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Bankgeheimnisverletzung durch Anwalt im Arbeitsprozess

Datum:
25.01.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
Bankgeheimnisverletzung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

StGB 14; BGFA 12 lit. a; BankG 47; ZPO 156, 163 Abs. 1 lit. b und 166 Abs. 1 lit. b

Sachverhalt

„A.________ führte als Anwalt von B.________ vor dem Arbeitsgericht Zürich einen Forderungsprozess gegen dessen ehemalige Arbeitgeberin, die C.________ AG (vormals D.________ AG). In diesem Prozess war u.a. streitig, ob die Bank Ende 2012 noch problematische Geschäftsbeziehungen mit US-Kunden gehabt hatte. B.________ wollte dies mittels des Dokuments «US-Exit Report» beweisen und überreichte dieses Schriftstück, das er noch während seiner Tätigkeit bei der Bank erhalten hatte, zu diesem Zweck seinem Anwalt A.________. Diesem wird vorgeworfen, das Dokument unverändert als Beweismittel dem Arbeitsgericht Zürich eingereicht zu haben im Bewusstsein, dass darin dem Bankgeheimnis unterworfene Informationen, insbesondere Kontonummern sowie Namen und Wohnorte von Bankkunden, enthalten gewesen seien.“

Prozess-History

  • Bezirksgericht Zürich (BGZ)

    • Das Bezirksgericht Zürich sprach A.________ am 7. Juni 2018 des Vergehens gegen das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG; SR 952.0; in der seit 1. Juli 2015 geltenden Fassung) im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. c BankG schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 220.–, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
  • Obergericht des Kantons Zürich (OGZ)

    • Auf Berufung von A.________ sprach das Obergericht des Kantons Zürich diesen am 12. Dezember 2018 frei.
    • Das OGZ erkannte,
      • dass der Beschwerdegegner
        • den Beweis im Wesentlichen alleine mit den nicht durch das Bankgeheimnis geschützten Inhalten des Dokuments hätte erbringen können;
        • mit der Einbringung der geheimen Informationen habe zur Steigerung der Beweiskraft beigetragen wollen und es sei vorliegend von einem schützenswerten Offenbarungsinteresse auszugehen, von welchem der Beschwerdegegner in Ausübung seiner anwaltlichen Pflichten Gebrauch gemacht und somit rechtmässig im Sinne von StGB 14 gehandelt habe;
      • dass dem Bankgeheimnis in casu eine eher theoretische Bedeutung zukomme, da eine Weiterverbreitung der geschützten Daten vor dem Hintergrund des Amtsgeheimnisses sowie der Schriftlichkeit des Verfahrens praktisch ausgeschlossen sei.
    • Bundesgericht (BGer)

      • Gegen diesen Entscheid führte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich Beschwerde in Strafsachen.
      • Sie beantragte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und einen Schuldspruch im Sinne der Anklage.
      • Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung ans OGZ zurückzuweisen.
      • ________ stellt den Antrag, die Beschwerde sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen abzuweisen.
      • Das OGZ verzichtete auf eine Stellungnahme.

Erwägungen

  • Vorwürfe der Staatsanwaltschaft an die Vorinstanz

    • Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich als Beschwerdeführerin wirft dem OGZ als Vorinstanz vor:
      • die Verletzung von StGB 14
      • die Verletzung von BGFA 12 lit. a
      • die Verletzung von BankG 47 Abs. 1 lit. a und c
  • Rechtfertigungsgründe

    • Das BGer hält zunächst fest, dass Berufspflichten, wie zB BGFA 12, tatsächlich als Rechtfertigungsgründe im Sinne von StGB 14 dienen könnten.
    • Hinsichtlich BankG 47 Abs. 5, ZPO 163 Abs. 1 lit. b und ZPO 166 Abs. 1 lit. b gelte es zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das Bankgeheimnis in der Vergangenheit mehrmals und stärker als andere Berufsgeheimnisse einschränkte.
  • Geheimhaltungspflichten gegenüber Behörden und Gerichten

    • Bei der Anwendung von StGB 14 seien die Schranken und die langjährige Praxis zu berücksichtigen, wonach Geheimhaltungspflichten auch gegenüber Behörden und Gerichten zu beachten seien.
  • Beweisrechtliche Notwendigkeit

    • Geheimnisse dürften im Prozess nur insoweit offenbart werden,
      • als dies für die Führung des Prozesses notwendig sei
    • Der Entscheid, ob eine Geheimnis-Offenbarung im Einzelfall notwendig sei, bleibe nicht den Parteien anheimgestellt, sondern obliege dem Gericht, wie
      • die Anordnung der Edition bestimmter Akten
      • die allf. Anordnung von Schutzmassnahmen im Sinne von ZPO 156
  • Konkrete Verhältnisse

    • Subsumption
      • Das BGer wandte diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an.
    • Feststellungen der Vorinstanz
      • Beweisthema im Zivilprozess war die Behauptung der ehemaligen Arbeitgeberin bzw. Prozessgegnerin, dass diese zu einem gewissen Zeitpunkt keine problematischen Geschäftsbeziehungen mit US-amerikanischen Kunden mehr unterhalten habe.
        • Nach den (massgebenden) Feststellungen der Vorinstanz liess sich der Beweis bereits mit den statistischen Angaben auf den nicht geheimnisgeschützten Seiten 2 und 3 des Dokuments erbringen.
        • Es war also nicht erforderlich, das gesamte instruktionsweise zur Verfügung gestellte Dokument in den Prozess einzuführen. Damit fehlte es bereits an der sachlichen Notwendigkeit.
        • Dass das vollständige Dokument zusätzlich an Beweiskraft gewonnen habe, spielte im Hinblick auf die Notwendigkeit entgegen der Ansicht der Vorinstanz keine Rolle.
      • Ausserachtlassung der Anonymisierungsmöglichkeit und der Gerichtszuständigkeit für den Entscheid über die Offenlegung geheimer Informationen
        • Ganz abgesehen davon, dass der Beschwerdegegner es gemäss BGer offensichtlich sorgfaltswidrig unterlassen habe, den Inhalt des fraglichen Dokuments genau zu analysieren und wo geboten zu schwärzen, verletzte er auch den zivilprozessrechtlichen Grundsatz, wonach dem Gericht die Entscheidung über die Offenlegung von geheimen Informationen obliege.
      • Keine Rechtfertigung für den Beschwerdegegner
        • Aufgrund der vorstehenden Ausführungen falle eine Rechtfertigung für das Vorgehen des Beschwerdegegners nach StGB 14 i.V.m. BGFA 12 lit. a ausser Betracht, so das BGer.

Ergebnis

Die Offenbarung von durch das Bankgeheimnis geschützten Informationen in einem Arbeitsprozess (Zivilprozess) ist nur insoweit zulässig, als dies für die Prozessführung notwendig ist, wobei hinsichtlich weitergehender Informationen zivilprozessuale Schutzmassnahmen für die Geheimhaltung möglich sind.

Das BGer hatte die Beschwerde daher gutzuheissen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2018 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 1’500.– werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
  3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

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