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Rechtsöffnung / Rechtsöffnungsverfahren

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Rechtsöffnungstitel

Rechtsgebiet:
Rechtsöffnung / Rechtsöffnungsverfahren
Stichworte:
Rechtsöffnung, Rechtsöffnungsverfahren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Anforderungen

Definitive Rechtsöffnungstitel im Sinne von SchKG 80 müssen immer folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Es muss sich klar um eine hoheitliche Anordnung handeln.
  • Die anordnende Behörde und der mit der Anordnung Verpflichtete müssen dar-aus klar erkennbar sein.
  • Der Verpflichtete muss im Verfahren, welche zum Erlass der Anordnung geführt hat, Parteistellung gehabt haben.
  • Der Forderungsbetrag muss klar feststehen.
  • Die Fälligkeit muss zumindest bestimmbar sein.
  • Es muss sich um eine klare Verpflichtung zur Zahlung des aufgeführten Betrages handeln.
  • Die hoheitliche Anordnung muss die Anforderungen des Rechts des erlassenden Gemeinwesens an solche Anordnungen erfüllen.
  • Schliesslich muss die Anordnung mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und rechtskräftig sein.

Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben oder ist die hoheitliche Anordnung offensichtlich nichtig, wird das Rechtsöffnungsbegehren abgewiesen.

Gerichtsurteile

Urteile der kantonalen Gerichte und der Bundesgerichte werden in allen Kantonen ohne Weiteres gegenseitig anerkannt und sind vollstreckbar. Rechtskräftige Gerichtsurteile, seien es Zivil-, Straf- oder Verwaltungsgerichtsurteile, sind somit genügende definitive Rechtsöffnungstitel, wenn daraus der zu bezahlende Betrag genügend klar hervorgeht.

Gerichtliche Vergleiche

Vor Gericht geschlossene Vergleiche (auch solche vor Friedensrichter / im Sühnverfahren) sind gerichtlichen Urteilen gleichgestellt.

Gerichtlicher Vergleich (mit Suspensivbedingung)

Dem gerichtlichen Vergleich kommt materielle Rechtskraft zu. Er ist wie ein Urteil zu vollstrecken. Sofern und soweit er eine Suspensivbedingung enthält, obliegt es dem Gläubiger, deren Eintritt zu beweisen, es sei denn, der Bedingungseintritt werde vom Schuldner vorbehaltlos anerkannt oder sei notorisch. Ein gerichtlicher Vergleich ist nur insoweit vollstreckbar, als das Vollstreckungsgericht keine eigene Erkenntnistätigkeit entfalten muss. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Auslegung des Vergleichs im Verfahren auf definitive Rechtsöffnung ausgeschlossen.

Vgl. BGE 5A_533/2017 vom 23.10.2017 = BGE 143 III 564 ff.

Literatur

  • AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 19 Rz. 22
  • SPÜHLER, Der gerichtliche Vergleich, 2015, S. 7
  • TAPPY, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. 2019, N. 18a zu Art. 241 ZPO
  • REISER/JENT-SØRENSEN, Der Vergleich und seine Anfechtung, in: Festschrift für Isaak Meier, 2015, S. 565
  • PLATZ, Der Vergleich im schweizerischen Recht, 2013, S. 141 und S. 155 sowie S. 339

Definitive Eintragung Bauhandwerkerpfandrecht

Das Urteil, mit welchem eine definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts angeordnet wird, stellt keinen definitiven Rechtsöffnungstitel dar (vgl. BGE 138 III 132 = Pra 2012 Nr. 89 = ZBGR 2013, S. 412 ff.).

Verwaltungsentscheide der Kantone und des Bundes

Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden sind Kraft Bundesrecht den Gerichtsurteilen gleichgestellt und ohne Weiteres vollstreckbar (SchKG 80 II Z.2). Damit sind nicht nur die Verwaltungsentscheide des Bundes (z.B. eidgenössische Steuerverwaltung, LSVA, usw.), sondern auch die Entscheide von Verwaltungsbehörden der Kantone überall in der Schweiz vollstreckbar.

Das Konkordat über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe zur Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche wurde mit Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung am 01.01.2011 aufgehoben.

Damit die Verwaltungsverfügung einer schweizerischen Behörde als definitiver Rechtsöffnungstitel gilt und aufgrund von SchKG 80 Abs. 2 Zifer 2 vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen gleichgesetzt ist, müssen folgende Voraussetzungen – kumulativ – gegeben sein:

  • Der Verwaltungsentscheid muss in Rechtskraft erwachsen sein
  • Die Behörde oder Amtsstelle muss in der Verfügung als Gläubigerin mit Adresse erwähnt sein
  • Der Schuldner muss mit seiner Anschrift in der Verfügung aufgeführt sein
  • Die Verfügung muss dem Gläubiger vorbehaltlos einen bestimmten Geldbetrag zusprechen
    • Ist der Geldanspruch unter eine Bedingung gestellt, liegt nur dann ein ausreichender Rechtsöffnungstitel vor, wenn der Bedingungseintritt urkundlich nachgewiesen ist
  • Der Forderungsbetrag muss in seiner Höhe bestimmt oder ohne weiteres sofort bestimmbar sein
  • Der Forderungsbetrag muss in formelle Rechtskraft erwachsen sein.
  • Der Verwaltungsentscheid darf nicht nichtig sein (Beispiel für einen nichtige Entscheid: Verfügung einer offensichtlich unzuständigen Behörde)

Hinweise

Für die Prüfung der Zulässigkeit einer definitiven Rechtsöffnung aufgrund eines Verwaltungsentscheids sind zu beachten:

  1. Prüfung, ob tatsächlich eine öffentlich-rechtliche Forderung vorliegt.
  2. Abklärung der Postulationsfähigkeit (Recht, rechtswirksame Handlungen) für die Einleitung der Betreibung auf Seiten des Gemeinwesens.
  3. Prüfung der Anforderungen an eine Verwaltungsverfügung im Hinblick auf das Vorliegen eines Rechtsöffnungstitels.

Die fiskalische oder strafrechtliche Beschlagnahme geht gemäss SchKG 44 der Zwangsvollstreckung selbst dann vor, wenn sie für öffentlich-rechtliche Ansprüche später erfolgt ist.

Vorausssetzung:

  • Zu erfassender Vermögenswert hat in einem hinreichend engen Zusammenhang zu einem Straf- oder Steuerverfahren stehen

Literatur

Allgemein

  • VOCK-KuKo-SchKG, 2. Auflage, Basel 2014, N 24 ff. zu Art. 80 SchKG
  • VOCK-KuKo-SchKG, 2. Auflage, Basel 2014, N 1 zu Art. 81 SchKG
  • BSK SchKG I- Staehelin D., Art. 80 SchKG, N 120, N 123, N 124 (m.w.H.) und 130 ff.
  • SPÜHLER KARL, Probleme der Schuldbetreibung für öffentlichrechtliche Geldforderungen, in: Schweizerisches Zentralblatt 1999, S. 259
  • SPÜHLER KARL / PFISTER SUSANNE B., Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Band 1, 3. Auflage, Zürich 2003, S. 13

Vorrang der fiskalischen oder Strafrechtlichen Beschlagnahme

  • ROHNER-KuKo-SchKG, 2. Auflage, Basel 2014, N 2 zu Art. 44 SchKGSchKG
  • KARLEN PETER, Privilegien des Staates bei der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen, in: Schweizerisches und Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, FS für Karl Spühler, 2005, 149 ff., insbeso S. 156SchKG
  • GREINER GEORGES / AKIKOL DIANA, Grenzen der Vermögenseinziehung bei Dritten (Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) – unter Berücksichtigung von zivil- und verfassungsrechtlichen Aspekten, in: AJP 11/2005, S. 1341 ff.

Entscheide der Kontrollorgane gegen Schwarzarbeit

Die endgültigen Entscheide der Kontrollorgane gegen Schwarzarbeit, die Kontrollkosten zum Inhalt haben, sind ebenfalls definitive Rechtsöffnungstitel.

Vollstreckbare öffentliche Urkunden

Wird in einer öffentlichen Urkunde von der verpflichteten Partei ausdrücklich die direkte Vollstreckung anerkannt und sind die weiteren Voraussetzungen von ZPO 347 erfüllt, liegt eine vollstreckbare öffentliche Urkunde vor. Wird in einer solchen Urkunde eine Geldforderung anerkannt, stellt die vollstreckbare öffentliche Urkunde einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar (ZPO 349 u. SchKG 80 II Z. 1bis).

Eine gerichtliche Beurteilung der geschuldeten Leistung bleibt vorbehalten (ZPO 352). Bei vollstreckbaren öffentlichen Urkunden über Geldforderungen kann der Schuldner deshalb insbesondere eine negative Feststellungsklage (SchKG 85a) oder eine Rückforderungsklage (SchKG 86) erheben.

Mietzinsherabsetzung

Die Klage auf Mietzinsherabsetzung (OR 270 f.) führt zu

  • einem Gestaltungsurteil oder
  • einem Vergleich.

Die Wirkung des Gestaltungsurteils ist beschränkt auf die Festlegung der Höhe des geschuldeten Mietzinses. In diesem Sinne ergänzt es die bis dahin gültige Vereinbarung der Parteien.

Es stellt somit kein Titel für eine definitive Rechtsöffnung im Sinne von SchKG 80 dar:

  • Er ist lediglich eines der Dokumente, deren Zusammenführung die Annahme eines provisorischen Rechtsöffnungstitels im Sinne von Art. 82 SchKG ermöglicht (Ausführungen des Bundesgerichts zur bisherigen Rechtsprechung und Lehre in dieser Frage).

Literatur

  • HIGI PETER, Zürcher Kommentar, Die Miete, Art. 269-270e OR, 4. Auflage 1998, Nr. 84 zu Art. 270 OR (Mietzinsherabsetzung als Gestaltungsurteil kein Titel für eine definitive Rechtsöffnung, sondern nur als Teildokument für eine provisorische Rechtsöffnung)

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