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Verkehrsrecht

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Entzug CH-Führerausweis wegen Verkehrsregelverletzung im Ausland

Datum:
07.01.2020
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Verkehrsrecht
Stichworte:
Führerausweisentzug, Strassenverkehrsrecht, Verkehrsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 16c bis Abs. 2 Satz 1

Einleitung

Immer wieder sind schweizerische Lenker überrascht, wenn ihnen nach einer Verkehrsregel-Verletzung im Ausland (mit Entzugsfolge) später und zusätzlich auch der schweizerische Führerausweis entzogen werden soll.

Nachfolgend soll die Thematik, die Betroffene brennend interessiert, kurz erläutert werden.

Entzug CH-Führerausweis nach Auslandverkehrsdelikt

Grundsätzlich kann eine Verkehrswiderhandlung im Ausland auch in der Schweiz unter folgenden Voraussetzungen zu einer Administrativmassnahme (zB Führerausweisentzug) führen:

  • Anordnung eines Fahrverbots im Ausland
  • Mitteilung der Fahrverbots-Anordnung an die Schweiz
  • Vorliegen einer nach schweizerischem Recht als mittelschwer oder schwer zu qualifizierenden Widerhandlung.

Es muss sich also um einen gröberen Verkehrsverstoss und nicht um eine Bagatell-Regelverletzung handeln; lediglich mit Busse geahndete, geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen, ein Falschparken o.ä dürften auch im Ausland nicht zu einem Fahrverbot führen.

Rechtsgrundlage

Seit Inkrafttreten des  Art. 16c bis SVG am 01.09.2008 kann ein schweizerischer Führerausweis auch entzogen werden, wenn der Fahrer im Ausland delinquiert hat.

Gemäss SVG 16cbis Abs. 2 sind bei der Festlegung der Entzugsdauer des schweizerischen Führerausweises die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen.

Die Wirkungen des ausländischen Entzugs sind dabei gemäss Gesetz zu berücksichtigen.

Welche Kriterien im Einzelnen zu berücksichtigen sind, hat das Bundesgericht in BGE 1C_538/2014 vom 09.06.2015 entschieden (> Entzugsdauer, > Rechtsprechung + > Praxis).

Vgl. auch Verkehrsdelikt im Ausland: Schweizer Behörden dürfen nicht strenger ahnden als ausländische | bnlawyers.ch

Entzugs-Kompetenz

Begeht eine Person mit schweizerischem Wohnsitz im Ausland ein Strassenverkehrsdelikt, ergibt sich folgende Situation:

  • Tatort-Kompetenz
    • Recht des Tatortstaates, allein mit Wirkung auf das eigene Staatsgebiet eine Administrativmassnahme zu verhängen
  • Keine extraterritorialen Rechte der Behörde am Tatort
    • Kein Recht des Tatortstaates, den schweizerischen Führerausweis zu entziehen
    • Die Wirkung der im Ausland verfügten Administrativmassnahme ist daher (örtlich) beschränkt
    • Deshalb sieht das Strassenverkehrsgesetz (SVG) unter bestimmten Voraussetzungen den Entzug des schweizerischen Führerausweises durch die schweizerische Behörde vor
  • Wohnort-Kompetenz (zum Führerausweisentzug nur unter Bedingungen)
    • Gemäss SVG 16cbis 1 wird nach einer Widerhandlung im Ausland der Führerausweis in der Schweiz entzogen,
      • wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und
      • die Widerhandlung als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist.

Entzugs-Dauer

Gemäss SVG 16cbis Abs. 2 sind bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf den betroffenen Lenker angemessen zu berücksichtigen, wobei die Mindestentzugsdauer unterschritten werden darf:

  • Ersttäter
    • Die Entzugsdauer darf bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind (sog. Ersttäter), die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (vgl. SVG 16cbis 2)
    • Die schweizerische Administrativbehörde darf somit bei Ersttätern keine strengere Wertung vornehmen als die ausländische Behörde
    • Auch wenn nach schweizerischem Recht ein längeres Fahrverbot gerechtfertigt wäre, ist dies ohne Belang
    • Zweck dieser Beschränkung ist die Vermeidung einer Doppelbestrafung
  • Rückfalltäter
    • Bei Rückfalltätern darf die schweizerische Behörde die Dauer des ausländischen Fahrverbots überschreiten
  • Schuldangemessene Gesamtsanktion
    • Allgemein
      • Die im Ausland und in der Schweiz ausgesprochenen Sanktionen sollen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein
    • Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf den Lenker
      • Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen
    • Angemessenheit
      • Mit dem Begriff „angemessen“ soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das ausländische Fahrverbot die betroffene Person unterschiedlich stark oder gar nicht treffen kann
    • Betroffenheit vom ausländischen Fahrverbot
      • Fehlbare Lenker können vom ausländischen Fahrverbot unterschiedlich betroffen sein, je nachdem, ob sie am ausländischen Begehungsort – privat oder beruflich – öfters, wenig oder gar nicht (mehr)
    • Einzelfallgerechtigkeit
      • Es sind somit die Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen.

Rechtsprechung

Das Bundesgericht in BGE 1C_538/2014 vom 09.06.2015 die Entzugskriterien präzisiert:

  • Keine Verletzung Übermassverbot
    • Die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzuges sei so festzulegen, dass der Lenker unter Berücksichtigung der Belastung, die der Vollzug des ausländischen Fahrverbots für ihn darstelle, eine Sanktion zu tragen habe, die gesamthaft der schweizerischen entspreche
  • Unrechtsgehalt am Deliktsort
    • Für die Entzugsdauer komme es lediglich auf den Unrechtsgehalt am Begehungsort an
  • Wertung der Verkehrsregelverletzung durch die ausländische Behörde
    • Wenn die ausländische Behörde eine Verkehrsregelverletzung anders werte und insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitung milder ahnde, habe dies die schweizerische Behörde hinzunehmen
  • Massgeblichkeit des Gesamt-Sanktionen-Pakets
    • Die schweizerische Administrativbehörde müsse in diesem Sinne für die Massnahmen-Anordnung ein Gesamtpakt von ausländischer und schweizerischer Massnahme, welches die Schuld angemessen berücksichtige, bilden.

Praxis

Das Bundesgerichtsurteil BGE 1C_538/2014 vom 09.06.2015 hat Klärung gebracht und verlangt in der Entzugspraxis die:

  • Einzelfallbetrachtung durch die schweizerischen Administrativbehörden
  • Nichtbeachtung des Umstandes, dass das ausländische Fahrverbot nach schweizerischen Massstäben allenfalls zu tief ausgefallen ist
  • Bildung eines Gesamtpakts von ausländischer und schweizerischer Massnahme, welches der Schuld angemessen ist.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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