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Personenrecht / Strafrecht

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Stalking

Datum:
01.07.2019
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Personenrecht, Strafrecht
Stichworte:
Drohungen, Stalking, Vorsorgliche Massnahmen
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Belästigung und Verfolgung

Der Begriff Stalking stammt aus dem englischen Jagdjargon und bedeutet anschleichen, anpirschen o.ä. Das willentliche und wiederholte Nachstellen und Belästigen einer Person verfolgt mit dem dauerhaften Psychoterror die Erreichung eines bestimmen Ziels.

Einleitung

Motive des Stalkers

Denkbar sind bei den nicht geschlechtsgebundenen Tatperson-Opfer-Konstellationen viele Gründe. Oper und Stalker standen in einer nahen oder entfernten Beziehung oder stehen in einem persönlichen oder beruflichen Umfeld:

  • Zerbrochene Liebesbeziehungen (sog. „Ex-Partner-Stalking“)
  • Abgewiesene Verehrer
  • Nachbarn
  • Mitarbeitende
  • Kunden
  • Fans.

Beweggründe

Die Beweggründe des Stalkers sind vielfältig, können variieren und sich mit der Zeit verändern: Aufmerksamt, Nähe und Machtdemonstration, alles im Hinblick auf zum Beispiel eine Rückkehr in die Partnerschaft, Rücknahme einer Kündigung usw.

Mögliche Verhaltensweisen des Stalkers

Die Stalking-Erscheinungsformen haben immer mit Nähe, Aufmerksamkeit und Kommunikation zu tun:

  • Wiederholt unerwünschte Kommunikation (Telefonanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit, e-mails, SMS, Social Media, Briefe o.ä.)
  • Hinterlassen von Nachrichten (vor der Wohnungstür, beim Arbeitgeber, am Auto usw.)
  • Auskundschaftungen der Tagesabläufe, bei Nachbarn und am Arbeitsplatz des Opfers
  • Unerwünschte Geschenke (Lieferung von Blumen an das Opfer)
  • Diffamierung des Opfers im persönlichen und privaten Umfeld
  • Bestellung von Waren und/oder Dienstleistungen im Namen und auf Rechnung des Opfers
  • Drohung von Taten

Gefährlich wird es, wenn der Stalker eskalierend den Druck erhöht und zu Tathandlungen übergeht wie Eindringen in die Wohnung des Opfers, Beschädigen des Opfereigentums, Verletzen bzw. Töten der (Haus-)Tiere des Opfers oder körperliche oder sexuelle Übergriffe auf das Opfer.

Oft handelt der Stalker in Anonymität.

Ursachen

Der heute erleichterte Zugang zu den (digitalen) Kommunikationsmitteln hat einerseits den Missbrauch begünstigt und andererseits zu einer Änderung in der gesellschaftlichen Beurteilung geführt. Heute wird nicht akzeptiert, was früher in Beziehungen und Familien stillschweigend Konvention bildete. Der technische Fortschritt hat zudem zu einer Vielfalt der unerwünschten Stalking-Formen geführt wie Cyberstalking, Weitergabe von Opfer-Daten an User, gefälschte Opfer-Homepages und sonstige nicht wieder gutzumachende Vorgehen.

Folgen für das Opfer

Die Demütigungen und Bedrohungen des Stalkers führen oft zu seelischen Beeinträchtigungen beim Opfer. Es sind dies:

  • Angstzustände, Veränderungen im Gemütszustand und im Selbstwertgefühl
  • Hilflosigkeitsgefühle
  • Schlaf- und Konzentrationsstörungen
  • Einschränkung des Bewegungsfreiraums bis hin zu Wohnorts- und Arbeitsplatzwechseln
  • Soziale Isolation
  • durch das Stalking verursachte Suizid-Versuche
  • etc.

Ziel des Beitrages

Dieser Beitrag dient der kurzen Information und der Prävention.

Definition

Stalking (auch: Nachstellung)   =   Wiederholte Verfolgung und/oder Belästigung einer Person.

Überblick

Strafrecht

In der Schweiz gibt es für Stalking keinen eigenen Straftatbestand. Auch die einzelnen Handlungen sind für sich gesehen oft nicht illegal. Stalking kann trotzdessen in seiner Gesamtheit oder durch einzelne einschlägige Verhaltensweisen strafrechtlich sanktioniert werden.

Die am häufigsten im Zusammenhang mit Stalking anzutreffenden Straftatbestände sind:

Drohung (StGB 180)

  • Nötigung (StGB 181)
  • Missbrauch einer Fernmeldeanlage (StGB 179septies)
  • Hausfriedensbruch (StGB 186)
  • Sachbeschädigung (StGB 144)
  • Ehrverletzungen (StGB 173 ff.)
  • Körperverletzungen (StGB 122 f.)
  • Vergewaltigung (StGB 190).

Von Amtes wegen werden aber einzig die folgenden Straftatbestände verfolgt:

  • Nötigung
  • Vergewaltigung
  • schwere Körperverletzung.

Drohung und leichte Körperverletzung werden nur von Amtes wegen geahndet, wenn das Opfer mit dem Täter bzw. der Täterin in einer Ehe oder Partnerschaft lebt oder während eines Jahres nach der Trennung oder Scheidung.

In allen anderen Fällen ist für die Strafverfahrenseröffnung ein Strafantrag des Opfers notwendig.

Mangels spezieller Strafnorm ist die Erfassung und Beseitigung von „leichten“ Stalking-Handlungen, die „lediglich“ eine fortwährende Belästigung des Opfers darstellen und oftmals unter keinen der bestehenden Tatbestände subsumierbar sind, unzureichend:

  • Einzelhandlungen überschreiten oft die Schwelle zur Nötigung oder zu einem anderen Straftatbestand nicht
  • Diese Einzelhandlungen rufen aber beim Opfer dennoch psychische und physische Reaktionen hervor, die auf Dauer krankhaft machen.

Zivilrecht

Am 01.01.2007 ist der neue Art. 28b des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) in Kraft getreten, der auf den Schutz von Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen fokussiert.

ZGB 28b Abs. 1 Ziff. 1-3 sieht eine nicht abschliessende Aufzählung der Schutzmassnahmen vor, nämlich:

  • Annäherungsverbot
  • Ortsverbot
  • Kontaktaufnahmeverbot.

Eine zeitliche Begrenzung der Massnahmen ist im Gesetz nicht enthalten; der Gesetzgeber hat es dem pflichtgemässen Ermessen der Gerichte überlassen, eine Befristung anzuordnen.

Bei bewusster Belästigung gibt es die Möglichkeit, zivilrechtlich eine Fernhalteverfügung zu erwirken. Diese verbietet dem Stalker unter Strafandrohung, sich dem klagenden Opfer zu nähern, sich in einem bestimmten Gebiet aufzuhalten oder mit der Person wie auch immer Kontakt aufzunehmen (ZGB 28b – “Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen“, siehe Box „Gesetzliche Grundlagen“, unten).

Die Missachtung einer Fernhalteverfügung erfüllt den Straftatbestand des „Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung“ (vgl. StGB 292; siehe Box „Gesetzliche Grundlagen“, unten). So kann Stalking strafrechtlich verfolgt werden.

Strafrechtlich belangt werden kann ein Stalker erst, aber immerhin, wenn er ein Delikt begeht:

  • Nötigung
  • Drohung
  • Missbrauch einer Fernmeldeanlage.

Siehe die nachfolgenden Ausführungen zum Überblick „Strafverfahren“.

Die Inanspruchnahme der zivilrechtlichen Möglichkeiten setzt immer eine Initiative des Opfers voraus:

  • Antrag durch das Opfer bei Gericht
    • Anordnung von Schutzmassnahmen
    • Einstweiliger Rechtsschutz (vorsorgliche Massnahmen)
      • Das Opfer muss nachweisen, dass ihm infolge der Verfolgung oder Bedrohung ein nicht leicht wieder gutzumachender erheblicher Nachteil droht
      • Der Stalker wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass er im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Schutzanordnung nach StGB 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) strafrechtlich verfolgt werden kann (Busse).
  • Nebst ZGB 28b sonst noch relevante Normen
    • ZGB 172 ff. (Eheschutz)
    • ZGB 137 (vorsorgliche Massnahmen während des Scheidungsverfahrens)
    • ZGB 397a ff. (fürsorgerischer Freiheitsentzug / Heranziehung in gewissen Stalking-Situationen).

Rechtsschutz

Einleitung

Es bestehen diverse gesetzliche Grundlagen, die in Stalking-Fällen zur Anwendung gelangen können:

  • Bundesebene
    • Strafrecht
    • Strafprozessrecht
    • Zivilrecht
    • Zivilprozessrecht
    • Opferhilferecht
  • Kantonale Grundlagen
    • Abhängig von den jeweiligen kantonalen Rechtsgrundlagen
  • Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention)
    • 34 und Art. 53 verpflichten die Vertragsstaaten zur Kriminalisierung von Stalking und zur Implementierung von Schutzmassnahmen in Stalking-Fällen (für die Schweiz am 01.04.2018 in Kraft).

3-Phasen-Modell

  • Das 3-Phasen-Modell zielt auf einen unmittelbaren, kontinuierlichen und nachhaltigen Schutz von Stalking-Opfern ab
  • Unterscheiden wird dabei in:
    • (1) Sofortinterventionen
      • Massnahmen zur unmittelbaren Intervention gegen den Stalker
      • > Unterbrechung der sog. Stalking-Spirale
    • (2) Stabilisierungsphase
      • Massnahmen zur Vorbeugung gegen
        • Wiederholungen
        • anderes Nachtatverhalten
      • > Stabilisierung der Situation
      • > Fortführung der Sofortmassnahmen
    • (3) Nachhaltigkeits-Phase
      • Massnahmen zur Aufrechterhaltung eines mittel- und langfristigen Schutzes vor weiteren Stalking-Handlungen
      • > Nachhaltigkeit

Rechtliche Möglichkeiten zur Schnellintervention

  • Einleitung
    • Überblick
      • Sofortinterventionen
      • Stabilisierungsphase
        • Zivilrecht / Zivilprozessrecht
        • Strafrecht / Strafprozessrecht
        • Verlängerung polizeilicher Schutzmassnahmen
      • Nachhaltigkeitsphase
    • Polizeiansprache
      • Die Polizei ist für Opfer oft die erste Anlaufstelle, um gegen das Stalking vorzugehen
    • Polizei-Möglichkeiten
      • Die Polizeihoheit liegt bei den Kantonen
      • Allfällige polizeiliche Interventionen richten sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht
      • Der rechtliche Schutzbereich in der ersten Phase der Sofortintervention ist – mangels Pflicht zur Installation einer Krisenfallstelle – in den Kantonen unterschiedlich ausgestaltet
  • Polizeiliche Schutzmassnahmen
    • Kompetenzen
      • Kantone mit Sofortinterventions-Möglichkeiten in Stalking-Fällen und solche, die über kein rechtliches Instrumentarium verfügen
    • Ziele
      • Bei Stalking sind polizeirechtliche (Gewalt-)Schutzmassnahmen möglich, die folgendes (einzeln oder kumulativ) anstreben:
        • Beruhigung der Akutsituation
        • Schutz des gefährdeten Opfers
    • Mögliche Polizeianordnungen
      • Die Polizei kann eigenständig erlassen
        • befristete oder unbefristete Wegweisungen bzw. Fernhaltungen (vgl. BGE 144 III 257 ff.)
        • Rückkehrverbote
        • Annäherungsverbote
        • Ortsverbote
        • Kontaktverbote
    • Kantonal unterschiedliche Polizeikompetenzen
      • Bei der Verfügbarkeit von Rayon- bzw. Orts-, Annäherungs- und Kontaktverboten in Stalking-Fällen sind – je nach kantonalem Regelungsspielraum – vier Gruppen zu unterscheiden:
        • (1) Ausschliesslich Schutzmassnahmen für Fälle häuslicher Gewalt, die Schutzmassnahmen zugunsten von Opfern, die im gemeinsamen Haushalt mit der stalkenden Person leben, mitumfassen
        • (2) Ausschliesslich Schutzmassnahmen gegen (Ex-)Partner-Stalking (Intimpartner), sog. Trennungsstalking
        • (3) Schutzmassnahmen gegen Stalking in beliebigen Täter-Opfer-Konstellationen
        • (4) Schutzmassnahmen nur bei allgemeiner ernsthafter Gefährdung für die gestalkte Person
    • Massnahmen-Arten
      • Bei der Ausgestaltung von Schutzmassnahmen bestehen beträchtliche kantonale Unterschiede:
        • Eher mögliche Schutzmassnahmen wie:
          • Wegweisung aus dem gemeinsamen Haushalt
          • Fernhaltung bzw. Betret- oder Rückkehrverbot hinsichtlich der gemeinsamen Wohnunterkunft
        • Weniger mögliche Anordnungen in Stalking-Fällen:
          • Rayonverbot
          • Annäherungsverbot
          • Kontaktverbot
    • Dauer und Verlängerung
      • Für die Verlängerungsmöglichkeit und Dauer von polizeirechtlichen Schutzmassnahmen bei Stalking bestehen kantonale, zu prüfende Unterschiede:
        • Befristeter Erlass
        • Vorbehaltslose Verlängerungszulässigkeit
        • Verlängerung der (Gewalt-) Schutzmassnahmen nur unter der Voraussetzung, dass das Opfer ein Zivilverfahren nach ZGB 28b zum Schutz der Persönlichkeit vor Gewalt, Drohung oder Nachstellung einleitet
    • Strafandrohung nach StGB 292
      • Erlass der Schutzmassnahme gegen den Stalker – sofern und soweit kantonal möglich – zur Wirkungs- und Verfolgungsverstärkung unter Strafandrohung der Ungehorsamsstrafe nach StGB 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen)
  • Gefährderansprache
    • Einige Kantone sehen im Rahmen ihres Bedrohungsmanagements die präventivpolizeiliche Möglichkeit einer sog. Gefährderansprache vor, namentlich im Ex-Partner-Stalking, wie:
      • Mündliche Aufforderung der Polizei gegenüber dem Stalker, bei der Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat bzw. der Gefährdung von Drittpersonen, ein strafbares Verhalten zu unterlassen resp. ihr Verhalten zu ändern
      • Hinweis auf die Folgen eines allfälligen Gesetzesverstosses an den Stalker
    • Kantone, in denen die Teilnahme der gefährdenden Person an einem Gespräch fakultativ resp. freiwillig ist
    • Kantone, in denen die Aufforderung zur Gesprächsteilnahme unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) erfolgt

Übersicht über die Rechtsgrundlagen kantonaler Schutzmassnahmen

Quelle: Rechtliche Möglichkeiten gegen Stalking in der Schweiz | ius.uzh.ch

Rechtliche Möglichkeiten im Rahmen einer Stabilisierung

  • Einleitung
    • Fortsetzung des Opferschutzes
      • Nach den Sofortinterventionen sollten zum Opferschutz vor weiteren Stalking-Verhaltensweisen die Massnahmen zur Stabilisierung der Situation folgen
    • Überblick
      • Disposition des Nebeneinander und der Unabhängigkeit von strafrechtlichen bzw. strafprozessualen, zivilrechtlichen bzw. zivilprozessualen Massnahmen, aufgrund des 3-Phasen-Modells:
        • Sofortinterventionen
        • Stabilisierungsphase
          • Strafrecht / Strafprozessrecht
          • Zivilrecht / Zivilprozessrecht
          • Verlängerung polizeilicher Schutzmassnahmen
        • Nachhaltigkeitsphase
  • Strafprozessuale Zwangsmassnahmen
    • Strafantrag bzw. Strafanzeige
      • Stalking-Betroffene oder deren Umfeld müssen in der Regel selber für die Eröffnung eines Strafverfahrens aktiv werden:
        • Stellung eines Strafantrags (StGB 30)
        • Erstattung einer Strafanzeige
    • Massnahmen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts
      • Staatsanwaltschaft oder Gericht können im Rahmen eines Strafverfahrens bei erfüllten Voraussetzungen Zwangsmassnahmen (StPO 196 ff.) verschiedene Zwangsmassnahmen zur Stabilisierung einer Stalking-Situation anordnen
    • Voraussetzungen und Grundsätze
      • Gesetzliche Grundlage für die jeweilige Zwangsmassnahme
      • hinreichender Tatverdacht gegen die von der Zwangsmassnahme betroffene Person
      • Die angestrebten Zwangsmassnahmenziele können nicht durch eine mildere Massnahme erreicht werden
      • Verhältnismässigkeit der angeordneten Zwangsmassnahme
    • Massnahme-Arten in Stalking-Fällen
      • vorläufige Festnahme (StPO 217 ff.)
        • im Rahmen der Fahndungstätigkeit bei sog. (Quasi-) Flagranz
        • Verdächtigung des Stalkers, ein Verbrechen oder Vergehen begangen zu haben
        • 24 Stunden
      • Untersuchungs- oder Sicherheitshaft (StPO 220 ff.)
        • im Rahmen eines schweren oder massiven Stalkings
        • nur zulässig, wenn der Stalker eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und kumulativ ein sog. Haftgrund vorliegt (StPO Art. 221 Abs. 1 lit. a-c), d.h. Fluchtgefahr, Kollusionsgefahr oder Wiederholungsgefahr oder ein Fall von Ausführungsgefahr besteht (StPO 221 Abs. 2)
      • Ersatzmassnahmen (StPO 237)
        • Erreichen mildere Massnahmen als freiheitsentziehende Zwangsmassnahmen (Untersuchungs-/Sicherheitshaft) das Ziel, sind nach StPO 237 sog. Ersatzmassnahmen anzuordnen
        • Weniger hohe Anforderungen erforderlich als bei Untersuchungs- oder Sicherheitshaft
        • Ersatzmassnahme-Arten ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
          • Ein- oder Ausgrenzung (StPO 237 Abs. 2 lit. c)
          • Unterziehung einer ärztlichen Behandlung bzw. Kontrolle (StPO 237 Abs. 2 lit. f)
          • Kontaktverbot (StPO 237 Abs. 2 lit. g)
          • Electronic Monitoring (StPO 237 Abs. 3) zur Überwachung der Einhaltung von Ersatzmassnahmen
        • Kumulative Anordnung möglich, meist durch:
          • Kumulation von Rayon- und Kontaktverbot (StPO 237 Abs. 2 lit. c und lit. g), zur Verhinderung einer Wiederholungs- bzw. Ausführungsgefahr von Stalking-Handlungen
          • Kumulation von Rayonverbot und Annäherungsverbot
        • Befristung auf max. 3 Monate, aber
          • auf Antrag der Staatsanwaltschaft verlängerbar (StPO 237 Abs. 4 i.V.m. StPO 227 Abs. 1)
          • vom zuständigen Gericht bei Nichteinhaltung jederzeit widerrufbar, abänderbar, ergänzbar oder bei Notwendigkeit durch die Anordnung von Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft ersetzbar (StPO 237 Abs. 5)
    • Einhaltungs-Kontrolle bezügl. Rayonverbot
      • Electronic Monitoring (StPO 237 Abs. 3)
  • Zivilrechtliche bzw. zivilprozessrechtliche Massnahmen
    • Klageerhebung
      • Parallel zu strafprozessualen Massnahmen steht es den Stalking-Opfern jederzeit frei, den Zivilrechtsweg durch Klageerhebung zum Schutz der Persönlichkeit gegen Nachstellung gemäss ZGB 28b zu beschreiten
    • Klagelegitimation
      • Klagelegitimiert ist das Stalking-Opfer
    • Vorsorgliche Massnahmen
      • Sofortiges Tätigwerden trotz längerer Verfahrensdauer
        • Wegen der oft längeren Verfahrensdauer eines Zivilprozesses werden zum Schutze des Stalking-Opfers und zur Situations-Stabilisierung unumgänglich:
          • Ersuchen um den Erlass von vorsorglichen (ZPO 261 ff.)
          • Superprovisorische Massnahmen (ZPO 265) Massnahmen
        • Ziel
          • Beide zivilprozessualen Massnahmen verfolgen den vorsorglichen Rechtsschutz, um das Stalking-Opfer bereits während des Verfahrens vor Nachteilen zu schützen
        • Dringlichkeit
          • Bei besonderer Dringlichkeit können Betroffene um die Anordnung von superprovisorischen Massnahmen (ZPO 265), ohne vorgängige Anhörung der Gegenpartei (Stalker) durch das Zivilgericht
        • Voraussetzungen
          • Glaubhaftmachung der besonderen zeitlichen und inhaltlichen Dringlichkeit gegenüber dem Gericht, durch das gesuchstellende Stalking-Opfer
        • Anordnung
          • Über die Anordnung vorsorglicher und superprovisorischer Massnahmen entscheidet das Gericht im summarischen Verfahren (ZPO 248 lit. d)
        • Inhalt
          • Der Inhalt von vorsorglichen bzw. superprovisorischen Massnahmen wird beispielhaft (nicht abschliessend) in ZPO 262 lit. a-e aufgezählt, wobei in Stalking-Fällen insbesondere in Frage kommen:
            • Annäherungsverbot
            • Kontaktverbot
            • Rayonverbot
            • Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands (ZPO 262 lit. b)
          • Beantragung der Strafandrohung nach StGB 292
            • Um den angeordneten Massnahmen Nachachtung zu verschaffen und über ein wirksames Instrument für den Widerhandlungs-Fall zu verfügen, sollten die Verbote mit einer Strafandrohung nach Art. 292 StGB verbunden werden
          • Verhaltensänderung des Stalkers
            • Ändert sich das Stalking-Verhalten des Stalkers, können vorsorgliche Massnahmen nach ZPO 268 Abs. 1 jederzeit modifiziert und den veränderten Verhältnissen angepasst werden
          • Ablösung Superprovisorische Massnahmen durch vorsorgliche Massnahmen
            • Sofern superprovisorische Massnahmen durch vorsorgliche Massnahmen nach ZGB 28b im ordentlichen Zivilprozess abgelöst werden, fallen letztere gemäss ZPO 268 Abs. 2 grundsätzlich dahin.

Rechtliche Möglichkeiten für eine nachhaltige Lösung

  • Einleitung
    • Mehrere Verfahren zur Nachhaltigkeit
      • Um in Stalking-Fällen einen möglichst anhaltenden und langfristigen Schutz der Betroffenen gewährleisten zu können, bedarf es nicht nur Massnahmen zum Zweck der Sofortintervention und Stabilisierung der Situation, sondern auch Instrumentarien, die zu einer nachhaltigen Rückfallverhinderung beitragen können
      • Sowohl das Strafrecht als auch das Zivilrecht sehen diesbezüglich Möglichkeiten vor:
    • Überblick
      • Sofortinterventionen
      • Stabilisierungsphase
        • Strafrecht / Strafprozessrecht
        • Zivilrecht / Zivilprozessrecht
        • Verlängerung polizeilicher Schutzmassnahmen
      • Nachhaltigkeitsphase
  • Strafrecht
    • Straftatbestände
      • Keine Stalking-Strafnorm
      • Einschlägige Strafnormen
        • Missbrauch einer Fernmeldeanlage (StGB 179septies)
        • Nötigung (StGB 181)
        • Drohung (StGB 180)
        • Ehrverletzungen (StGB 173 ff.)
        • Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen (StGB 292)
        • einfache Körperverletzungen (StGB 123)
        • Tätlichkeiten (StGB 126)
        • Sachbeschädigungen (StGB 144)
        • Verletzung des Geheim- und Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (StGB 179quater)
      • Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität:
        • Sexuelle Nötigung (StGB 189)
        • Sexuelle Belästigung (StGB 198)
      • Cyber-Stalking
        • Der rasante technische Fortschritt und die Allgegenwärtigkeit der internetbasierten Kommunikationsmittel wie Smartphones, Laptops, Tablets usw. ermöglichen auch Cyberstalking
      • Bedeutungsgewinn Straftatbestände des unbefugten Eindringens in Datenverarbeitungssysteme in Stalking-Fällen:
        • „Hacking-Strafnorm“ (StGB 143bis)
        • Datenbeschädigung (StGB 144bis)
      • Tatbestandsvoraussetzungen bei der einfachen Körperverletzung (StGB 123)
        • Tatbestand kann auch erfüllt sein, wenn das Stalking zu einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit des Opfers von einem gewissen Schweregrad führt
        • Muss sich das Stalking-Opfer in psychische bzw. psychiatrische Behandlung begeben und / oder wird dadurch arbeitsunfähig, drängt sich eine Prüfung von StGB 123 auf
      • Formen von schwerem Stalking
        • Stalking in Form von Drohungen, körperliche Übergriffe, Sachbeschädigungen usw. lassen sich problemlos unter die bestehenden Strafnormen subsumieren
      • Formen von weichem bzw. leichtem Stalking
        • Die Einordnung von weichem bzw. leichtem Stalking ist gegenwärtig eher schwierig
      • Tatbestandsvoraussetzungen der Nötigung (StGB 181)
        • Der Nötigung macht sich schuldig, wer jemanden durch Gewalt, Androhung ernstlicher Nachteile oder durch eine andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen
        • Stalking-Verhaltensweisen werden als mehrfache Nötigungshandlungen qualifiziert, wenn es über längere Zeit zu einer Vielzahl von Belästigungen und somit zu einer Einwirkungs-Kumulation kommt
      • Kumulation und „Zusammenrechnung“ einzelner Stalking-Handlungen
        • Erreichen die Einwirkungen für sich alleine eine ungenügende Intensität (vgl. StGB 181), können deren Gesamtheit die Handlungsfreiheit des Opfers in einem Mass einschränken, welche eine mit Gewalt oder Drohung vergleichbare Zwangswirkung auslösen
        • Würdigung der einzelnen Stalking-Handlungen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, einschliesslich Vorgeschichte
      • Stalking als Kumulation von unerwünschten Verhaltensweisen
        • Nötigungshandlungen knüpfen an einen zeitlich und räumlich näher bestimmbaren Erfolg an
        • Es liegt in der Natur von Stalking, dass dieses erst durch eine Kumulation von unerwünschten Verhaltensweisen als störend empfunden wird
      • Offizialdelikt vs. Antragsdelikt
        • Einzig der Nötigungstatbestand bildet ein Offizialdelikt
        • Eine Vielzahl der Stalking-Fälle fallen unter Straftatbestände, die als Antragsdelikte ausgestaltet sind, d.h. in diesen Fällen hängt die Eröffnung eines Strafverfahrens vom Strafantrag des Opfers ab (StGB 30)
    • Strafrechtliche Sanktionen
      • Sanktionen
        • In einem Stalker-Strafverfahren besteht seitens des Gerichts (im ordentlichen oder abgekürzten Verfahren) bzw. der Staatsanwaltschaft (im Strafbefehlsverfahren) die Möglichkeit, als Sanktion anzuordnen:
          • Freiheitsstrafe
          • Geldstrafe
          • Busse
          • eine oder mehrere strafrechtliche Massnahmen
      • Massnahmen-Differenzierung
        • Bei den Massnahmen gilt es zu unterscheiden zwischen:
          • sichernden Massnahmen (StGB 56 – 65)
          • anderen Massnahmen (StGB 66 – 73)
      • Gefährdungspotenzial
        • Sichernde Massnahmen werden aufgrund des Gefährdungspotenzials und des Behandlungsbedürfnisses des Stalkers verhängt
        • Bei psychisch angeschlagenen Stalkern, die bspw. an einem sog. Liebeswahn leiden, werden sichernde Massnahmen in Betracht gezogen
      • Behandlungsmassnahme
        • Bei psychisch angeschlagenen Stalkern sind zur Behandlung angezeigt:
          • Eine stationäre therapeutische (StGB 59) oder
          • eine ambulante Massnahme (StGB 63)
      • Kontaktverbot oder Rayonverbot
        • In den Stalking-Fällen von elementarer Bedeutung bestehen folgende Möglichkeiten
          • Anordnung eines Kontaktverbots
          • Anordnung eines Rayonverbots nach StGB 67b
        • Ein Kontakt- und Rayonverbot nach StGB 67b können unter einer der folgenden Voraussetzungen auferlegt werden:
          • Vergehen
          • Verbrechen
          • Negative Prognose (Gefahr)
        • Diesfalls sieht das Gesetz in StGB 67b Abs. 2 verschiedene Massnahmen vor:
          • Umfassendes Kontaktverbot
          • (sog. persönlich definiertes) Rayon- bzw. Annäherungsverbot gegenüber bestimmten Personen
          • (definiertes) Rayonverbot
            • aber BGE 144 III 257 ff.)
        • Dauer des Kontakt- und Rayonverbots gemäss StGB 67b Abs. 1:
          • Beschränkung auf fünf Jahre
          • Bei Notwendigkeit Verbotsverlängerung nach StGB 67b Abs. 5 um maximal fünf weitere Jahre
        • Anpassung an situative Änderungen (StGB 67d Abs. 1)
          • Das Kontakt- und Rayonverbot kann an veränderte Verhältnisse angepasst werden
      • Massnahmen im Strafrecht wie im Zivilrecht
        • Grundsätzlich stehen in Strafrecht dieselben Massnahmen wie im Zivilrecht (siehe ZGB 28b Abs. 1 lit. a-c) zur Verfügung
      • Massnahmen mit technischen Hilfsmitteln
        • Gemäss StGB 67b Abs. 3 können auch technische Geräte für den Vollzug und zur Überprüfung der Einhaltung der Verbotsmassnahmen eingesetzt werden:
          • elektronische Fussfessel (Electronic Monitoring)
          • Domestic Violence Device (DVD)
        • Das Monitoring der strafrechtlichen Sanktionen ist im Vergleich mit den zivilrechtlichen Instrumenten von grossem Vorteil
      • Verstoss gegen Kontakt- und Rayonverbot
        • Die Missachtung eines rechtskräftigen Kontakt- und Rayonverbots nach StGB 67b stellt gemäss StGB 294 Abs. 2 ein Vergehen dar, welches mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet wird
      • Vorgehensweisen als Übertretung
        • Die typischen Stalking-Verhaltensweisen beinhalten meistens eine Übertretung (vgl. StGB 67b)
          • Tätlichkeiten (Art. 126 StGB)
          • Missbrauch einer Fernmeldeanlage (StGB 179septies)
          • sexuelle Belästigung (StGB 198)
          • Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung (StGB 292), mangels der erforderlichen Anlasstat (Vergehen oder Verbrechen) gerade keine Anwendung findet
      • Friedensbürgschaft
        • Nebst eines Kontakt- und Rayonverbot nach StGB 67b besteht in Stalking-Fällen auch die Möglichkeit, auf Antrag des Stalkers eine Friedensbürgschaft im Sinne von StGB 66 anzuordnen
        • Die Friedensbürgschaft beinhaltet die Leistung einer finanziellen Sicherheit nebst des Versprechens, ein angedrohtes Vergehen oder Verbrechen nicht zu verwirklichen (sog. Bürgschaft)
        • Bei Bestehen von Ausführungs- oder Wiederholungsgefahr und gleichzeitig fehlender „Kooperationsbereitschaft“ seitens des Stalkers dürfte die Friedensbürgschaft somit ein griffiges Instrument darstellen, da der Stalker umgehend mit einer Beugehaft zu rechnen hat, die auch nebst polizeilichen und / oder zivilrechtlichen Schutzmassnahmen angeordnet werden könnte
      • Kontakt-, Annäherungs- und Rayonverbot als Weisung
        • Wird ein Stalker zu einer (teil-)bedingten Strafe verurteilt und der Strafvollzug aufgeschoben, können Kontakt-, Annäherungs- und Rayonverbote oder aber die Anordnung einer psychologischen Betreuung auch in Form von Weisungen (StGB 44 Abs. 2 bzw. StGB 94) zur Verhinderung der Rückfallgefahr für die Dauer der Probezeit angeordnet werden; gleiches gilt für die bedingte Entlassung
  • Zivil- bzw. Zivilprozessrecht
    • Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz
      • Das Zivilrecht enthält in ZGB 28 ff. verschiedene Massnahmen zum Schutze der Persönlichkeit vor widerrechtlichen Verletzungen, wobei in Stalking-Fällen insbesondere die Klage zum Schutz der Persönlichkeit gegen Nachstellung nach ZGB 28b von Bedeutung ist
    • Klagelegitimation
      • Die zivilrechtliche Klage besteht
        • unabhängig von einer persönlichen Beziehung zwischen Opfer und Stalker zur Verfügung
      • Nur in den Fällen von Fremdstalking durch eine anonyme bzw. unbekannte Person greift das zivilrechtliche Schutzinstrumentarium nicht, weil im Zivilrecht eine Klage gegen Unbekannt nicht erhoben werden kann
    • Verbotsmassnahmen und Kombinierung
      • Im Rahmen der Klageerhebung nach ZGB 28b können Stalking-Opfer gemäss ZGB 28b Abs. 1, Ziff. 1 – 3 verschiedene, nicht abschliessend geregelte Verbotsmassnahmen (= Unterlassungsansprüche) beantragen, die miteinander kombiniert werden können
    • Vereinfachtes Verfahren
      • Bei Klagen nach ZGB 28b gelangt gestützt auf ZPO 243 Abs. 2 lit. b das vereinfachte Verfahren zur Anwendung:
        • Annäherungsverbot (Ziff. 1)
        • Orts- bzw. Rayonverbot (Ziff. 2)
        • Kontaktverbot (Ziff. 3)
    • Voraussetzungen für Schutzmassnahmen
      • Die Anordnung von zivilrechtlichen Schutzmassnahmen in Stalking-Fällen setzt voraus:
        • Opfer ist wiederholt Stalking-Handlungen ausgesetzt gewesen
        • Beim Opfer wurde in objektiv nachvollziehbarer Weise starke Furcht hervorgerufen
    • Adäquater Eingriff
      • Es sind Massnahmen anzuordnen, die folgende Prinzipien berücksichtigen:
        • Verhältnismässigkeit
        • Genügende Wirksamkeit (zum Schutz des Opfers)
        • Möglichst geringe Eingriffe (beim Stalker)
    • Keine Befristung
      • Im Gegensatz zu den in Stalking-Fällen einschlägigen strafrechtlichen Massnahmen sieht ZGB 28b keine Befristung der Massnahmen vor
      • Es sind dabei grundsätzlich folgende Varianten möglich:
        • zeitlich unbeschränkte Anordnung
        • zeitliche Beschränkung der Anordnung, nach richterlichem Ermessen
    • Besonders hartnäckiger Stalker
      • In Stalking-Fällen steht für besonders hartnäckige Stalker im Zivilrecht – unter dem Verhältnismässigkeitsprinzip – ein Instrumentarium zur Verfügung:
        • Zeitlich uneingeschränkte Fortdauer von Verbotsmassnahmen
    • Strafandrohung nach StGB 292
      • Um die Durchsetzbarkeit der zivilrechtlichen Unterlassungsansprüche zu verstärken, sollten die Verbotsmassnahmen immer unter der Strafandrohung von StGB 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) erlassen werden.

Exkurs: Opferhilfe

  • Grundlage
    • Aufgrund von BV 124 bzw. von OHG 1 haben Personen (Opfer), die durch eine Straftat unmittelbar in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität beeinträchtigt wurden, Anspruch auf Opferhilfe
  • Voraussetzungen
    • Stalking-Opfer erhalten unter nachbezeichneten Voraussetzungen nach OHG eine umfassende Unterstützung:
      • Betroffenheit von einer Straftat und
      • eine gewisse Erheblichkeit der dadurch entstandenen Beeinträchtigung(en)
  • Beeinträchtigung
    • Die durch das Stalking hervorgerufenen psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen erfüllen regelmässig die Anforderungen an erhebliche Beeinträchtigungen
  • Hilfeleistungen
    • Ein Opfer im Sinne des OHG kann diverse Hilfeleistungen beanspruchen (OHG 14 Abs. 1):
      • Medizinische Unterstützung
      • Psychologische Unterstützung
      • Soziale Unterstützung
      • materielle Unterstützung
      • juristische Unterstützung
      • Organisation einer Notunterkunft
  • Erste Anlaufstelle
    • Die Polizei ist oft die erste Anlaufstelle für Stalking-Betroffene, weshalb ihr eine wichtige Bedeutung bei der Aufklärung über die Inanspruchnahme von Opferhilfe zukommt (vgl. auch StPO 305)
  • Ausnahme vom Opferbegriff
    • Betroffene von weichem Stalking fallen mangels Nötigungshandlung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht unter den Opferbegriff des OHG und können somit nur bedingt von einer Erstberatung und Triage von dessen Hilfeleistungen profitieren (vgl. BGE 125 II 265, E. 2c/aa).

Fazit

Das Aufzwingen ungewollter Kommunikation führt bei Hartnäckigkeit und Wiederholung zu einer Belästigung. Gibt der Stalker auch nach einer Phase der Ignorierung nicht auf oder werden die Belästigungen gar bedrohlich, ist entsprechend der vorstehenden Ausführungen zum Rechtsschutz Rat zu suchen und Einhalt zu gebieten.

Jeder Fall ist individuell, weshalb ein individuelles Konzept im konkreten Einzelfall zu erstellen und umzusetzen ist. …

Tipps

Für Stalking-Opfer

Stalking-Opfer können folgendes Vorgehen wählen:

  • Verhalten gegenüber dem Stalker
    • Abbruch jeden Kontakts mit dem Stalker
  • Mitteilung, dass ein Kontakt nicht erwünscht sei
    • Bekanntgabe aus Beweisgründen mittels eingeschriebenen Briefs oder in Anwesenheit von Zeugen
    • Anschliessende Mitteilungen (wichtig)
      • nur noch über Mittlerpersonen oder
      • nur noch mittels Rechtsbeistand (Rechtsanwalt)
  • Aufsuchen der Gewalt- oder Opferberatungsstelle
    • Lassen Sie sich über weitere Massnahmen informieren bzw. unterstützen
    • siehe Adressen und Hilfsangebote
  • Information über Belästigungsvorfälle
    • Freunde
    • Bekannte
    • Nachbarn
    • Arbeitgeber
    • Arbeitskollegen
  • L+L-Bestellungen des Stalkers
    • Nichtannahme unbestellter Warensendungen oder Dienstleistungen
  • Belästigungsmittel sichern
    • Unbeantwortet zu belassende und aufzubewahrende, belästigende bzw. drohende Dokumente (Beweismaterial für Polizei, Strafanzeige und Strafuntersuchungsbehörden) wie
      • Briefe
      • E-mails
      • SMS-Mitteilungen
      • Anrufbeantworteraufzeichnungen
      • am Auto hinterlassene Botschaften
  • Zweiter Telefonanschluss
    • Einrichtung eines zweiten Telefonanschlusses, zur Bekanntgabe der neuen Telefonnummer nur an Vertrauenspersonen
  • Bisherige Telefonnummer nicht abmelden (Vermeidung der Neugiersteigerung des Stalkers)
    • Anrufbeantworteraktivierung, mit einer von einer Drittperson aufgezeichneten Durchsage
    • Eine Anrufliste durch die Telefongesellschaft erstellen lassen
    • Vorfallerhebung, nach Ort und Datum, zum Nachweis der Belästigungen und ihrer Schwere sowie der Dynamik des Falles
  • Wissensaneignung zum Phänomen „Stalking“ und Schutzvorkehren
    • Besuch eines Selbstverteidigungskurses
    • Teilnahme an Treffen von Selbsthilfegruppen
    • Stärkung durch Stalking angeschlagenen Selbstbewusstsein
    • des Opfers stärken.
  • Verständigung der Polizei
    • Zeitnahe Information der Polizei über alle Annäherungs- und Verfolgungsversuche sowie belästigende Handlungen des Stalkers
  • Strafrechtliche Massnahmen
    • Entscheid (als betroffene Person/Opfer), strafrechtliche Schritte gegen den Stalker einzuleiten
      • Einholung fachkundigen Rats
      • Kontaktnahme mit der zuständigen Staatsanwaltschaft
  • Zivilrechtliche Massnahmen
    • Rechtsunkundige Opfer sollten einen Rechtsbeistand (Rechtsanwalt) beiziehen und sich beraten lassen.

Für Stalker

  • Ausweg:
    • Fachliche Unterstützung als Ausweg aus dem Verhalten
  • Ziele:
    • Einstellungs- und Verhaltensänderung mittels erprobter Methoden
    • Verbesserung der Selbstkontrollfähigkeit
    • Besserer Umgang mit negativen Gefühlen
  • Empfehlung:
    • Inanspruchnahme von Hilfe einer Täterberatungsstelle.

Beratungsstellen

  • In Notfällen
    • Polizei (Tel. 117)
  • Kantonale Opferberatungsstellen
  • Weisser Ring – kostenfreie persönliche Opferberatung, Selbsthilfegruppen

Literatur

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EPINEY-COLOMBO EMANUELA, Harcèlement obsessionnel (stalking): quelle protection en droit suisse? In: Büchler Andrea / Müller-Chen Markus (Hrsg.), Festschrift für Ingeborg Schwenzer zum 60. Geburtstag, Private Law (Band I) – national global comparative (Band II), 467-480.

GREUTER KARIN, Erfahrungen mit dem Instrument der Gefährderansprache, Befragung und Analyse am Beispiel der Kantonspolizei Zürich, Kriminalistik 7/2017, 470-476.

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HAUSHEER HEINZ/AEBI-MÜLLER REGINA E., Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 4. Aufl., Bern 2016.

HOFFMANN JENS, Stalking, Heidelberg 2006.

HOFFMANN JENS, Gefährliche Expartner – Psychologische Hintergründe und Interventionsgespräche in Fällen von Stalking, in: Hoffmann Jens / Wondrak Isabel (Hrsg.), Umgang mit Gewalttätern, Kommunikation und Gefährderansprache, Frankfurt 2009, 55-64.

KINZIG JÖRG, Die Strafbarkeit von Stalking in Deutschland – Vorbild für die Schweiz?, recht 2011, 1-13.

MANFRIN FABIO, Ersatzmassnahmenrecht nach Schweizerischer Strafprozessordnung, Ein Beitrag zur Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips im Haftrecht, Diss. Univ. Luzern, Zürich 2014.

MOHLER MARKUS H.F., Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz, Basel 2012.

SADTLER SUSANNE, Stalking – Nachstellung, Entwicklung, Hintergründe und rechtliche Handlungsmöglichkeiten, Diss. Univ. Bonn, Zürich/St. Gallen 2009.

SCHWARZENEGGER CHRISTIAN / BRUNNER REINHARD (Hrsg.), Bedrohungsmanagement – Gewaltprävention, Zürich/Basel/Genf 2017.

SCHWARZENEGGER CHRISTIAN / BRUNNER REINHARD (Hrsg.), Bedrohungsmanagement – Häusliche Gewalt, Zürich/Basel/Genf 2018.

TIEFENTHAL JÜRG MARCEL, Kantonales Polizeirecht in der Schweiz, Zürich/Basel/Genf 2018.

VANOLI ORLANDO, Stalking, Ein „neues“ Phänomen und dessen strafrechtliche Erfassung in Kalifornien und in der Schweiz, Diss. Univ. Zürich, Zürich/Basel/Genf 2009.

ZINGG RAPHAEL, Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen und Nachstellungen nach Art. 28b ZGB, Jusletter vom 28. Juli 2008.

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

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