Einleitung – Opferauswahl und Opferprofil etc.
Der sog. „Vorschussbetrug“ (auch „Vorschussscam“ / aus dem Englischen „scam“ = Beschiss, Masche etc.) ist seit den 1980er-Jahren bekannt. Mittels FAX, e-mails und persönlichen Briefen werden den Zielpersonen ausserordentliche Profite in Aussicht gestellt.
Bei der sog. „falschen Lotterie„ erhalten die Opfer in einer E-Mail, einem Brief oder per Telefon mitgeteilt, sie hätten bei einer Lottoziehung oder bei einem Gewinnspiel gewonnen. Für die Gewinnauszahlung sei ein Gebührenvorschuss erforderlich. Ist der Vorschuss einmal überwiesen, hört das Opfer vom Lotteriebetreiber nichts mehr und das überwiesene Geld ist verloren.
Die Betrüger entwickeln die von ihnen verwendeten Tricks fortlaufend weiter. Die „falschen Lotterien“ gehören auch in die Kategorie des „Vorschussbetrugs“.
Nachfolgend sollend die Arten des Vorschussbetruges, die Auswahl der Opfer, die Kommunikationsmethoden der Täter, ihr typisches Vorgehen und die strafrechtliche Einordnung erläutert werden.
Bei strafrechtlichen Beurteilung wird hervorzuheben sein, dass nicht jede arglistige Täuschung strafbar ist. Da wo der Betroffene die konkreten Umstände und die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet, um die Täuschung zu durchschauen und den Irrtum zu vermeiden, schafft er eine sog. Opfermitverantwortung, die den Betrug ausschliesst.
Im Rahmen einer vierteiligen Serie soll unseren Lesern das Thema Vorschussbetrug und falsche Lotterien näher gebracht werden:
Vorschussbetrug – Artikelfolge
Teil 1 – Formen des Vorschussbetrugs bzw. der falschen Lotterie
Teil 2 – Ablaufgrundlagen
Teil 3 – Rechtsgrundlagen
Teil 4 – Prävention
Teil 1 – Formen des Vorschussbetrugs bzw. der falschen Lotterie
Vorschussbetrug und Formen
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Vorschussbetrugs-Formen bekannt:
vorgetäuschte Erbschaft
- Potenzielle Opfer werden mehrheitlich per E-Mail kontaktiert
- Die Betrüger schützen vor, eine Erbschaft gemacht zu haben
- Sie befänden sich aber zur Zeit in einem finanziellen Engpass
- Um die Erbschaft antreten zu können, müssten sie vorab Erbschaftskosten begleichen
- Die Betrüger stellen den mail- oder Briefempfängern eine Provision von bis zu 30 % der Erbschaft in Aussicht, wenn sie das Geld für die Kosten vorstrecken würden
- Wer sich in der Hoffnung auf eine erkleckliche Provision auf diesen Handel einlässt, sieht sein Geld nie wieder und erhält schon gar keine Provision.
angebliche Überweisung
- Aus einer E-Mail erfährt das potenzielle Opfer von Geldern (zB aus einem erbenlosen Nachlass in Afrika oder einem Flugunfallopfer), die aber – aus verschiedensten Gründen – blockiert seien
- Die Geldfreigabe erfordere ein Bankkonto
- Für die Zurverfügungstellung des Bankkontos werden dem Adressaten oft bis zu 30 % des zur Ausbezahlung erwarteten Betrages versprochen
- Zusätzlich werden die Opfer gebeten, die Bearbeitungsgebühren vorzustrecken
- Sind die angeblichen Gebühren „bevorschusst“, hört das Opfer nichts mehr von den Betrügern; Der Bevorschussungsbetrag ist verloren
- Weiter ist denkbar, dass versucht wird, Bezüge ab dem „Abgangs-Bankkonto“ auszulösen
Anruf eines angeblichen Vertreters der Muttergesellschaft mit Sitz im Ausland
- Angebliche Vertreter von Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen mit Hauptsitz in Frankreich rufen ihre Auslandfilialen an und beantragen unter verschiedenen Vorwänden diskrete finanzielle Unterstützung
Nigeria-Scam
- Bei der Nigeria-Scam behaupten die Absender, Kenntnisse von Konten ehemaliger Machthaber oder Großkonzerne zu besitzen und nun die Hilfe des Mailempfängers zu benötigen, um die Millionensummen ins Ausland zu transferieren
- Die von den Absendern in Aussicht gestellten Provisionen im zweistelligen Prozentbereich sollen die Opfer locken, im Vorfeld Zahlungen zu leisten, um angebliche Gebühren, Bestechungsgelder usw. leisten zu können
Internet Love-Scam
- Diese Art von Vorschussbetrug erfolgt durch Vorspiegelung einer fiktiven Liebesgeschichte mittels E-Mails und Chatsystem für Verlobungen, die aus Sicht einer Beteiligten von Anfang an nicht stattfinden sollen
- Betrüger nehmen in einer Single-Börse Kontakt auf und suggerieren ihren Opfern, sie hätten sich verliebt
Scam beim Occasionsautoverkauf
- Opfer sind hier Verkäufer von Personenwagen über Internetbörsen
- Der Kaufinteressent teilt mit, den gewünschten Kaufpreis zu bezahlen, aber nur mittels Check
- Dieser Check wird dann auf eine höhere Summe als der Kaufpreis ausgestellt
- Der Verkäufer wird angehalten, den Check einzulösen und den Differenzbetrag dem Fahrzeugabholenden mitzugeben, um auf diese Weise die Fahrzeugüberführung zu bezahlen
- Bei der Checkeinlösung wird dem Verkäufer zwar zunächst der Gegenwert gutgeschrieben, aber bei der nachträglich festgestellten fehlenden Checkdeckung wieder belastet
- Zwischenzeitlich wurde das abgeholte Auto ins Ausland verbracht und eine Rückabwicklung des Autokaufs ist daher nicht mehr möglich
- Der Autoverkäufer hat den Wert seines Autos und den Differenzbetrag zum Autokaufpreis in der Regel definitiv verloren
Scam beim Occasionsautokauf
- Auch der Autokauf bietet „Vorschussbetrugs“-Risiken, v.a. wenn das Fahrzeug erheblich unter Marktwert verkauft werden soll
- Vorgeschützte Gründe
- Umzug ins Ausland, wo Linkslenkung nicht gebraucht werden könne
- Abwicklungsvorschlag des Autoverkäufers
- Treff auf halber Fahrstrecke
- Vorgängiger Leistungsaustausch als Ernsthaftigkeitsnachweis
- Bargeld per Transfer „an sich selbst“, tatsächlich an die mitreisende Ehefrau oder einen Bekannten
- Austausch der Transferbelege per e-mail-Attachments
- Täter benötigt von den Kopien nur Transfernummer des Opfers und die Personalien des Mitreisenden
- Mittels eines gefälschten Identitätsdokuments und mit der bekannten Transfernummer kann der Täter das Geld abholen, während das ahnungslose Opfer noch auf der Fahrt zum Treffpunkt ist
- Wie alles andere ist auch der Transferbeleg des Täters gefälscht
- Vorgeschützte Gründe
- Täter horten elektronische Ausweiskopien und Annoncen, um diese mit abgeändertem Inhalt wieder verwenden zu können
Scam beim Forderungsinkasso von Unterhaltsbeiträgen
- Diese Art des Vorschussbetrugs richtet sich vor allem an Rechtsanwälte
- Es meldet sich die angeblich geschiedene Frau mit der Bitte, die im Scheidungsurteil festgesetzte oder in einer Scheidungskonvention vereinbarte Summe, meist im sechsstelligen Bereich, einzutreiben, deren Zahlung sich der Ex-Mann weigert
- Wenig später meldet sich der Ex-Mann entschuldigend selbst aus dem Ausland und bietet einen Auslandcheck an, den der Anwaltsempfänger einlösen und das Geld dann an die angebliche Ex-Frau weiterleiten möge
- Der Check, eine gute Totalfälschung, wird zunächst bedient und die Überweisung ausgeführt, nach Entdeckung der Fälschung aber rückbelastet
- Der getäuschte Anwalt kommt im Umfange des weitergeleiteten Betrages zu Schaden
Scam bei Mietwohnungen und Appartements
- Opfer sind Wohnungssuchende
- Bei dieser Art des Scam wird ein Appartement zur Vermietung angeboten
- Gute, gehobene Wohnlage
- Gute Ausstattung
- vergleichsweise günstiger Mietzins
- Als Vermieter wird eine Person bezeichnet, die aufgrund ihrer beruflichen Umstände für mehrere Jahre im Ausland lebt und sich entschieden hat, das Appartement während dieser Zeit zu vermieten
- Hindernisse für eine Wohnungsbesichtigung oder –übergabe vor Ort
- Keine persönliche Wohnungsbesichtigung wegen Auslandaufenthalts
- Keine persönliche Wohnungsübergabe aus welchen Gründen auch immer
- Lösungsvorschlag des Täters
- Zahlung der ersten Miete und der Mietkaution auf ein Treuhandkonto
- im Gegenzug soll der künftige Mieter den Wohnungsschlüssel per Post zugestellt erhalten (zB per „TNT buyer protection“)
- Bei Nichtgefallen könne man den Schlüssel zurücksenden
- Das als Treuhandkonto bezeichnete Konto ist ein normales Kontokorrentkonto, weshalb der Betrüger den unmittelbaren Zugriff hat und den bezahlten Geldbetrag „abzügeln“ kann
Anzahlungen an Individualferien
- Die Betrüger bieten als Hotelunternehmer eines privat geführten Hotels oder als Vermieter von Ferienappartements in einer ausländischen Urlaubsregion Aufenthalte zu (sehr) günstigen Preisen an, oft verbunden mit dem Hinweis, der Kunde spare so die Kosten des Reisebüros und / oder des Pauschalreiseveranstalters
- Auf einer täuschend echten Hotel-Website können Zimmer des fiktiven Hotels angesehen und gebucht werden
- Für eine feste Buchung wird die Anzahlung eines erheblichen Teils des Gesamtbuchungspreises auf das „Bankkonto des Hotels“ im Zielland verlangt
- Der Getäuschte wird weder im vermeintlichen Hotel seine Ferien verbringen, noch seine Anzahlung zurückerhalten; ein vorferialer Frust für das Opfer.
Falsche Lotterie und Ablauf-Meccano
Die Masche der „falschen Lotterie“ ist eine Untervariante des „Vorschussbetrugs“ und spielt sich mehr oder minder immer gleich ab:
- Per Email oder Brief erhalten die Adressaten eine Nachricht, in denen ihnen Gewinne oftmals in einer Höhe von über EUR 1 Mio. versprochen werden
- Die mail- oder Brief-Empfänger haben selbst nie an dieser Lotterie teilgenommen oder ein Los gekauft
- Für eine Gewinnauszahlung sollen die Adressaten umgehend Gebühren bzw. Steuern bezahlen oder sogar Zertifikate erwerben
Je bereitwilliger gezahlt wird, desto mehr Zahlungsaufforderungen lassen die Täter folgen. So kann dies unendlich weitergehen, doch von seinem angeblichen Gewinn sieht das Lotterie-Opfer niemals auch nur einen Rappen
In Folge 2 erörtern wir die Abläufe, mit denen die Vorschussbetrüger ihre Opfer zu Zahlungen verleiten.
Quelle
LawMedia-Redaktionsteam