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Verkehrsrecht

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Führerausweis: Sicherungsentzug und Wiedererteilung unter Alkoholabstinenzauflage

Datum:
20.09.2017
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Verkehrsrecht
Stichworte:
Führerausweisentzug, Sicherungsentzug
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 16d Abs. 1 + SVG 17 Abs. 5 / Rechtsprechungsklarstellung bei der Haaranalyse

Sachverhalt

Der Lenker A. fuhr am 10.11.2007 mit seinem Fahrzeug unter stark alkoholisiertem Zustand (Blutalkoholkonzentration zwischen 2,26 und 2,79 Gewichtspromillen).

Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Glarus entzog A am 09.05.2008 den Führerausweis auf unbestimmte Zeit und machte die Wiedererteilung von einer einjährigen kontrollierten Alkoholtotalabstinenz abhängig.

Das weitere Verhalten von A. und die Massnahmen der für die Erteilung bzw. Entzug des Führerausweises zuständigen Administrativbehörden entwickelten sich danach wie folgt:

  • 11.2011
    • Abweisung des Gesuches um Wiedererteilung des Führerausweises durch die Abteilung Administrativmassnahmen der Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus
      • Begründung: Nicht gegebene Fahreignung angesichts einer nicht konsequente Einhaltung der Alkoholabstinenz und sechs Verurteilungen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand
  • 07.2012
    • Erteilung des Führerausweises unter der Auflage ärztlich kontrollierter Alkoholabstinenz, deren Einhaltung alle drei Monate durch bestimmte Laborwerte des Bluts und alle sechs Monate durch Haaranalysen auf Ethylglucuronid (EtG) nachzuweisen
  • 05.2013
    • Haaranalyse des Instituts für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ)
      • Kontrollergebnis: EtG-Wert von 8 pg/mg
      • Gutachten des IRMZ: Befund lässt keine Fahreignung von A. mehr zu
  • 06.2013
    • Erneute Verfügung des Sicherungsentzugs des Führerausweises auf unbestimmte Zeit
      • Begründung: IRMZ-Befund resp. fehlende Fahreignung von A.
  • 09.2013
    • Gutheissung der Beschwerde von A. durch das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und Einladung der Abteilung für Administrativmassnahmen, A. den Führerausweis unverzüglich wieder zu erteilen

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Abteilung für Administrativmassnahmen gut, hob den angefochtenen Entscheid auf und bestätigte den Sicherheitsentzug.

Erwägungen

Gegenstand des angefochtenen Entscheids bildete der Sicherungsentzug vom 10.06.2013.

Es soll nachfolgend kurz auf die Erwägungen des Bundesgerichts eingegangen werden:

  • Sicherungsentzug nach Missachtung einer Abstinenzauflage (E. 2)
    • Grundlagen
      • SVG 17 Abs. 5 (Sicherungsentzug)
      • SVG 17 Abs. 3 (Ausweisentzug, wenn der Inhaber Auflagen missachtet, die bei der Wiedererteilung eines früher entzogenen Führerausweises verfügt worden waren)
    • Zweck der Auflage
      • Ausräumung gewisser Bedenken an der Fahreignung (SVG 16d Abs. 1)
      • Nichteinhaltung der Auflage lässt darauf schliessen, dass A. die früher festgestellte Suchtkrankheit nicht erfolgreich überwunden hat und ihm die Fahreignung weiterhin fehlt
    • Ziel des Sicherheitsentzugs
      • Sicherungsentzüge dienen der Gewährleistung der Verkehrssicherheit
  • Nachweis der Einhaltung der Abstinenzauflage mittels Haaranalyse (E. 3-5)
    • Verfahren der Haaranalyse
      • In den sie betreffenden Verfahren gilt die Unschuldsvermutung nicht
    • Messgenauigkeit
      • Bei der Haaranalyse zum Nachweis der Abstinenz ist auf den gemessenen Mittelwert, ohne Berücksichtigung der Messungenauigkeit von +/- 25 %, abzustellen (E. 6) = Praxisänderung
    • Interpretation der Messwerte
      • Bei EtG-Werten unter der Nachweisgrenze von 2 pg/mg gilt die Abstinenz als eingehalten, bei Werten von über 7 pg/mg als missachtet.
      • Werte dazwischen sind für sich allein nicht schlüssig
  • Anwendung in concreto (E. 7)
    • Richtiger Entscheid der Administrativbehörden
      • Im Lichte der Erwägungen stand bereits aufgrund der festgestellten EtG-Werte von 8 pg/mg fest, dass A. die Verpflichtung zur Alkoholabstinenz im betreffenden Zeitraum nicht eingehalten hat
    • Offensichtlich unzutreffende Feststellungen der Vorinstanz
      • Die gegenteilige Feststellung im angefochtenen Entscheid wurde vom Bundesgericht als offensichtlich unzutreffend beurteilt, weshalb dem Beschwerdeführer A. der Führerausweis zu Recht erneut entzogen worden war
  • Vertrauensschutz bei Klarstellung der Rechtsprechung (E. 8)
    • Geltendmachung der Verletzung von Treu und Glauben durch A.
      • Vorwurf des Beschwerdeführers, es sei die ihm gegenüber angewandte strengere Praxis als im zitierten letzten Bundesgerichtsentscheid (BGE 1C_20/2012 vom 18.04.2012, Erw. 2.3)
    • Änderung einer bestehenden Praxis
      • Im Interesse der Rechtssicherheit müsse sich die Änderung einer Praxis auf ernsthafte sachliche Gründe stützen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden sei
        • Eine so angewandte Praxisänderung verstosse nicht gegen Treu und Glauben
        • Bei einer Änderung oder Klarstellung der Rechtsprechung zur Auslegung verfahrensrechtlicher Bestimmungen verlange der Grundsatz des Vertrauensschutzes allerdings, dass sich der Rechtssuchende darauf einstellen könne; solche Änderungen müssten daher vorgängig angekündigt werden (vgl. BGE 135 II 85, Erw. 3.2)
      • Ausführungen zur Beurteilung der Vorinstanz, zur bisher für das Bundesgericht fehlenden Gelegenheit, sich mit den hier aufgeworfenen Fragen näher zu befassen und daher Fehlens einer Praxis
      • Erwägungen des Bundesgerichts in dieser Sache führten zu einer Klarstellung der Rechtsprechung, die des Vertrauensschutzes wegen unter Umständen einer Vorankündigung bedürften
    • Keine Vorankündigung einer Praxisänderung bei Sachverhaltsfeststellung
      • Durch eine neue Interpretation der gefundenen EtG-Werte im Haar und damit eine strengere Beurteilung wurde A. nicht in seinem Vertrauen getäuscht, durfte er doch überhaupt kein Alkohol konsumieren, und zwar unabhängig davon wie die Nachweisgrenze festgesetzt sei
    • Berücksichtigung bei den Kosten- und Entschädigungsfolgen
      • konnte bei seiner Prozessführung berechtigterweise auf das bundesgerichtliche Urteil vom 18.04.2012 abstellen, weshalb dieser Umstand bei der Festsetzung der Gerichtskosten und Parteientschädigung Rechnung zu tragen sei (vgl. BGE 140 IV 81, Erw. 4.2)

Quelle

BGE 1C_809/2013 vom 13.06.2014 = BGE 140 II 334 ff.

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