Freispruch
Sachverhalt
Einem in Zürich wohnhaften Italiener wurde im September 2017 während eines Rasthalts in einer Bar in der süditalienischen Provinz Potenza sein vor zwei Jahren für CHF 24 000 erstandener Occasionspersonenwagen Audi A5, Baujahr 2008, gestohlen, und zwar mit Gepäck im Gesamtwert von rund CHF 3 800. Er meldete den Diebstahl zunächst der örtlichen Polizei und nach der Rückkehr in die Schweiz auch der Stadtpolizei Zürich sowie seinem Autokaskoversicherer. Die beiden Fahrzeugschlüssel stellte er dem Versicherer zu.
Die Schadenspezialisten des Autoversicherers misstrauten der Sache und übergaben die elektronischen Schlüssel des Audi zum Auslesen der Daten dem deutschen Technischen Überwachungsverein (TÜV).
Die TÜV-Experten stellten fest, dass der eine elektronische Autoschlüssel seit Dezember 2016 und der andere seit Ende Juli 2016 nicht mehr benutzt worden seien. Daraus schlossen Versicherer und Staatsanwaltschaft, dass der Autohalter seinen Audi vor der Diebstahlsanzeige monatelang mit einem Drittschlüssel gefahren habe und, dass der Wagen gar nie gestohlen worden sei.
Anstelle einer Schadenersatzabrechnung erhielt der Autohalter eine Strafanzeige wegen versuchten Betrugs und Irreführung der Rechtspflege. Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten, bei einer Probezeit von 2 Jahren.
Erwägungen
Offenbar ist der Audi-Diebstahl beim Bezirksgericht Zürich (BGZ) kein Einzelfall. Untersuchungen zu zwei anderen verdächtigen Schadensmeldungen seien bereits früher eingestellt worden. Der Richter sprach den Audi-Autohalter nun aus folgenden Gründen von sämtlichen Vorwürfen frei:
Verletzung des Prinzips der notwendigen Verteidigung bei der Befragung des Angeklagten
Bei Delikten mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ist der Beizug eines Pflichtverteidigers bei den Einvernahmen zwingend
Die Aussagen des Angeklagten waren wegen fehlender notwendiger Verteidigung nicht verwertbar, hätte der Angeklagte doch in Begleitung eines Strafverteidigers anders ausgesagt oder die Aussage möglicherweise verweigert
Nicht ausreichender Tatbeweis
Die Auswertung der Daten der elektronischen Autoschlüssel durch den TÜV und – auf Veranlassung des Staatsanwalts – durch den Schweizer Audi-Importeur „amag“ erwiesen sich als nicht ausreichend für einen Schuldbeweis
Der Richter hielt dafür, dass
- man sich aus den Daten der elektronischen Schlüssel durchaus das eine oder andere zusammenreimen und einen Tatvorwurf konstruieren könne;
- man sich aber im Bereich der Mutmassungen bewegen würde;
- Mutmassungen keine Beweismittel ersetzen würden.
Entscheid
Der bestohlene Autohalter wurde freigesprochen.
Urteil GG 190 036 vom 06.07.2019 (nicht rechtskräftig)
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam