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Betreibung / Konkurs / Sanierung / Zwangsvollstreckung

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Definitive Rechtsöffnung: Verjährung einer im Verlustschein verurkundeten Forderung?

Datum:
20.11.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Betreibung / Konkurs / Sanierung / Zwangsvollstreckung
Stichworte:
Definitive Rechtsöffnung, Forderung, Verjährung, Verlustschein
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SchKG 80 f.; SchKG 30a + SchKG 149a Abs. 1

Einleitung

Im Fall 5A_375/2017 stellte sich vor Bundesgericht im Zusammenhang mit einer definitiven Rechtsöffnung die Frage, ob die mit ausländischem Schiedsurteil zugesprochene und in einem Verlustschein verurkundete Forderung verjährt sei oder nicht.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer A.________ verlangte gegen B.________ die definitive Rechtsöffnung über Fr. 16’695’999.20 und stützte sein Rechtsöffnungsgesuch auf den Verlustschein vom 31.12.2010 sowie die beiden SIAC-Schiedsurteile aus dem Jahre 2002.

Er hat sich somit auf die ursprünglichen Schuldtitel als definitive Rechtsöffnungstitel gestützt und mit der Vorlage des Verlustscheines die besondere Verjährbarkeit der Forderungen belegt.

Mit Entscheid vom 19.12.2016 wies das Kantonsgericht Zug (Einzelrichter) das Gesuch um Rechtsöffnung ab.

Gegen den Rechtsöffnungsentscheid erhob A.________ Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 28.03.2017 abwies.

Mit Eingabe vom 15.05.2017 hat A.________ Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht erhoben.

Erwägungen der Vorinstanz

Nach Auffassung des Obergerichts hat die Verjährungsregelung gemäss SchKG 149a Abs. 1 allgemein keine Bedeutung, wenn auf die im Verlustschein verurkundete Forderung nicht schweizerisches Recht anwendbar sei.

Erwägungen Bundesgericht

Das Bundesgericht befasste sich zusammengefasst insbesondere mit folgenden Aspekten:

  • Definitive Rechtsöffnung gestützt auf Schiedsurteil mit Pfändungsverlustschein
    • Definitive Rechtsöffnung bei Schiedsurteil
      • Mit Bezug auf die definitive Rechtsöffnung gestützt auf ein Schiedsurteil sowie auf den Pfändungsverlustschein würden für die Verjährung folgende Regeln, die im Grundsatz unbestritten seien:
        • Recht des Schuldners, auch gegen ausländische Entscheide, welche gemäss Staatsverträgen oder dem IPRG vollstreckbar seien, gemäss SchKG 81 Abs. 3 a. die Einrede der nachträglichen Verjährung (SchKG 81 Abs. 1) erheben
        • Recht des (Pfändungs-)Gläubigers den für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein (SchKG149 Abs. 1) zu erhalten
          • Verlustschein gelte als Schuldanerkennung im Sinne von SchKG 82
          • Möglichkeit des Gläubigers, den Verlustschein zur provisorischen Rechtsöffnung vorzulegen (SchKG 149 Abs. 2)
          • Sei für eine in einem Urteil festgestellte Forderung ein Verlustschein ausgestellt worden, könne sich der Gläubiger nebst des Verlustscheins auf den ursprünglichen Schuldtitel berufen und die definitive Rechtsöffnung verlangen
        • Für die im Verlustschein verurkundete Forderung habe der Schuldner persönlich – anders als ein allfälliger Mitverpflichteter – keine Zinsen zu zahlen (SchKG 149 Abs. 4)
          • Gemäss SchKG 149a Abs. 1 verjähre die Verlustscheinforderung
            • gegenüber dem Schuldner 20 Jahre nach der VS-Ausstellung
            • gegenüber seinen Erben 1 Jahr nach Eröffnung des Erbganges
          • Gleiche Rechtswirkungen habe auch der Konkursverlustschein (SchKG 265 Abs. 2)
    • Anwendbares Recht und Vorrang IPRG oder SchKG?
      • Das Bundesgericht geht auf den vorinstanzlichen Hinweis auf SchKG 30a ein, wonach das IPRG, soweit es spezielle Regeln für internationale Sachverhalte aufstelle, dem SchKG als  lex specialisvorgehe und hält fest, dass das Obergericht zu Recht ausgeführt habe, dass insoweit, als im Rahmen einer Betreibung materielles Recht anzuwenden sei, das IPRG bestimme, welches Recht Anwendung finde, wobei die Unterscheidung zwischen Betreibungs- und Privatrecht nach schweizerischem Recht erfolge
      • Wenn es um die Anwendung von SchKG 30a gehe, sei aber zu beachten, dass die internationalen Sachverhalte in Zusammenhang mit dem Zwangsvollstreckungsrecht ganz unterschiedliche Struktur und Intensität des Auslandbezugs aufweisen würden, so dass die Frage des Vorrangs des IPRG vor dem SchKG bezogen auf den Sinn jeder einzelnen Bestimmung und bezogen auf jede Fallkonstellation separat zu prüfen sei
      • Darauf sei im Folgenden einzugehen.
    • Zwangsvollstreckungsrecht ohne Regelung in SchKG 149a Abs. 1 zur Verjährung
      • Ob ein relevanter Auslandbezug vorliege, wenn die ursprüngliche Forderung nach ausländischem Recht verjähre, und deshalb das IPRG vorgehe, richte sich – so das Bundesgericht – nach Sinn und Zweck des Verlustscheines bzw. seiner Wirkungen und dem Zusammenhang mit dem Zwangsvollstreckungsrecht:
        • Der Verlustschein entfalte mit der – erwähnten – besonderen Verjährbarkeit und Unverzinslichkeit der Verlustforderung bestimmte Wirkungen, die dem materiellen Recht zugeordnet werden müssten
        • Die besondere Art der Verlustforderung liege darin, dass das Zwangsvollstreckungsrecht die weitere Schuldexekution nach ungenügender Zwangsvollstreckung seit jeher mit zwei Privilegien ausstattet habe, teils zG des Schuldners und teils zG des Gläubigers:
          • ausserordentlich lange Verjährungsfrist
          • Unverzinslichkeit der Verlustforderung gegenüber dem Schuldner
        • Sollten die beiden Privilegien dem Schuldner und dem Gläubiger in der Zwangsvollstreckung in der Schweiz zugutekommen, sei ihre Anwendung unabhängig davon gerechtfertigt, ob auf die Forderung ausländisches oder schweizerisches Recht anwendbar sei
    • Ergebnis zur Kapitalforderung
      • Die Nichtanwendung der Verjährungsfrist von SchKG 149a Abs. 1 lasse sich nicht mit dem Vorrang des IPRG gemäss SchKG 30a begründen
      • Die Vorinstanz hat die Frage der Verjährung (SchKG 81 Abs. 1) der Forderung, für welche der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsöffnung einen Verlustschein vorgelegt habe, zu Unrecht nicht nach SchKG 149a Abs. 1 beurteilt
      • Die ordentliche Verjährungsfrist der am 05.09.2002 in Betreibung gesetzten Forderungen, welche im Verlustschein vom 31.12.2010 verurkundet seien, sei durch die 20-jährige Verjährungsfrist ersetzt worden, welche mit Ausstellung des Verlustscheines begonnen habe
      • Die Rüge der Bundesrechtsverletzung sei begründet und die Beschwerde daher gutzuheissen
      • Daher sei die definitive Rechtsöffnung antragsgemäss zu gewähren
    • Ergebnis bei den Betreibungskosten
      • Für die Betreibungskosten, bezüglich welcher der Beschwerdeführer ebenfalls die Rechtsöffnung verlange, sei die Beseitigung des Rechtsvorschlages insofern überflüssig, als gemäss SchKG 68 Abs. 2 von den Zahlungen des Schuldners die Kosten vorab erhoben werden könnten
      • Dem Beschwerdeführer fehlte diesbezüglich ein schutzwürdiges Interesse zur Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen vorinstanzlichen Entscheides.

Fazit

Es waren die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Gutheissung der Beschwerde gegeben: Das angefochtene Urteil war aufzuheben, die anbegehrte definitive Rechtsöffnung zu erteilen und der Beschwerdegegner für kosten- und entschädigungspflichtig zu erklären.

Entscheid

  • Gutheissung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden konnte, und Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 28.03.2017
  • Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. yyy des Betreibungsamtes Zug (Zahlungsbefehl vom 23.05.2016) für den Betrag von Fr. 16’695’999.20
  • Rückweisung der Sache zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz
  • Auferlegung der Gerichtskosten von Fr. 50’000.—aus dem bundesgerichtlichen Verfahren dem Beschwerdegegner
  • PE des Beschwerdegegners zG des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 50’000.–
  • Rückerstattung der Sicherheitsleistung an die Bundesgerichtskasse bezahlte Sicherheitsleistung von Fr. 50’000.— an den Beschwerdeführer
  • Mitteilung des Urteils den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung.

Quelle

BGer 5A_375/2017 vom 13.06.2018   =   BGE 144 III 360 ff.

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