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Wohnsitz / Steuerdomizil

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Wohnsitz im Zivilprozess

Rechtsgebiet:
Wohnsitz / Steuerdomizil
Stichworte:
Steuerdomizil, Wohnsitz
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Wohnsitz ist auch im Zivilprozess, v.a. für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bzw. des Richters, von Relevanz:

  • Begriff
    • Wohnsitzgerichtsstand   =   Gerichtsstand an einem von den Regeln des ZGB abgeleiteten Wohnsitzes
  • Grundlage
    • ZPO 10 (siehe Box unten)
  • Verweisung auf das ZGB
    • Grundsatz
      • Die ZPO enthält keine eigene Definition des «Wohnsitzbegriffes», sondern verweist in ZPO 10 Abs. 2 auf das ZGB.
    • Ausnahme
      • Ausdrücklich ausgenommen von der Verweisung auf das ZGB ist gemäss ZPO 10 Abs. 2, Satz 2, die Bestimmung von ZGB 24.
  • ZPO-Zuständigkeit
    • Die Zuständigkeit am Wohnsitz für natürliche Personen nach ZPO 10 ist gegeben, wenn die ZPO keinen anderen besonderen Gerichtsstand vorsieht (vgl. ZPO 20 ff.).
    • Beim sog. «Wohnsitzgerichtsstand» handelt sich um einen allgemeinen Gerichtsstand.
    • Der sog. «Wohnsitzgerichtsstand» befindet sich am Wohnsitz des Beklagten als natürliche Person und ist weder zwingend, teilzwingend noch ausschliesslich.
    • Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf den sog. «Wohnsitzgerichtsstand» verzichtet werden.
  • Wohnsitzgerichtsstand-Voraussetzungen
    • ZPO 10 setzt bei allen in Abs. 1 lit. a – d erwähnten Klagen voraus:
      • das Fehlen eines besonderen Gerichtsstandes und
      • das Vorhandensein eines Wohnsitzes bei natürlichen Personen.
    • Der Wohnsitz der natürlichen Person bestimmt sich nach den Normen des ZGB:
      • Gemäss ZGB 23 Abs. 1  befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Ort,
        • wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält.
      • Der Wohnsitzbegriff setzt sich aus zwei Elementen zusammen:
        • objektives Element:
          • Aufenthalt;
        • subjektives Element:
          • Absicht dauernden Verbleibens.
  • Zuständigkeitsnachweis (örtliche Zuständigkeit)
    • Kläger
      • Der Kläger die Zuständigkeit nachzuweisen:
        • Wer sich somit auf einen bestimmten Wohnsitz beruft und so daraus Rechte ableitet, hat dies aufgrund der allgemeinen Beweisregel von ZGB 8 zu beweisen.
        • Dementsprechend hat der Kläger in aller Regel den Wohnsitz des Beklagten nachzuweisen.
          • Aufgrund von ZPO 10 Abs. 2, Satz 2, kann die aus ZGB 24 Abs. 1 bestehende Vermutung nicht angerufen werden.
    • Beklagter
      • Behauptet der Beklagte substantiiert, an einem anderen als vom Kläger erwähnten Ort Wohnsitz oder Aufenthalt zu haben,
        • so ist er hiefür beweispflichtig.
    • Beweislossigkeit beider Parteien
      • Kann keine der Parteien den Beweis eines Wohnsitzes an dem einen oder anderen Ort erbringen,
        • so trifft den Beklagten die Beweislast,
          • dass er an einem anderen Ort als dem Ort, an welchem er eingeklagte wurde, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (vgl. INFANGER DOMINIK, BSK ZPO, 2017, Art. 10 ZPO | Wohnsitz und Sitz, Basel 2017, N 41)
  • Rechtshängigkeit
    • Allgemeines
      • Der Gerichtsstand des Wohnsitzes von natürlichen Personen wird mit Eintritt der Rechtshängigkeit fixiert.
    • Wohnsitzwechsel: Verbleibende Zuständigkeit
      • Ein späterer Wohnsitzwechsel ist ohne Belang.
      • Die Klage am ursprünglich örtlich zuständigen Gericht bleibt bis zur Erledigung dort anhängig.
  • Rechtsfolgen
    • Örtliche Zuständigkeit des Wohnsitzrichters
      • Bei gegebenen Voraussetzungen ist ausschliesslich der Wohnsitzrichter örtlich zuständig.
    • Blosser Aufenthalt
      • Sind die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Wohnsitzgerichtsstand nicht gegeben,
        • ist die Gegenpartei an ihrem Aufenthaltsort zu beklagen.
  • Internationales Privatrecht (IPR)
    • Es sind anwendbar:
      • Allgemein international
        • die Art. 2, 20 Abs. 1 lit. a, Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 1 und 2 IPRG;
      • eurointernational
        • die Art. 2 Abs. 1 und Art. 52 f. LugÜ.
    • Vgl. ferner die einschlägige Lehre und Rechtsprechung.
Art. 10 ZPO   Wohnsitz und Sitz

1 Sieht dieses Gesetz nichts anderes vor, so ist zuständig:

  1. für Klagen gegen eine natürliche Person: das Gericht an deren Wohnsitz;
  2. für Klagen gegen eine juristische Person und gegen öffentlich-rechtliche Anstalten und Körperschaften sowie gegen Kollektiv- und Kommanditgesellschaften: das Gericht an deren Sitz;
  3. für Klagen gegen den Bund: das Obergericht des Kantons Bern oder das obere Gericht des Kantons, in dem die klagende Partei ihren Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat;
  4. für Klagen gegen einen Kanton: ein Gericht am Kantonshauptort.

2 Der Wohnsitz bestimmt sich nach dem Zivilgesetzbuch (ZGB). Artikel 24 ZGB ist nicht anwendbar.

Literatur

  • Riemer, Personenrecht, § 10 N 182
  • INFANGER DOMINIK, BSK ZPO, 2017, Art. 10 ZPO | Wohnsitz und Sitz, Basel 2017
  • HAAS ULRICH / SCHLUMPF MICHAEL, KUKO ZPO, 2021, Art. 10 ZPO | Wohnsitz und Sitz, Basel 2021
  • Levante, Wohnsitzund gewöhnlicher Aufenthalt im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht der Schweiz, Diss. St. Gallen 1998
  • Frank/Sträuli/Messmer, § 2 ZPO/ZH N 8

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