Tipps zum Direktforderungsrecht gegenüber Haftpflichtversicherern
Einleitung
Das revidierte Versicherungsvertragsgesetz (VVG) tritt am 01.01.2022 in Kraft.
Der Bundesrat (BR) hatte die Inkraftsetzung bereits am 11.11.2020 beschlossen.
Die relativ lange Dauer bis zur Inkraftsetzung sollte den Versicherern ausreichend Zeit geben, um ihre Abläufe und Systeme den umfangreichen Neuerungen anpassen zu können.
Revisionsziel
Die Gesetzesrevision bringt den Versicherungsnehmern bzw. Kunden Verbesserungen und die alte Gesetzgebung wird den neuen, veränderten Begebenheiten angepasst.
Auf die wichtigsten Gesetzesänderungen wird nachfolgend kurz eingegangen.
Die Anpassungsbereiche
Der Gesetzgeber hat sich bei der Gesetzesrevision vor allem folgender Bereiche angenommen:
- Produktgestaltung
- Vertrieb
- Schadenserledigung
- Vertragsauflösung.
Die Anpassungspunkte
Die neuen Regeln:
- Vertragsabschlüsse vor dem Inkrafttreten 01.01.2022
- Erleichterte Formvorschriften
- Widerrufsrecht von 14 Tagen
- Direktes Forderungsrecht gegenüber Haftpflichtversicherern
- Schadenanzeige-Verjährungsfrist
- Ordentliches Kündigungsrecht
Vertragsabschlüsse vor dem Inkrafttreten vom 01.01.2022
Bei Abschluss eines Versicherungsvertrags im laufenden Jahr, mit Wirkungsbeginn nach dem 01.01.2022, gelten bereits die neuen, überarbeiteten AVB (Allgemeine Vertragsbedingungen) des Versicherers.
Erleichterte Formvorschriften
Wo das VVG Formvorschriften vorsieht, werden die Anforderungen an die Schriftlichkeit gelockert, um die Abwicklung zu vereinfachen und den elektronischen Geschäftsverkehr zu ermöglichen:
- Künftig ist jede Kommunikationsform zulässig, die den Nachweis in Textform ermöglicht (zB e-Mails).
Widerrufsrecht von 14 Tagen
Versicherungsnehmer können neu innerhalb einer Bedenkfrist von 14 Tagen vom Versicherungsvertrag zurücktreten:
- Hiefür bedarf es nur einer Mitteilung, in schriftlicher oder anderer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht.
Direktes Forderungsrecht gegenüber Haftpflichtversicherern
Das direkte Forderungsrecht für Geschädigte wird auf alle Haftpflichtversicherungen ausgedehnt:
- Geschädigte können künftig ihre Ansprüche in allen Schadenfällen direkt beim Haftpflichtversicherer des Schadenverursachers geltend machen (bisher aus den Motorfahrzeughaftpflichtversicherungen bekannt).
In der Praxis bedeutet dies:
- Der Vermieter kann beispielsweise seine Mieterschäden künftig direkt beim Haftpflichtversicherer des Mieters geltend machen.
- Der Versicherer wird bei Eingang einer Schadenersatzforderung den Versicherungsnehmer voraussichtlich zur Schadensmeldung auffordern.
Voraussetzung ist, dass der Schädiger haftpflichtversichert ist und der Geschädigte dessen Haftpflichtversicherer in Erfahrung bringen kann.
Tipps:
- Haftpflichtfälle in Vertragsverhältnissen
- Vor allem bei Besitzesüberlassungsverträgen, aber auch bei sonstigen Vertragsverhältnissen, empfiehlt es sich, bei der Gegenpartei den Namen Haftpflichtversicherers (und die Policen-Nummer) in Erfahrung zu bringen sowie eine Meldepflicht bei einem Versichererwechsel zu vereinbaren.
- Ausservertragliche Haftpflichtfälle
- Im Falle anderer unerlaubter Handlungen ist beim Schädiger, sofern und soweit sofort möglich, dessen Haftpflichtversicherer in Erfahrung zu bringen.
- Schadenformular auf Mann oder Frau?
- Ob man ein Papier gleich dem bekannten Motorfahrzeughaftpflicht-Schadenformular für unbeabsichtigte Verletzungen im Alltag auf sich tragen will, in welchem die Haftpflichtversicherer-Daten (Name, Policen-Nummer) des Schädigers und die Gelegenheit zur einer Vorfall-Einzeichnung und –Beschreibung enthalten sind, muss jeder selber entscheiden.
Ob und inwieweit alle unerlaubten Handlungen diesen erweiterten Versicherungsschutz geniessen werden, wird die Gerichtspraxis weisen.
Schadenanzeige-Verjährungsfrist
Neu können Versicherungsansprüche gegenüber dem Versicherer binnen fünf Jahren (bisher zwei Jahre) nach Eintritt des Schadenereignisses geltend gemacht werden.
Ordentliches Kündigungsrecht
Bei sog. mehrjährigen Versicherungsverträgen erlaubt das VVG neu, dass beide Vertragsparteien den Vertrag auf Ablauf des dritten Versicherungsjahres oder auf Ablauf der darauffolgenden Versicherungsjahre ordentlich kündigen können.
Bei der Krankenkassen-Zusatzversicherung gilt besonderes:
- Dieses Kündigungsrecht steht nur dem Versicherungsnehmer zu.
- Der Versicherer darf den Versicherungsvertrag (selbst im Schadenfall) nicht auflösen.
Fazit
Die neuen, konsumentenfreundlichen Bestimmungen enthalten Änderungen, die sich in den Ablaufprozessen und Rechtswahrungen einfach umsetzen lassen.
Es ist davon auszugehen, dass binnen kurzer Zeit das Wissen um das neue Recht etabliert sein wird.
Einzig das Direktforderungsrecht gegenüber Haftpflichtversicherern dürfte die Gerichte vermehrt beschäftigen; es sind Abwehrprozesse der Versicherer zu befürchten.
Auf weitere Einzelheiten und die künftige Rechtsprechung wird inskünftig anlassbezogen eingegangen.
Weiterführende Informationen:
- Revision Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Inkraftsetzung per 01.01.2022
- 17.043 GESCHÄFT DES BUNDESRATES Versicherungsvertragsgesetz. Änderung | parlament.ch
- Revision Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Ständerat berät und bereinigt Vorlage | law-news.ch
- Versicherungsvertragsgesetz VVG: Totalrevision | law-news.ch
- Konsumentenvertragsrecht | konsumenten-schutz
- Haftpflichtversicherung
- Widerrufsrecht
Quelle
LawMedia Redaktionsteam