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Haftpflicht- und Versicherungsrecht / Verkehrsrecht

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Motorradunfall: Genugtuungskürzung wegen Selbstverschuldens

Datum:
12.02.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Verkehrsrecht
Stichworte:
Genugtuung, Gutachten, Schadenersatz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 59 Abs. 1 und 2

Einleitung

Hinsichtlich der – nebst Schadenersatz – eingeklagten Genugtuung ging es um die Frage, ob ein grobes, kausalitätsunterbrechendes und haftungsausschliessendes Selbstverschulden vorlag oder ein bloss leichtes Selbstverschulden, welches nur zu einer Haftungskürzung führt.

Sachverhalt

Der Lenker eines Miet-Motorrades verunglückte bei einem Selbstunfall in Göschenen in der Nähe der Häderlisbrücke tödlich.

Die Ehefrau (Klägerin/Beschwerdegegnerin 1) des Verstorbenen sowie deren gemeinsame vier Söhne (Kläger/ Beschwerdegegner 2-5) verlangten in der Folge Schadenersatz sowie Genugtuung vom Haftpflichtversicherer des Motorradvermieters. Die Versichererin (Beklagte / Beschwerdeführerin) widersetzte sich und stellte sich auf den Standpunkt, dass ihre Haftung aufgrund eines schweren Selbstverschuldens des verstorbenen Motorradlenkers entfalle.

Prozess-History

  • Handelsgericht des Kantons Zürich
    • Das angerufene Handelsgericht des Kantons Zürich ging von einem leichten Verschulden des Verunfallten aus und kürzte die Genugtuungsforderungen um 10%
  • Bundesgericht
    • Der Haftpflichtversicherer erhob dagegen Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht.

Erwägungen

Von besonderem Interesse ist das Verschulden.

Die Unfallkenndaten waren:

  • Mietmotorrad
  • Kein geübter Motorradfahrer
  • Fehlende Streckenkenntnis
  • Linkskurve
  • Mögliche Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
  • Passierbarkeit der Kurve für geübten Fahrer mit 70 km/h problemlos möglich
  • Kollisionsgeschwindigkeit: ca. 63 km/h (= angemessene Geschwindigkeit)

Die Analyse des Unfallgutachters ergab, dass nebst des Selbstverschuldens seien noch weitere Unfallursachen denkbar, wie:

  • Fahrdynamik des Motorrads
  • Bodenunebenheiten
  • Korrektur der Fahrlinie durch ein unerwartetes Ereignis
  • etc.

Dies seien typische Unfallursachen, die ganz oder teilweise ausserhalb des Herrschaftsbereichs des Verunfallten lägen. Der Gutachter könne keine konkrete Unfallursache angeben.

Die Vorinstanz schloss daher nicht aus, dass ausserhalb des Herrschaftsbereichs des Verunfallten liegende Elemente den Unfall mitverursacht haben könnten. Der Anscheinsbeweis, wonach der Unfall einzig auf die überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sei, wurde von der Beschwerdeführererin nicht erbracht.

Das Bundesgericht erwog – wie die Vorinstanz – :

  • Annahme des Erfordernisses einer weiteren Geschwindigkeitsreduktion
  • Annahme eines leichten Verschuldens und Kürzung der Leistung aus Haftpflicht um 10%.
  • Kein grobes, kausalitätsunterbrechendes und haftungsausschliessendes Selbstverschulden
  • Keine Möglichkeit der Beschwerdeführerin auf den sog. Anscheinsbeweis stützen, wonach mangels anderer Unfallursachen der Unfall einzig auf ein Fehlverhalten des Verunfallten zurückzuführen sei, weshalb die Ersatzpflicht entfiele.

Fehlt es an einem groben Selbstverschulden, bestimmt das Gericht gemäss SVG 59 Abs. 2 die Ersatzpflicht unter Würdigung sämtlicher Umstände. In Ermessensbeurteilungen greift das Bundesgericht nur mit grösster Zurückhaltung ein. Die Kürzung der Ersatzpflicht um 10% wegen leichten Selbstverschuldens war daher nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde wurde daher abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Quelle

BGer 4A_290/2018 vom 11.10.2018

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