefochten werden können.
Anfechtungsgefährdete Handlungen
Kapitalrückzahlungen
- allgemein
- aufgrund vereinbarter Desinvestitionen
- im Gegenzug zur Leistung von Sanierungsbeiträgen
- ev. prioritäre Rückzahlung von Überbrückungskrediten
- Teilrückzahlungen
- gegen Sanierungsbeitrag in Form eines Rangrücktritts
- Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung?
- gegen Sanierungsbeitrag in Form eines Forderungsverzichts
- Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung?
- gegen Sanierungsbeitrag in Form eines Rangrücktritts
Zinszahlungen
- Regelmässiger Zinsendienst ist Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Kapitals
Sicherheitsbestellungen
- Nachträgliche Besicherungen, Zug um Zug gegen eine Stillhalten oder gegen Sanierungsbeiträge?
- Besicherung von Überbrückungskrediten?
Anfechtungsarten
Die anfechtungsgefährdeten Handlungen sind unter die folgenden Anfechtungstatbestände einzuordnen:
Überschuldungsanfechtung
- Anfechtbarkeit von Kredit- und Zinsrückzahlungen,
- die innerhalb des letzten Jahres vor der Konkurseröffnung bzw. vor Bestätigungen des Nachlassvertrages erfolgten, zu einer Gläubigerschädigung führten, der Kreditnehmer bereits (zu Fortführungs- und Liquidationswerten) überschuldet war und die Zahlung mit unüblichen Zahlungsmitteln oder vor Fälligkeit erfolgte
- die während der Gültigkeitsdauer des Stillhalteabkommens bezahlt werden (= vorfällige Tilgung gemäss SchKG 287 Abs. 1 Ziffer 3)
- die in Form eines Debt / Asset Swap erfolgten (= unübliches Zahlungsmittel gemäss SchKG 287 Abs. 1 Ziffer 2)
- Anfechtbarkeit von (nachträglichen) Besicherungen,
- zu denen der Kreditnehmer nicht schon früher verpflichtet war, die innerhalb des letzten Jahres vor seiner Konkurseröffnung stattfanden, zu einer Schädigung der übrigen Gläubiger führten und trotz seiner Überschuldung (zu Fortführungs- und Liquidationswerten) erfolgten
Absichtsanfechtung
- Anfechtbarkeit von Kredit- und Zinsrückzahlungen,
- die innerhalb der 5-jährigen période suspecte erfolgten, zu einer Gläubigerschädigung führten und der Kreditnehmer in einer für die Banken erkennbaren Gläubigerschädigungsabsicht handelte
- Beurteilung Schädigungsabsicht und Erkennbarkeit
- Beurteilung der Frage, ob Kreditnehmer und Banken im Zahlungszeitpunkt noch mit der Unternehmenssanierung rechnen durften, im konkreten Einzelfall erforderlich
- Anfechtbarkeit von (nachträglichen) Besicherungen,
- die während der letzten 5 Jahre vor Konkurseröffnung mit Gläubigerschädigung erfolgten und der Kreditnehmer bzw. Sicherungsgeber in einer für die sicherungsbegünstigten Banken erkennbaren Schädigungsabsicht gehandelt hat
Schenkungsanfechtung
- Anfechtbarkeit von Besicherungen (meistens eines Drittsicherheitsgebers),
- die innerhalb der 1-jährigen période suspecte vorgenommen wurden, keine oder nur eine minderwertige Gegenleistung zur Grundlage hatten und eine Sicherstellungspflicht nicht früher bestanden hat
- Beurteilung der äquivalenten Gegenleistung im konkreten Einzelfall erforderlich
Keine Anfechtbarkeit
Kapitalrückzahlungen
- Keine Gläubigerschädigung bei Rückzahlung eines besicherten Kredits im Umfange der Besicherung
Zinszahlungen
- Regelmässige Zinszahlungen
Sicherheitsbestellungen
- Ursprüngliche, direkte Besicherung eines Überbrückungskredits
- Ausnahme: Mittelverwendung zum Schaden anderer Gläubiger und Erkennbarkeit der Absicht bei Kreditgewährung (vgl. BGE 101 III 92, Erw. 4b)
- Verpflichtung zur Sicherheitsleistung im Stillhalteabkommen (durch Drittsicherheitsgeber) mehr als ein Jahr vor Konkurseröffnung über den Drittsicherheitsgeber bzw. vor Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung
- Abschluss eines Stillhalteabkommens mit Sicherheitsleistungsverpflichtung, Sicherheit aber erst später erfolgte und das Stillhalteabkommen mehr als ein Jahr vor Konkurseröffnung bzw. Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung zustande kam
- Besicherter Überbrückungskredit zur Aufrechterhaltung des operativen Tagesgeschäfts aufgrund Stillhalteabkommen, sofern und soweit die Mittel zweckgemäss verwendet wurden
Anfechtbarkeit
Kapitalrückzahlungen
- Gläubigerschädigende Kapitalrückzahlungen oder Teilrückzahlungen bei Überschuldung des Kreditnehmers mit Gläubigerschädigung
Zinszahlungen
- Einmalzinszahlung infolge Beendigung des Stillhalteabkommens vor Ende der Darlehenslaufzeit
Sicherheitsbestellungen
- Nachträgliche Besicherung durch eine direkte Sicherheit im Austausch gegen eine gleichwertige Leistung (zB Stillhalteabkommen als Gegenleistung); Bestellung einer Drittsicherheit durch eine mit der Kreditnehmerin verbundene Konzerngesellschaft erfordert eine Einzelfallprüfung (indirekter Vorteil der Aufrechterhaltung der konzerninternen Finanzierung etc. als gleichwertige Gegenleistung?)
- Nachträgliche Besicherung in Kenntnis der Überschuldung zu Fortführungs- und Liquidationswerten oder bei Kenntnis der bevorstehenden Konkurseröffnung
Nicht ohne Weiteres bzw. nur im konkreten Einzelfall beurteilbar
Kapitalrückzahlungen
- Gegenleistung, wenn die Bank im Gegenzug für eine Teilrückzahlung den verbleibenden Teil des Kredits stundet oder sie auf eine Fälligstellung desselben verzichtet und so den Eintritt eines Cross Default verhindert
- Berücksichtigung, dass die drohende Illiquidität wegen des Cross Default bzw. die mögliche Überschuldung bei einem Dahinfallen der Going Concern-Prämisse u.U. zu einem grösseren Schaden für die übrigen Gläubiger führt
Zinszahlungen
- Individual-Zinsendienst erfordert Einzelfallbeurteilung
Sicherheitsbestellungen
- Unter Stillhalteabkommen gewährter, besicherter Überbrückungskredit und Kreditrückführung etc.
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Weiterführende Informationen
Literatur
- WOLF MARKUS, Stillhalteabkommen kreditgebender Banken – Ein Beitrag zum Unternehmenssanierungsrecht, Diss. Zürich / St. Gallen 2012, S. 127 ff.
- HUNKELER DANIEL, Die Absichtsanfechtung im Allgemeinen, in: Susan Emmenegger (Hrsg.), Kreditrecht, Basel 2010, S. 137 – S. 151
- HUNKELER DANIEL, Zinszahlungen beim Darlehen sind grundsätzlich paulianisch nicht anfechtbar, in: Jusletter vom 15.03. 2010
Judikatur
- Judikatur zur Nichtanfechtbarkeit von Zinszahlungen
- BGE 136 III 247, Erw. 7
- BGE 5A_750/2008, Erw. 4.4, vom 24.02.2010
- Judikatur zu Besicherungsanfechtungen
- Ursprüngliche Besicherung eines Kredits durch den Kreditnehmer gilt als Austausch gleichwertiger Leistung und schädigt die übrigen Gläubiger daher grundsätzlich nicht
- Nachträgliche Besicherung eines Kredits durch den Kreditnehmer führt zu einer Verminderung des Vollstreckungsergebnisses für die übrigen Gläubiger und damit zu einer Gläubiger schädigenden Begünstigung der Bank
- BGE 5A_892/2010 vom 22.08.2011, Erw. 2
- BGE 101 III 92 Erw. 4a (Nachträgliche Besicherung noch als Grenzfall einer Gläubigerschädigung bezeichnet)
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