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Neuer Mietvertrag: Übertragung der Kündigungssperrfrist auf den neuen Vertrag?

Datum:
20.08.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Geschäftsraummiete / Ladenmiete
Stichworte:
Kündigungssperrfrist, Mietrecht, Mietvertrag, Vergleich
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 271a Abs. 1 lit. e Ziffer 4

Einleitung

Es stellte sich vor Schranken des Bundesgerichts für einen Wohnungsmietvertrag die Frage, ob der ursprünglich auf beide Ehegatten als Mieter lautende und nach Auszug des Ehemannes aus der gemeinsamen Wohnung neu bloss noch auf die Ehefrau ausgestellte Mietvertrag zur Anrufung der Kündigungssperrfrist aus dem früheren Mietverhältnis berechtige.

Grundsätzlich ist die durch Vergleich ausgelöste Sperrfrist für Mietvertragskündigungen nur für das Mietverhältnis wirksam, auf welches sich die Einigung bezieht. Die Kündigungssperrfrist kann bei Abschluss eines neuen Mietvertrages nicht mehr angerufen werden.

Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn ein blosser Parteiwechsel im Rahmen eines fortbestehenden Mietvertrages erfolgt ist.

Sachverhalt

Der Sachverhalt stellte sich stichwortartig wie folgt dar:

  • Mietvertrag
    • ________ (Klägerin, Beschwerdeführerin)und ihr damaliger Ehemann vereinbarten als Mieter mit dem Vermieter B.________ (Beklagter, Beschwerdegegner) am 11.02.2000 einen Mietvertrag über eine 3,5-Zimmerwohnung im 1. Stock am Weg U.________ in V.________ und leisteten eine Sicherheitsleistung von CHF 2’740.– auf ein Mietkautionskonto, lautend auf beide Ehegatten
    • Ehetrennungsbedingt zog der Ehemann 2014 aus der gemeinsamen Wohnung aus
  • Mietvertrag
    • Die Klägerin schloss als Alleinmieterin mit dem Beklagten daraufhin am 8./12.05.2014 einen neuen Mietvertrag ab
    • Da die Nebenkosten im neuen Mietvertrag höher waren als im ersten Mietvertrag, gelangte die Klägerin an die Schlichtungsstelle für Mietangelegenheiten
  • Schlichtungsverfahren 1
    • Klägerin und der Beklagte schlossen am 05.03.2015 vor der Schlichtungsbehörde einen Vergleich und kamen dabei überein, dass der Mietvertrag vom 8./12.05.2014 per 01.05.2014 nichtig und nach wie vor der Vertrag vom 11.02.2000 gültig sei; die Klägerin zog ihr Mietzinssenkungsbegehren zurück
  • Mietvertrag
    • Mit Schreiben vom 09.06.2015 bat die Klägerin den Beklagten um Zustellung eines neuen, auf sie alleine lautenden Mietvertrags und beantragte gleichzeitig eine Reduktion des Nettomietzinses
    • Am 22.09.2015 begehrte sie erneut eine Mietzinssenkung
    • Der Beklagte stellte ihr mit Schreiben vom 21.10.2015 einen neuen Mietvertrag per 01.11.2015 zu, der die Klägerin als alleinige Mieterin aufführt, und wies darauf hin, dass ihr Mietzinssenkungsbegehren in Bearbeitung sei (Berechnung werde nächstens mit Änderung des Mietzinses per 01.02.2016 zugestellt)
  • Schlichtungsverfahren 2
    • Mit Schlichtungsgesuch vom 26.10.2015 gelangte die Klägerin erneut an die Schlichtungsstelle
    • Ihre Anträge
      • Herabsetzung des monatlichen Mietzinses per 01.02.2016 von CHF 1’230.– auf CHF 992.—
      • Rückzahlung von Heiz- und Nebenkosten für die Jahre 2005 bis 2014 über CHF 4’970.85, zuzüglich Zins
  • Nachtrag zum neuen Mietvertrag
    • Am 03.11.2015 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin als Nachtrag zum neuen Mietvertrag, dass der bisherige monatliche Nettomietzins per 01.02.2016 von CHF 1’230.– auf neu CHF 984.– gesenkt werde
  • Unterzeichnung 3. Mietvertrag
    • Klägerin und Beklagte unterzeichneten am 10./17.11.2015 einen neuen Mietvertrag mit Mietbeginn ab 01.11.2015
    • Der Mietvertrag führt die Klägerin als alleinige Mieterin auf und verlangt in Ziffer 7 eine Sicherheitsleistung von CHF 2’740.– durch die Klägerin
  • Erledigung Schlichtungsverfahren 2
    • Mit Vergleich vom 08.03.2016 einigten sich die Klägerin und der Beklagte vor der Schlichtungsstelle über die von der Klägerin mit Schlichtungsgesuch vom 26.10.2015 geltend gemachten Forderungen aus Heiz- und Nebenkosten der Jahre 2005 bis 2014
    • Die Parteien hielten im Vergleich fest, dass sie sich bezüglich der Mietzinsreduktion aussergerichtlich geeinigt hätten, weshalb die Klägerin ihr Rechtsbegehren Ziffer 2 zurückzog
  • Streit um Sicherheitsleistung durch die Beklagte
    • Nachdem der Beklagte von der Klägerin die Einzahlung der mit dem neuen Mietvertrag vom 10./17.11.2015 vereinbarten Sicherheitsleistung verlangt hatte, stellte sich die Klägerin auf den Standpunkt, die Mieterkaution sei bereits bei Antritt des ersten Mietvertrages beider Ehegatten vom 11.02.2000 geleistet worden
      • Diese Sicherheit solle auch für das neue Mietverhältnis gelten
    • Der Beklagte erwiderte, das bei Einzug im April 2000 eröffnete Mietkautionskonto laute auf beide Ehegatten, der aktuelle Mietvertrag jedoch alleine auf die Klägerin, weshalb das Mietkautionskonto alleine auf sie lauten müsse
      • Entweder müsse die Klägerin ein neues Mietkautionskonto eröffnen oder beide Ehegatten hätten gemeinsam die Änderung des bestehenden Kontos auf die Klägerin zu verlangen
    • Mietvertragskündigung durch Vermieter
      • Da die Sicherheitsleistung auch nach schriftlich angedrohter Kündigung ausblieb, kündigte er mit Schreiben vom 19.04.2016 das Mietverhältnis per 31.07.2016 wegen Nichtleistung der Mietkaution
    • Kündigungsanfechtung durch die Mieterin
      • Die Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung
    • Vorinstanz
      • Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Kündigung keine Sperrfrist entgegenstehe.

Erwägungen

Vom Bundesgericht war zu beurteilen, ob die beiden Vergleiche bzw. die aussergerichtliche Einigung mit dem gekündigten dritten Mietvertrag vom 10./17.11.2015 zusammenhängen und die Kündigung des Beschwerdegegners vom 19.04.2016 damit während der Sperrfrist nach OR 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 oder nach OR 271a Abs. 2 erfolgte. Nach OR 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 sei die Kündigung anfechtbar, wenn sie vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen werde, in dem der Vermieter mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder sich sonst wie geeinigt habe. OR 271a Abs. 2 lege fest, dass letztere Bestimmung auch anwendbar sei, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen könne, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt habe.

Nach Ansicht der Vorinstanz und des Bundesgerichts lasse die Beschwerdeführerin ausser Acht, dass das bestehende Mietverhältnis nicht auf sie übertragen worden sei, sondern sie mit dem Beschwerdegegner als Vermieter einen neuen Mietvertrag abgeschlossen habe. Hätte die Beschwerdeführerin lediglich die Vertragsübernahme gewollt, hätte sie dies ohne Weiteres verlangen können. Dies habe sie aber nachweislich nicht getan (vgl. Ziffer 5 des Mietvertrags vom 10./17.11.2015, wonach der Vertrag vom 10./17.11.2015 den Mietvertrag vom 11.02.2000 ersetze). Die Parteien hätten das alte Mietverhältnis beenden und ein neues begründen wollen. Es liege in der Autonomie der Parteien, ob man im Falle des Ausscheidens eines von mehreren Wohnungsmietern entweder mittels Vertragsübernahme den bestehenden Vertrag auf den verbleibenden Mieter alleine weiter laufen lasse oder einen neuen Mietvertrag abschliesse und damit ein neues Mietverhältnis begründe. Da sich die Parteien vorliegend für die zweite Variante entschieden hätten, sei ein neues Mietverhältnis begründet haben.

Da sich beide Schlichtungsverfahren und die Einigung betreffend Mietzinsreduktion per 01.02.2016 auf das alte Mietverhältnis gemäss dem Mietvertrag vom 11.02.2000 bezogen hätten, bestünde für das neue Mietverhältnis gemäss dem Mietvertrag vom 10./17.11.2015 keine Sperrfrist, welche der Kündigung vom 19.04.2016 entgegengestanden habe.

Die Kündigung vom 19.04.2016 sei daher entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht aufzuheben und der erstinstanzliche Entscheid sei in Abweisung der Berufung zu bestätigen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war
  2. Die Gerichtskosten von CHF 2’000.– wurden der Beschwerdeführerin auferlegt
  3. Die Beschwerdeführerin hatte den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit CHF 2’500.– zu entschädigen
  4. Mitteilung an die Parteien und an die Vorinstanz

Quelle

BGer 4A_488/2018 vom 20.02.2019

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