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Strafrecht / Verwaltungsrecht

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Verschärftes «Hooligan-Konkordat»

Datum:
25.03.2013
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Strafrecht, Verwaltungsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Im Kampf gegen Ausschreitungen und Gewalt rund um Fussball- und Eishockeyspiele wollen Bund und Kantone die bestehenden Massnahmen weiter verschärfen. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren KKJPD hat dazu eine Revision des kantonalen Hooligan-Konkordats («Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen») verabschiedet.

Das verschärfte Konkordat soll bis Mitte 2013 in allen Kantonen eingeführt werden. Die Kantonsparlamente beraten zurzeit über einen Beitritt zum revidierten Konkordat; St. Gallen, Appenzell-Innerrhoden, Uri, Zürich, Luzern und Bern haben bereits zugestimmt.

Fangruppierungen, Sportklubs und auch Politiker wehren sich gegen die geplanten Verschärfungen. Die Massnahmen seien unverhältnismässig und würden Grundrechte wie die Bewegungs- oder Versammlungsfreiheit einschränken. Gegen den Beitritt von Luzern wurde beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht. In Zürich wurde das Referendum ergriffen – dieses war jedoch chancenlos: Das Zürcher Stimmvolk nahm den Beitritt zum revidierten Konkordat mit 85,5% deutlich zu.

Kantonales Hooligan-Konkordat seit 2010

Das kantonale «Hooligan-Konkordat» war per 1. Januar 2010 in Kraft getreten, nachdem sich bis Ende 2009 24 Kantone dem Konkordat angeschlossen hatten. Seit September 2010 gehören alle Kantone dem Konkordat an. Das Konkordat ist ein Vertrag unter den Kantonen ohne Beitrittspflicht. Tritt ein Kanton dem Konkordat bei, steht das Konkordats-Recht über dem kantonalen Recht.

Im Zuge der Fussball-Europameisterschaft und der Eishockey-Weltmeisterschaft 2008 und 2009 in der Schweiz hatte das Parlament verschiedene Massnahmen gegen Hooliganismus eingeführt: Rayonverbote, Polizeigewahrsam, Meldeauflagen und Ausreisebeschränkungen für Gewalttäter sowie eine Hooligan-Datenbank. Die ersten drei der genannten Massnahmen waren wegen verfassungsmässiger Bedenken bis Ende 2009 befristet. Um die befristeten Massnahmen fortführen zu können, hatte die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) das Hooligan-Konkordat verabschiedet. Dabei wurde als zusätzlich Massnahme beschlossen, dass die Polizei Namen von gewalttätigen Matchbesuchern direkt an Sportklubs und Stadionbetreiber weiterleiten kann, damit diese auch dann Stadionverbote aussprechen können, wenn die Gewalttat ausserhalb des Stadions begangen wurde.

Revidiertes Hooligan-Konkordat: Verschärfte Massnahmen, strengere Auflagen

Im Februar 2012 verabschiedete die KKJPD eine Revision des bestehenden Konkordats, das neben der Erweiterung und Verschärfung bestehender Massnahmen auch strengere Auflagen für Risikospiele vorsieht. Ziel der KKJPD ist es, dass das verschärfte Konkordat vor Beginn der Fussballsaison 2013/2014 (d.h. bis Juni 2013) in möglichst allen Kantonen in Kraft ist. Dazu muss die Revision in den einzelnen Kantonen ratifiziert werden.

Die verschärften und erweiterten Auflagen sollen in erster Linie dazu dienen, Gewalt in und um die Stadien zu verhindert. Ausserdem sollen verfeindete Fangruppierungen mit möglichst geringem Polizeiaufwand auseinander gehalten werden können. Dazu sind im revidierten Konkordat von 2012 folgende Massnahmen vorgesehen:

1. Bestehende Massnahmen werden verschärft

  • Durchsuchungen / Leibesvisitationen:
    • Bei konkretem Verdacht kann die Polizei Leibesvisitaitonen unter den Kleider durchführen.
    • Private Sicherheitsfirmen, welche Zutrittskontrollen durchführen, können dazu ermächtigt werden, Matchbesucher auch ohne konkreten Verdacht über den Kleidern nach verbotenen Gegenständen abzutasten.
  • Gewalttätiges Verhalten:
    • Neu zählen auch Tätlichkeit und Hindernis einer Amtshandlung zum gewalttätigen Verhalten, das mit Rayonverboten und Eintragung in die HOOGAN-Datenbank geandet wird.
  • Rayonverbote:
    • Rayonverbote werden neu für die Dauer von mindestens 1 Jahr ausgesprochen, längstens für die Dauer von 3 Jahren.
    • Rayonverbote können für die gesamte Schweiz ausgesprochen werden.
  • Meldeauflagen:
    • Meldeauflagen können für eine Dauer von bis zu 3 Jahren verfügt werden.
    • Meldeauflagen können bereits nach einmaligen Vergehen (Tätlichkeiten gegen Personen, Sachbeschädigungen, der Verwendung von Waffen / Sprengstoff / Schiesspulver / pyrotechnischen Gegenständen oder dem erneuten Verstoss gegen die Vorschriften des Konkordats) und ohne verhergehende Verletzung eines Rayonverbotswie ausgesprochen werden.
    • Wird die Meldeauflage ohne entschuldbare Gründe verletzt wird die Dauer der Auflage verdoppelt.

2. Bewilligungspflicht für Spiele der obersten Liga

  • Das verschärfte Hooligan-Konkordat führt für alle Spiele, an denen Klubs der obersten Spielklassen der Männer beteiligt sind, eine Bewilligungspflicht ein.  Durch diese Bewilligungspflicht haben die Behörden die Möglichkeit, für so genannte Risikospiele Auflagen zu verfügen.
  • Die bewilligungspflichtigen Klubs müssen nach neuem Konkordats-Recht vor jeder Saison eine Bewilligung beantragen und dazu ein Sicherheitskonzept vorlegen. Bei erfüllten Voraussetzungen wird jeweils für eine Saison eine Rahmenbewilligung erteilt, die auch die Auflagen regelt. Die Auflagen sollen auf den Risikograd der einzelnen Spiele abgestimmt werden; dazu werden die bereits gebräuchlichen drei Stufen (grün / gelb / rot) verwendet. Sobald der Spielplan der Saison vorliegt, wird die Risikostufe der Spiele bestimmt und damit festgelegt, welche Auflagen für die jeweiligen Spiele gelten.

3. Auflagen (für Risiko- und Hochrisikospiele)

  • Alkoholeinschränkungen:
    • Bei Hochrisikospielen gilt ein Alkoholverbot sowohl im als auch um das Stadion (Ausnahme: VIP-Sektor).
  • Kontrollierte Anreise des Gästesektors:
    • Bei Hochrisikospielen ist der Gastklub verpflichtet, für die Anreise des Gästesektors Charterzüge oder -busse zu organisieren. Die Behörden bestimmen Ort und Zeit der Abfahrt und Ankuft sowie die Anmarschwege der Gästefans zum Stadion. Bei Spielen der Risikostufe gelb können diese Massnahmen verfügt werden, müssen aber nicht.
    • Kombiticket für den Gästesektor bei Hochrisikospielen: Gästefans dürfen nur dann in den Gästesektor, wenn sie mit offiziellen, vom Gästeklub gecharterten Transportmitteln anreisen. Der Gastklub hat zu kontrollieren, dass nur Personen mit Kombi-Ticket in das Transportmittel gelangen. Die Fans müssen möglichst direkt vor den Gästesektor transportiert werden.
  • Elektronische Zutrittskontrollen / HOOGAN-Datenbank:
    • Bei allen bewilligungspflichten Spielen wird beim Zutritt zu Heim- und Gästesektor zwingend ein lückenloser Abgleich der Identitätskarten mit der Hooligan-Datenbank HOOGAN vorgenommen.
    • Bei Spielen der Risiko-Stufen gelb und rot sind zusätzlich zur lückenlosen Kontrolle bei Heim- und Gästesektor für andere Stadionsektoren ebenfalls lückenlose oder stichprobenartige Kontrollen vorgesehen.
  • Beschränkung der Stehplätze:
    • Bei Risiko- und Hochrisikospielen ist es möglich, Beschränkungen der Zuschauerzahl in den Stehplatzsektoren zu verfügen.

Widerstand gegen das verschärfte Hooligan-Konkordat

In den einzelnen Kantonen läuft zurzeit die Ratifizierung des verschärften Konkordats. Als erste Kantone sind St.Gallen und Appenzell-Innerrhoden beigetreten. Auch in Zürich, Luzern, Uri und Bern haben die Kantonsparlamente dem verschärften Hooligan-Konkordat zugestimmt.

Fangruppierungen, Sportklubs und Politiker aus der ganzen Schweiz wehren sich gegen die geplanten Verschärfungen:

  • In Zürich wurde gegen den Entscheid des Kantonsparlaments das Referendum ergriffen. An der Urne waren die Gegner des revidierten Konkordats jedoch chancenlos – am 09. Juni 2013 wurde der Beitritt mit 85,5% vom Stimmvolk klar angenommen.
  • Gegen den Beitritt des Kantons Luzern wurde beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht. Der Kanton hat darauf angekündigt, auf die Anwendung der Massnahmen zu verzichten, bis der Entscheid des Bundesgerichts vorliege und die Verfassungsmässigkeit geklärt sei.
  • In Bern haben sich die grossen Sportklubs zusammmen gegen den Entscheid des Kantonsparlaments ausgesprochen; Fangruppierungen kündigten ein Referendum an.
  • In Basel und Zug wird das revidierte Konkordat voraussichtlich scheitern; die Mehrheit der grossen Parteien lehnt den Beitritt ab.

Verfassungsmässigkeit des Konkordats in Frage gestellt

Kritisiert wird das verschärfte Konkordat in erster Linie aufgrund der Einschränkung der Grundrechte der Fans (wie Bewegungsfreiheit, körperliche und geistige Unversehrtheit, Schutz der Privatsphäre oder Versammlungsfreiheit). Es sei unverhältnismässig und stelle die Sportfans unter Generalverdacht.

Ausserdem wird bemängelt, dass es sich um eine verwaltungsrechtliche Massnahme handle, was die strafrechtliche Unschuldsvermutung und die Beweispflicht aushebeln würde. Es fehle der strafprozessuale Schutz; eine Aussage reicht für das Verhängen von Massnahmen aus. So kritisiert Thomas Gander, Geschäftsführer von Fanarbeit Schweiz: «Der Fussballfan wird heute mit einem Gesetz konfrontiert, das mit einer sehr weit gefassten Gewaltdefinition seine Bewegungsfreiheit für einige Jahre massiv einschränken kann, ohne dass er auf die üblichen rechtsstaatlichen Prinzipien analog einer Strafverfolgung bestehen kann.» Der vorliegende Gesetzesentwurf sei damit quasi ein parallel zum Strafrecht geführtes Sonderstrafrecht und stelle die Grundsätze des Rechtsstaates in Frage.

Auch der Basler Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Markus Schefer beurteilte einzelne Massnahmen im revidierten Konkordat als unverhältnismässig. Nach der Verabschiedung durch die KKPJD sagte er in der TagesWoche: «Es gibt immer diese Wellen, bei denen jedes Mittel recht scheint, um gegen eine bestimmte Personengruppe vorzugehen. Diesmal trifft es die Fussballfans. Dabei gehen die Verhältnisse verloren.» Einzelne Bestimmungen wie diejenigen über die Meldeauflagen seien viel zu vage formuliert, andere schlicht übertrieben: «Bis zu drei Jahre Rayonverbot – das ist massiv übertrieben. Und die Androhung, die Meldepflicht im Falle eines einzigen Versäumnisses zu verdoppeln, ist sogar krass unverhältnismässig.»

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