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Strafprozess / Strafverfahren

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Polizeikosten als Gebühren – Keine Anknüpfung der Gebühren an der Sanktionshöhe

Datum:
30.11.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafprozess / Strafverfahren
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

StPO 422 Abs. 1 und 2; § 15 Abs. 1 und 2 VKD/AG – Praxisänderung bei Kosten von Strafbefehl und Polizei bei Verkehrsregel-Verletzung

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin rügte, dass die Polizeikosten nicht ihr als Beschuldigter als Auslagen auferlegt werden dürften.

Vorinstanz

Die Vorinstanz ging davon aus, dass die Pauschalen gemäss § 15 Abs. 2 VKD/AG als Bestandteil der in § 15 Abs. 1 VKD/AG geregelten Gebühren zu betrachten seien und nicht Auslagen gemäss StPO 422 Abs. 2 darstellten.

Erwägungen des Bundesberichts

Gebühr und nicht Kosten

Das Bundesgericht (BGer) erwog, dass die Überbindung von Kosten für polizeiliche Dienstleistungen nicht ausgeschlossen sei; eine Überbindung dürfe aber nicht ohne gesetzliche Grundlage, unter dem Deckmantel von Auslagen gemäss StPO 422 Abs. 2 lit. d, erfolgen. Die Kantone könnten daher in ihren Erlassen Gebühren für die Polizeitätigkeit gemäss StPO 422 Abs. 1 bestimmen. Der Aargauer Gesetzgeber habe mit § 15 Abs. 2 VKD/AG von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die auferlegten Polizeikosten bildeten hier eine Gebühr gemäss StPO 422 Abs. 1.

Gebührenhöhe und Äquivalenzprinzip / Praxisänderung

Die Gebühren im Sinne von StPO 422 Abs. 1 dienten ausschliesslich der Deckung des Aufwands im konkreten Straffall.

In der Lehre wurde der Entscheid 6B_253/2019 vom 01.07.2019 dahingehend kritisiert, dass das strafrechtliche Verschulden allein für die Strafzumessung von Bedeutung sei und sich die Gebühren nach dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip zu richten hätten. Sinn und Zweck der Verfahrenskosten im Strafprozess sei die Abgeltung behördlichen Aufwands, nicht die zusätzliche Bestrafung für ein strafrechtliches Unrecht.

Die Berücksichtigung der Höhe der Sanktion – und damit des Verschuldens – führe zwangsläufig zu einer zusätzlichen Bestrafung, was unzulässig sei und dem Zweck der Gebührenerhebung widerspreche. – Am Entscheid 6B_253/2019 vom 01.07.2019 könne deshalb nicht festgehalten werden (= Praxisänderung).

Berücksichtigung des Verschuldens?

Ob allenfalls das Verschulden als Höchstgrenze berücksichtigt werden dürfe, um Gebühren zu vermeiden, die in keinem Verhältnis zur Schwere der Straftat stünden (…), könne laut BGer offenbleiben, zumal zwischen dem strafbaren Verhalten der Beschwerdeführerin und der Höhe der Gebühren im vorliegenden Fall kein offensichtliches Missverhältnis bestehe.

Die Rüge der Beschwerdeführerin, dass sich die Gebühr an der Sanktion zu orientieren habe, erweise sich als unbegründet, so das BGer.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde in Strafsachen
  • Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdeführerin.

Quelle

BGer 6B_1430/2019 vom 10.07.2020 = BGE 146 IV 196 ff.

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