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Auskunft über Eintrag im Schengener Informationssystem: fedpol hat Gesuch eines Journalisten vertieft zu prüfen

Datum:
02.08.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Datenschutzrecht
Stichworte:
Auskunft, Eintrag
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Art. 10 EMRK und Art. 17 BV

Das Bundesgericht (BGer) hiess die Beschwerde eines Journalisten teilweise gut, der beim Bundesamt für Polizei erfolglos um Auskunft über seine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) ersucht hatte.

Das Bundesamt für Polizei (fedpol) darf sich für die Auskunftsverweigerung nicht mit der ablehnenden Stellungnahme des ausschreibenden Staates begnügen und muss weitere Informationen einholen.

Sachverhalt

Ein Journalist hatte 2019 das Bundesamt für Polizei (fedpol) um Auskunft ersucht, ob er im SIS verzeichnet sei. Als Begründung gab er an, er werde seit fast zwei Jahren bei jeder Einreise in den Schengen-Raum angehalten und eingehend befragt.

Prozess-History

  • Nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden des ausschreibenden Staates* verwehrte das fedpol dem Journalisten die Auskunft, weil deren Erteilung den Zweck einer Strafuntersuchung oder eines anderen Untersuchungsverfahrens in Frage stellen würde.
  • Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) wies die Beschwerde des Journalisten in Bezug auf die Auskunft über Einträge im SIS ab.

Erwägungen des Bundesgerichts

Die Auskunftserteilung über eine Ausschreibung im SIS würden sich laut BGer nach dem Recht des Staates, in dem darum ersucht wird, richten.

Massgebend für die Auskunftserteilung durch die Schweizer Behörden sei:

  • Grundsatz
    • das Datenschutzgesetz, welches seinerseits auf die von der Schweiz zu beachtenden internationalen Verpflichtungen verweise
  • Vorbehalt
    • Eine Einschränkung des Auskunftsrechts komme unter anderem in Betracht, wenn der Ablauf einer Untersuchung sonst erheblich gestört werden könne
  • Ausschreibungswirkungen
    • Bei der fraglichen Ausschreibung handle es sich um
      • einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
      • ein Eingriff in die Pressefreiheit
  • Grundrechtseingriffe
    • Die erwähnten Grundrechtseingriffe und Beschränkungen des Rechtsschutzes seien nur soweit zulässig,
      • als sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig seienbzw.
      • als sie zum Schutz überwiegender Interessen erforderlich und verhältnismässig seien
  • Auskunftsvoraussetzung
    • Die um Auskunft ersuchte Behörde müsse sich daher vergewissern, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien:
      • Die Behörde sei dabei nicht an die Stellungnahme des ausschreibenden Staates gebunden;
      • In casu sei unbekannt, welches Untersuchungsverfahren gegen den Journalisten geführt werde;
      • Es fehlten hier nähere Angaben
      • zum Gegenstand der Untersuchung,
      • zu ihrer bisherigen Dauer und
      • zur Erforderlichkeit ihrer Fortsetzung
  • Weitere Abklärung
    • Weitere Abklärungen durch das fedpol seien jedenfalls geboten, wenn
      • Medienschaffende Gegenstand einer Ausschreibung seien und
      • nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass das Schengen-System für eine Überwachung missbraucht werde
  • Berichte aus dem Herkunftsstaat
    • Zahlreiche Berichte würden eine Verschlechterung der Pressefreiheit im ausschreibenden Staat hervorheben
  • Recherche-Notwendigkeit
    • Unter diesen Umständen dürfe sich das fedpol nicht mit dessen ablehnender Stellungnahme begnügen
    • Das fedpol müsse weitere Informationen
      • einholen
      • über die Art und die Dauer der laufenden Untersuchungen und
      • überprüfen,
      • ob sich eine Verweigerung der Auskunft rechtfertigen lasse
  • Beurteilung weiterer Recherchen
    • Diese Vorgehensweise entspreche dem Schengen-Übereinkommen und erscheine nicht geeignet, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der Schweiz im Schengen-Raum und ihre Beziehungen zum ausschreibenden Staat oder zur ganzen Schengen-Gemeinschaft ernsthaft zu gefährden.

Entscheid

  • Das BGer hiess die Beschwerde des Journalisten teilweise gut und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und zu neuem Entscheid zurück an das fedpol.

*Das BGer äussere sich in seinem öffentlich zugänglichen Urteil nicht zum betroffenen Staat; entsprechende Passagen seien daher geschwärzt.

Urteil des Bundesgerichts 1C_597/2020 vom 14.06.2021

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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