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Cannabis am Steuer: Nulltoleranz-Rechtsprechung durch Bundesgericht bestätigt

Datum:
22.07.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafrecht, Verkehrsrecht
Stichworte:
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 55

Die vom Bundesrat (BR) resp. vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) festgelegte Nulltoleranzregel für Cannabis im Strassenverkehr ist gemäss neuestem Entscheid des Bundesgerichts (BGer) nicht zu beanstanden.

Das BGer bestätigt daher seine Rechtsprechung und hat die Beschwerde eines Fahrzeuglenkers gegen seine Verurteilung wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand abgewiesen.

Sachverhalt

Bei einem Autolenker waren 2018 bei einer Polizeikontrolle Anzeichen von Drogenkonsum festgestellt worden:

  • gerötete Augenbindehäute
  • leicht schwankender Gang.

Die daraufhin angeordnete Blut- und Urinprobe ergab einen Wert von 4,4 Mikrogramm des Cannabis-Wirkstoffs THC pro Liter Blut (μg/L).

Prozess-History

Der Mann wurde 2021 vom Obergericht des Kantons Aargau wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse von CHF 300 verurteilt.

Argumente des Autolenkers

Der fehlbare Fahrzeuglenker argumentierte im Wesentlichen:

  • Seine Fahrunfähigkeit sei zu Unrecht allein schon wegen der Überschreitung des THC-Grenzwerts von 1,5 μg/L bejaht worden
  • Dieser Grenzwert besage nichts über die Wirkung der Substanz aus und sei zu tief angesetzt.
  • Gemäss SVG 55 könne der BR für andere Substanzen als Alkohol Grenzwerte festlegen, bei deren Überschreitung eine Fahrunfähigkeit angenommen werde.
  • Für Cannabis habe der BR resp. das ASTRA den Grenzwert aber auf Verordnungsebene auf 1,5 μg/L festgelegt.
  • Dabei handle es sich um einen sog. Bestimmungsgrenzwert, der angebe, ab welcher Konzentration eine Substanz im Blut quantitativ überhaupt zuverlässig nachgewiesen werden könne.
  • Bestimmungsgrenzwerte seien von Wirkungsgrenzwerten zu unterscheiden:
    • Letztere würden – wie beim Alkohol – angeben, ab welcher Konzentration mit einer relevanten Einschränkung der Fahrfähigkeit gerechnet werden müsse.

Erwägungen des Bundesgericht

Das BGer überprüfe gemäss seinen Erwägungen Verordnungsregelungen des BR grundsätzlich nur darauf,

  • ob sie sich im Rahmen der delegierten Kompetenzen halten würden oder,
  • ob sie aus anderen Gründen gesetzes- oder verfassungswidrig seien.

Das BGer habe in diesem Sinne bereits in früheren Urteilen entschieden, dass

  • der BR resp. das ASTRA bei Cannabis die ihnen delegierten Rechtsetzungsbefugnisse mit der fraglichen Nulltoleranz-Regelung nicht überschritten hätten;
  • kein Anlass bestünde, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen.

Wohl werde die Nulltoleranz-Regelung bei Cannabis im Strassenverkehr bekanntlich in der Literatur kritisiert. Dabei würde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Nulltoleranz-Regelung durchaus auf die Entstehungsgeschichte der massgebenden Delegationsnorm stützen könne:

  • Tatsächlich sei in der Botschaft von 1999 zur Änderung des SVG in Bezug auf SVG 55 ausdrücklich erwähnt worden, dass es auch denkbar sei, einen Nullgrenzwert einzuführen.
  • Unter Berücksichtigung des historischen Auslegungselements habe der BR resp. das ASTRA damit durchaus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse gehandelt.
  • Die getroffene Regelung sei zumindest nicht unhaltbar, zumal auch nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht zuverlässig gesagt werden könne, wie die THC-Konzentration im Blut und die tatsächliche Wirkung zusammenhängen würden.

Laut BGer möge der THC-Grenzwert im Strassenverkehr zwar diskussionswürdig sein, eine andere Lösung sei aber vertretbar oder sogar vorzuziehen. Der THC-Grenzwert werde dadurch aber nicht willkürlich.

Das BGer bestätigte schliesslich die Ansicht der Vorinstanz, wonach der Autolenker, der am Vortag Cannabis konsumiert hatte, angesichts der körperlichen Auffälligkeiten und der deutlichen Überschreitung des THC-Grenzwerts seine Fahrunfähigkeit in Kauf genommen habe.

Entscheid

Das BGer wies die Beschwerde des betroffenen Autolenkers ab.

Urteil des Bundesgerichts 6B_282/2021 vom 23.06.2021

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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