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Unbefugtes Aufnehmen von Gesprächen: Erweiterte Auslegung des Begriffs des «nichtöffentlichen» Gesprächs

Datum:
02.03.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafrecht
Stichworte:
Freiheitsstrafe
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Änderung der Rechtsprechung

Das Bundesgericht hat im Fall 6B_943/2019 den Schuldspruch des Genfer Kantonsgerichts wegen unbefugten Aufnehmens von Telefongesprächen mit einem Polizeibeamten bestätigt. Das Gespräch müsse sich, um als «nichtöffentlich» qualifiziert werden zu können, nicht zwingend auf den Geheim- oder Privatbereich der Beteiligten beziehen oder im Rahmen persönlicher oder geschäftlicher Beziehungen stattfinden.

Der Beschwerdeführer hatte ohne Vorwarnung mehrere Telefongespräche aufgezeichnet, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit einem Polizeibeamten geführt hatte. Anschliessend verbreitete er die Aufnahmen per E-Mail im beruflichen Umfeld des Polizisten, weshalb dieser Strafantrag stellte.

Vor erster und zweiter Instanz wurde der Beschwerdeführer des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen (StGB 179ter) schuldig gesprochen.

Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, dass die aufgezeichneten Gespräche im Rahmen der amtlichen Tätigkeit des Polizeibeamten geführt worden seien. StGB 179ter sei den Straftaten gegen den Geheim- oder Privatbereich zuzuordnen und folglich auf den inkriminierten Sachverhalt nicht anwendbar.

1982 hatte das Bundesgericht im Leitentscheid BGE 108 IV 161 festgehalten, dass ein nichtöffentliches Gespräch den privaten Bereich berühren müsse, um den strafrechtlichen Schutz von StGB 179ter geniessen zu können. Dies sei bei Gesprächen persönlicher oder geschäftlicher Natur der Fall.

In Berücksichtigung des Zwecks von StGB 179ter und der herrschenden Lehre änderte das Bundesgericht nun seine diesbezügliche Rechtsprechung:

  • Zweck dieser Strafbestimmungen sei es, dem Einzelnen zu erlauben, sich mündlich frei äussern zu können, ohne befürchten zu müssen, dass
    • seine Aussagen gegen seinen Willen aufgezeichnet würden und
    • die ohne Hintergedanken ausgesprochenen Worte auf diese Weise verewigt würden
  • Folglich sei es nicht entscheidend,
    • ob die Äusserungen den Geheim- oder Privatbereich beträfen und
    • in welcher Eigenschaft die Beteiligten diese getätigt hätten.

Vorliegend seien die Gespräche zwischen dem Beschwerdeführer und dem Polizeibeamten nicht dazu bestimmt gewesen, von Dritten gehört zu werden.

Zudem sei das Recht des Polizisten, sich frei zu äussern, nicht dadurch beschränkt gewesen, dass die Gespräche seine amtliche Tätigkeit betrafen.

Die Gespräche seien demzufolge als «nichtöffentlich» einzustufen gewesen, weshalb das Bundesgericht den Schuldspruch des Kantonsgerichts Genf wegen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen bestätigte.

Urteil des Bundesgerichts vom 07.02.2020 (6B_943/2019) 

Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 28.02.2020, 12.01 Uhr

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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