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Strafrecht

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Häusliche Gewalt

Datum:
01.04.2019
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Strafrecht
Stichworte:
Häusliche Gewalt, Opfer, Täter
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ein oft tabuisiertes Thema

Einleitung

Vielleicht wissen Sie es nicht sicher, aber Sie ahnen es. Bei Ihren Nachbarn oder in Ihrem Bekanntenkreis geschieht Gewalt. Es gibt Hilfeschreie oder andere Hinweise auf Misshandlungen.

Greifen Sie nicht ein. Spielen Sie nicht den Helden, den Schlichter oder gar Polizisten. Weghören ist auch falsch. Zivilcourage der besonderen Art ist gefragt: Erkundigen Sie sich ggf. bei Nachbarn oder bei Familienangehörigen, ob diese auch ähnliche Beobachtungen gemacht haben oder gar aktiv geworden sind.

Die negativen Folgen von häuslicher Gewalt zeigen sich in verschiedener Hinsicht:

  • Im Allgemeinen
    • Die häusliche Gewalt beschlägt verschiedene Ebenen der Allgemeinheit:
      • Gesundheitliche Ebene
      • Soziale Ebene
      • Finanzielle Ebene
      • Aufenthaltsrechtliche Ebene
      • Volkswirtschaftliche Ebene
    • Kostentragung der Folgen häuslicher Gewalt durch die Gesellschaft
  • Bei Opfern systematischer und fortgesetzter Gewalt
    • Physische Beeinträchtigung
    • Psychische Beeinträchtigung
    • selbstschädigendes Verhalten des Opfers
      • Sozialer Rückzug bis zur Isolation
        • durch Scham
        • durch erzwungene finanzielle Abhängigkeiten
        • Trennungsunmöglichkeit aus finanziellen Gründen
      • Suchtmittelmissbrauch
      • Suizidgefahr
  • Bei Opfern mit Migrationshintergrund
    • Abhängigkeit des aufenthaltsrechtlichen Status vom Partner, von dem die häusliche Gewalt ausgeht.

Ziel des Beitrages

Dieser Beitrag dient der kurzen Information und der Prävention.

Definition

Häusliche Gewalt   =   Personen üben innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt aus oder drohen eine solche an

Gesetzliche Grundlage

  • StGB 123 Ziff. 2 Abs. 3 – 5 (einfache Körperverletzung)
  • StGB 126 Abs. 2 lit. b, bbis und c (wiederholte Tätlichkeiten)
  • StGB 180 Abs. 2 (Drohung)
  • StGB 189 (sexuelle Nötigung)
  • StGB 190 (Vergewaltigung)

Situation

  • Fehlen einer akuten Gewaltsituation
    • Zwar Fehlen einer akuten Gewaltsituation, aber Gefühl, in der Beziehung in den Freiheiten eingeschränkt bzw. dem Partner nicht gewachsen zu sein oder immerwährende Konflikte
      • Gespräch zum Thema einer schlecht funktionierden Beziehung zu suchen, bei Freunden oder ggf. bei einer Beratungsstelle
  • Bedrohungsgefühl / Gefährdung / effektive Gewaltsituation
    • Vorhandene Bedrohung bzw. akute Gewaltsituation
      • Nutzung Notruf: 117
      • Einschreitens-Möglichkeit der Polizei / Schutzmassnahmen wie
        • Verweisung des Täters aus der Wohnung und/oder
        • Betretungsverbot für gewisse Bereiche
        • Kontaktverbot, zB mit den Kindern

Weitere Varianten häuslicher Gewalt

  • «Elternteil gegen Kind(er)»
  • «Kinder untereinander»

Rechtsfolge 

Seit 01.04.2004 gelten die Straftatbestände zur häuslichen Gewalt in Ehe und Partnerschaft als sog. Offizialdelikte. Offizialdelikte sind, sobald sie der Polizei oder den Strafuntersuchungsbehörden bekanntwerden, von Amtes wegen zu verfolgen.

Voraussetzungen einer häuslichen Gewalt:

  • Gewalthandlungen zwischen Ehepartnern als auch zwischen heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern
  • gemeinsamer Haushalt, angelegt auf unbestimmte Zeit oder bis zu einem Jahr nach deren Trennung
  • auch bei separatem Wohnsitz oder bei Getrenntleben, bis zu einem Jahr nach der Scheidung resp. Trennung

ZGB

Verpflichtung der Kantone, den Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen Schutzmassnahmen zu gewähren, wie

  • Wegweisung der gewaltausübenden Person
  • Annäherungsverbote
  • Kontaktverbote
  • Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten

Kantonale Polizeiordnungen oder Gewaltschutzgesetze

Regelungen zur Aussprechung

  • einer Wegweisung vom Wohnort
  • von Rückkehr- und Annäherungsverboten

Besonderheiten zum Thema der häuslichen Gewalt

  • bestimmte Möglichkeiten, das Verfahren auf Antrag des Opfers einzustellen
  • besondere Schutzrechte für Opfer im Strafverfahren.

Strafverfolgung 

Polizeiarbeit

  • primär: Opferschutz
  • sekundär: Täterschaft zur Verantwortung ziehen

Verlauf einer polizeilichen Intervention

  • Vorort-Abklärung durch die Polizei
  • Befragung des Opfers getrennt von der gewaltverdächtigten Person
  • Sachverhalts-Abklärung und Beurteilung, ob ein Straftatbestand gesetzt wurde
  • Im Falle von Körperverletzungen folgt die Begleitung des Opfers zur medizinischen Behandlung
  • Information der Betroffenen über die möglichen rechtlichen Schritte

Weibliche Opfer

  • Frauen werden i.d.R. von einer Polizistin befragt

Involvierung von Kindern und Jugendlichen

  • Polizei informiert die zuständige Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)
    • KESB trifft
      • Abklärungen der Situation
      • allfällige Massnahmen zum Schutz der Kinder
    • Ziele beim Kindesschutz:
      • nicht unbedingt Fremdplatzierung,
      • sondern optimale Unterstützung für die betroffenen Kinder

Fortgesetzte Bedrohung durch die gewaltausübende Person

  • Polizei kann zum Opferschutz nur kurze Zeit gültige Sofortmassnahmen anordnen wie
    • Wegweisung der gewaltausübenden Person
    • Betretungsverbot der Wohnung
    • Kontaktverbot

Zivilverfahren

  • Erfordernis des Aktivwerdens der von häuslicher Gewalt betroffenen Person, durch Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens vor Gericht, um einen längerfristigen Schutz zu erzielen
  • Oft vagen die Opfer (aus verschiedenen Gründen) diesen Schritt nicht und lassen die Sache auf sich bewenden

Strafverfahren

  • Nach Einschreiten der Polizei wird bei Vorliegen eines Offizialdelikts (siehe oben) eine Strafuntersuchung gegen die gewaltausübende Person eingeleitet
  • Bei Vorliegen schwererer Delikte kann die Strafuntersuchungsbehörde Ersatzmassnahmen erlassen, welche an die Stelle von Untersuchungshaft treten, wie
    • ein Kontaktverbot
    • ein sog. Rayonverbot
  • Ziel der Ersatzmassnahmen
    • Bestrafungs-Zuführung der beschuldigten Person
    • Massnahmen-Widersetzung der beschuldigten Person
      • Person wird wieder in Untersuchungshaft genommen

Tipps

Gewaltopfer

  • Suchen Sie das Gespräch bei einer (kostenlosen) Opferberatungsstelle, wenn Sie rechtliche, psychische oder materielle Unterstützung benötigen:
  • Schutz persönlicher Gegenstände
    • Identitätskarte und ev. Aufenthaltsbewilligung
    • Bankkontodaten
    • Wichtige andere Dinge
  • Für gewaltbetroffene Frauen:
    • Müssen Sie trotz allem die gemeinsame Wohnung verlassen, packen Sie ihre Taschen mit dem Nötigsten und bereiten Sie Ihren Weggang gut vor
    • Haben Sie in Ihrem persönlichen Umfeld kein Zufluchtsort, melden Sie sich beim Frauenhaus in Ihrer Nähe
  • Für gewaltbetroffene Männer:
    • Noch kein flächendeckendes Beratungsangebot für Männer
    • Ggf. Kontaktnahme mit der Opferhilfe 

Gewalttäter

Befassen Sie sich damit, wie Sie in Wutsituationen mit Ihren Gefühlen umgehen wollen und, ob Sie professionellen Rat suchen sollen (siehe nachfolgend „Beratungsstellen“):

  • Gespräch mit nahestehenden Personen über Ihre Gefühle
  • Überlegen Sie sich, wie Sie sich verhalten wollen, wenn Sie aggressiv werden und keinen Ausweg sehen bzw. wie andere Personen mit Drucksituationen und Wut umgehen
  • Rückzug als Lösungsvariante
    • Das Haus verlassen
    • Einen Spaziergang machen
    • Problem mit Freund oder Freundin besprechen

Zeugen

Angesagt ist zwar ein rechtzeitiges Handeln, um ggf. Leben zu retten, nicht aber ein sich einmischen oder sich selbst gefährden:

  • Benachrichtigung der Polizei bei einer akuten Notsituation
  • Angebot persönliche Hilfe an das Opfer
    • Zuflucht in der Notsituation bieten
    • Zuhören
  • Verständnisvolles Gespräch mit dem Opfer, wenn es alleine ist
    • Mitteilung, dass häusliche Gewalt kein privates Problem mehr ist
    • Hinweis auf Opferschutz und mögliche Hilfsangebote
  • Weitergabe von Informationen zu professionellen Hilfsangeboten an das Opfer 

Beratungsstellen

  • Allgemein
    • Wenden Sie sich an helfende Institutionen wie:
      • Beratungsstelle für gewaltausübende Personen
      • Unterstützungs- und Hilfsangebote
        • Hausarzt
        •  Psychotherapie
        • Sucht-Beratungsstelle
        • usw.
      • Dargebotene Hand
  • Für gewaltausübende Männer
  • Für gewaltbetroffene Frauen

Vorbehalt / Disclaimer

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