Starke Ablenkung kann Leben gefährden
Einleitung
Am 07.03.2018 hat der Mediendienst des Bundesamtes für Strassen ASTRA die Führerausweisstatistik 2018 und die Statistik der Administrativmassnahmen vorgestellt.
Wir informierten:
Agenda
- Verkehrsrecht – Führerausweis: Anzahl Ausweisentzüge 2018 rückläufig | law-news.ch
- Verkehrsrecht – Führerausweisentzug: Lösen Drogen den Alkohol als Problem ab? | law-news.ch
- Verkehrsrecht – Führerausweisentzug: Ablenkung am Steuer ist ein Entzugsgrund | law-news.ch
- Verkehrsrecht – Telefonieren und SMS-Schreiben am Steuer | law-news.ch
- Verkehrsrecht – Aberkennung ausländischer Führerausweise | law-news.ch
Führerausweisentzugs-Statistik 2018
Wenn auch die Zahl der Ausweisentzüge 2018 rückläufig war, fallen in der Statistik 2018 die hohen Ausweisentzugszahlen bei Unaufmerksamkeit bzw. Ablenkung auf.
Der Rückgang darf nicht über die hohen Zahlen hinwegtäuschen:
- Ausweisentzug aufgrund der Gefährdung Dritter durch Unaufmerksamkeit
- in 7760 Fällen
- Ausweisentzug aufgrund von Ablenkung wie beispielsweise durch Telefonieren, Surfen am Smartphone oder Essen am Lenkrad
- in 1544 Fällen.
Ablenkung darf nicht sein
Aus Gründen der Unfallprävention darf Ablenkung nicht sein.
Wer Auto fährt, hat
- auf die Strasse zu schauen und hat
- die Hände am Steuer.
Ablenkung steigert das Unfallrisiko.
Ablenkung als wichtiger Entzugsgrund
Der abgelenkte Fahrer gewärtigt je nach Situation
- eine hohe Busse oder gar Freiheitsstrafe
- den Entzug des Führerausweises
Gesetzliche Grundlage
Nach Art. 31 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetztes (SVG) muss der Lenker sein Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.
Der Fahrer muss gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung (VRV) seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden.
Mass der Aufmerksamkeit
Das Mass der Aufmerksamkeit des Lenkers richtet sich nach den gesamten konkreten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (vgl. BGE 137 IV 290 ff., Erw. 3.6, S. 295 mit Hinweis).
Der Fahrer darf, wenn es die Verkehrssituation erlaubt, zum Ablesen der Geschwindigkeit oder der Treibstoffreserve kurz auf das Armaturenbrett schauen, ohne dass ihm eine ungenügende Aufmerksamkeit zur Last gelegt werden kann (vgl. Urteil 1C_183/2016 vom 22.09.2016 E. 2.1).
Gleiches gilt für den Fahrzeuglenker, der in Phasen des Stillstands seines Fahrzeugs im Stau eine Zeitung liest und diese in den Phasen des Aufrückens um einige Meter im Schritttempo teils auf seinen Oberschenkeln, teils am Lenkrad aufgestützt lässt (Urteil 6P.68/2066 vom 06.09.2006, Erw. 3.3).
Dagegen widmet ein Fahrer dem Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, wenn er während der Fahrt seinen Blick zum Schreiben einer Nachricht (SMS) länger auf sein Mobiltelefon richtet (vgl. Urteil 6B_666/2009 vom 24.09.2009, Erw. 1.3 f.).
Der Fahrzeugführer darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er muss das Lenkrad mindestens mit einer Hand halten (vgl. Art. 3 Abs. 3 VRV) und hat die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob eine Verrichtung das Lenken oder einen dieser Handgriffe erschwert bzw. verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, vom Fahrzeug und von der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewendet noch die Körperhaltung geändert werden, kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden.
Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer oder erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert (vgl. BGE 120 IV 63 ff., Erw. 2d, S. 66; Urteil 1C_183/2016 vom 22.09.2016, Erw. 2.1.1; Urteil 6B_1183/2014 vom 27.10.2015, Erw. 1.3).
Insbesondere darf die Aufmerksamkeit nicht durch die Bedienung von Tonwiedergabegeräten, Kommunikations- und Informationssysteme beeinträchtigt werden.
Weiterführende Informationen
Leistungskürzung durch Versicherer
Führt die Ablenkung zu einem Unfall, kann der Unfallversicherer wegen Grobfahrlässigkeit seine Leistungen kürzen (Art. 37 Abs. 2 UVG).
Kasuistik von Bundesgerichtsurteilen
Zur Ablenkung am Steuer gibt es Bundesgerichtsentscheide, die Handlungen qualifizieren und zulässige Ablenkungsdauern quantifizieren.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird nachfolgend die Kasuistik neuerer Urteile wiedergegeben:
- Verbotene Ablenkungen
- Zulässige Verrichtungen
Verbotene Ablenkungen
Verbotene Handlungen | Bundesgerichtsurteil |
Länger als einen kurzen Moment dauernde Handlungen
Handlungen, die länger als einen kurzen Moment ablenken oder die auf andere Weise erschweren, dass beide Hände sofort am Lenkrad verfügbar sind |
BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017 |
Telefonieren während der Autofahrt
Der Fahrzeugführer, der während der Fahrt telefoniert und dazu länger als einen kurzen Augenblick das Telefongerät mit der einen Hand hält oder es zwischen Kopf und Schulter einklemmt, nimmt eine Verrichtung vor, welche die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise erschwert |
BGE 120 IV 63 ff. |
SMS-Schreiben
Das Schreiben einer SMS |
BGer 6B_666/2009 vom 24.09.2009 |
Nebenfahrbahn-Schauen
Während längerer Zeit auf die Nebenfahrbahn zu schauen |
BGer 6B_1157/2016 vom 28.03.2017 |
A4-Blatt lesen
Den Blick während rund sieben Sekunden auf ein A4-Blatt zu richten |
BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017 |
Zulässige Verrichtungen
Zulässige Handlungen | Bundesgerichtsurteil |
Kurze Verrichtungen ohne Blickabwendung oder Körperhaltungsänderung
Verrichtungen von nur kurzer Dauer, bei welchen weder der Blick vom Verkehr abgewendet, noch die Körperhaltung verändert werden muss |
BGer 1C_422/2016 vom 09.01.2017, Erw. 3.2 |
Kurzer Armaturenbrett-Blick
kurzer Blick auf das Armaturenbrett, wenn es die Verkehrssituation erlaubt |
BGer 1C_183/2016 vom 22.09.2016 |
Tipps für weniger Ablenkung im Straßenverkehr
Viele Ablenkungen lassen sich durch gezieltes und geplantes Vorgehen vermeiden. Überlegen Sie vor der Wegfahrt, was sie noch im „ruhenden Verkehr“ erledigen können. Besinnen Sie sich auf die Zeit zurück, als es noch keine Smartphones gab – Da mussten die Telefonate auch vorher erledigt werden.
Achten Sie bei Ihrer nächsten Fahrt darauf, dass Sie ohne störende und ablenkende Einflüsse unterwegs sind. Sie werden sicher feststellen, dass die Fahrt viel relaxter bzw. stressfreier sein wird.
Ablenkung vermeiden durch geplantes Vorgehen
- Erledigen Sie alle fahrfremden Angelegenheiten vor der Wegfahrt
- Dazu zählen
- Essen
- Trinken
- Rauchen
- Telefonieren
- E-mails, SMS oder Whatsapp‘s beantworten
- Zieldestinationen-Navigieren
- Dazu zählen
- Elektronische Geräte nicht während der Fahrt nutzen
- Dies gilt für
- Mobiltelefone
- CD-Wechsler
- Radio
- etc.
- Dies gilt für
- Gegenstände griffbereit ablegen
- Bereitlegen von Hilfsmitteln wie
- Sonnenbrillen
- Schnupftücher
- Maut-Münzen
- usw.
- Bereitlegen von Hilfsmitteln wie
Zukunft
Die Smartphone-Sucht vieler Autofahrerinnen und Autofahrer wird zu einer weiteren Zunahme von Unachtsamkeit und Ablenkung führen.
Die Polizeiorgane können das Manipulieren an Devices heute schon relativ gut nachweisen. Eine Optimierung der Strafprozessordnung (StPO) dürfte dazu führen, dass sich die Dunkelziffer derjenigen, die mit Ersatz-Unfallgründen (wie ein Tier querte die Strasse, Abdrängen durch einen anderen Autofahrer usw.) falsche Angaben machen, noch weiter reduziert.
Quelle
LawMedia-Redaktionsteam