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Zivilprozessrecht / Gesellschaftsrecht

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Gerichtsverhandlung: Schriftliche Schlussvorträge (Replikrecht) / Liquidation einer einfachen Gesellschaft: Arbeitsbeitrag vs. aussergesellschaftliche Leistungen

Datum:
17.02.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht, Zivilprozessrecht
Stichworte:
Beiträge an die einfache Gesellschaft, Vorträge vor Gericht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZPO 232 Abs. 2, BV 29 Abs. 2 + EMRK 6 / OR 530 ff.

Schriftliche Schlussvorträge

Verzichten die Streitparteien gemeinsam auf mündliche Schlussvorträge und beantragen, schriftliche Parteivorträge einzureichen, hat das Gericht nicht Gelegenheit zu einem zweiten Vortrag zu geben.

ZPO 232 muss laut BGer so verstanden werden, dass:

  • ein gleichzeitig einzureichender, einfacher schriftlicher Schlussvortrag vorgesehen ist;
  • die Parteien aber aufgrund von BV 29 Abs. 2 und EMRK 6 ein unbedingtes Replikrecht haben:
    • Zur Wahrung dieses Replikrechts hat das Gericht den Parteien keine Frist anzusetzen;
    • Das Gericht hat den Parteien aber zwischen der Mitteilung des Plädoyers der Gegenpartei und der Entscheidfällung genügend Zeit für ihre Eingabe einzuräumen.

Liquidation einer einfachen Gesellschaft: Arbeitsleistung ein Beitrag oder nicht ein Beitrag

Bei der Liquidation einer einfachen Gesellschaft ist gleich zu behandeln:

  • ein Arbeitsbeitrag nach OR 531 Abs. 1 wie ein Beitrag in Form von Geld.

Der Gesellschafter einer einfachen Gesellschaft hat Anspruch auf eine Entschädigung bzw. Vergütung nur,

  • wenn er die Arbeitsleistung aussergesellschaftlich aufgrund eines Vertrages mit der Gesellschaft erbracht hat.

Resultiert bei der Liquidation ein Verlust,

  • haben ihn die Gesellschafter, sofern und soweit nichts anderes vereinbart haben, zu gleichen Teilen zu tragen;
  • und ist eine Verlusttragung durch alle Gesellschafter nicht möglich, hat ein Gesellschafter allenfalls eine Zusatzzahlung zu leisten.

Entscheid

  • Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen.
  • Aufhebung des angefochtenen vorinstanzlichen Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz zu neuem Entscheid im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen.
  • (Gerichtskosten)
  • (Entschädigung)

BGer 4A_328/2019 du 09.12.2019   =   BGE 146 III 97

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

Gesetzesbestimmungen zum Thema Schriftliche Schlussvorträge

Art. 232 ZPO   Schlussvorträge

1 Nach Abschluss der Beweisabnahme können die Parteien zum Beweisergebnis und zur Sache Stellung nehmen. Die klagende Partei plädiert zuerst. Das Gericht gibt Gelegenheit zu einem zweiten Vortrag.

2 Die Parteien können gemeinsam auf die mündlichen Schlussvorträge verzichten und beantragen, schriftliche Parteivorträge einzureichen. Das Gericht setzt ihnen dazu eine Frist.

Art. 29 BV   Allgemeine Verfahrensgarantien

1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.

2 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

3 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

Art. 6 EMRK   Recht auf ein faires Verfahren

(1)  Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivil­rechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene straf­rechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beru­hen­den Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens aus­geschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationa­len Sicher­heit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Ju­gendli­chen oder der Schutz des Privatlebens der Prozess­parteien es verlangen oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Um­ständen eine öffentliche Verhandlung die In­teressen der Rechts­pflege beeinträchtigen würde.

(2)  Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

(3)  Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:

  1. a) innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Ein­zelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unter­rich­tet zu werden;
  2. b) ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ha­ben;
  3. c) sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidi­ger ihrer Wahl verteidi­gen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Bei­stand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erfor­der­lich ist;
  4. d) Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu las­sen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu er­wir­ken, wie sie für Bela­stungszeugen gelten;
  5. e) unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.

Gesetzesbestimmungen zum Thema Liquidation einer einfachen Gesellschaft

Art. 531 OR

1 Jeder Gesellschafter hat einen Beitrag zu leisten, sei es in Geld, Sachen, Forderungen oder Arbeit.

2 Ist nicht etwas anderes vereinbart, so haben die Gesellschafter glei­che Beiträge, und zwar in der Art und dem Umfange zu leisten, wie der vereinbarte Zweck es erheischt.

3 In Bezug auf die Tragung der Gefahr und die Gewährspflicht finden, sofern der einzelne Gesellschafter den Gebrauch einer Sache zu über­lassen hat, die Grundsätze des Mietvertrages und, sofern er Eigentum zu übertragen hat, die Grundsätze des Kaufvertrages entsprechende Anwendung.

Art. 533 OR

1 Wird es nicht anders vereinbart, so hat jeder Gesellschafter, ohne Rücksicht auf die Art und Grösse seines Beitrages, gleichen Anteil an Gewinn und Verlust.

2 Ist nur der Anteil am Gewinne oder nur der Anteil am Verluste ver­einbart, so gilt diese Vereinbarung für beides.

3 Die Verabredung, dass ein Gesellschafter, der zu dem gemeinsamen Zwecke Arbeit beizutragen hat, Anteil am Gewinne, nicht aber am Verluste haben soll, ist zulässig.

2. Ansprüche aus der Tätigkeit für die Ge­sellschaft

Art. 537 OR

1 Für Auslagen oder Verbindlichkeiten, die ein Gesellschafter in den Angelegenheiten der Gesellschaft macht oder eingeht, sowie für Ver­luste, die er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus den untrennbar damit verbundenen Gefahren erleidet, sind ihm die übri­gen Gesellschafter haftbar.

2 Für die vorgeschossenen Gelder kann er vom Tage des geleisteten Vorschusses an Zinse fordern.

3 Dagegen steht ihm für persönliche Bemühungen kein Anspruch auf besondere Vergütung zu.

2. Verteilung von Überschuss und Fehlbetrag

Art. 549 OR

1 Verbleibt nach Abzug der gemeinschaftlichen Schulden, nach Ersatz der Auslagen und Verwendungen an einzelne Gesellschafter und nach Rückerstattung der Vermögensbeiträge ein Überschuss, so ist er unter die Gesellschafter als Gewinn zu verteilen.

2 Ist nach Tilgung der Schulden und Ersatz der Auslagen und Ver­wen­dungen das gemeinschaftliche Vermögen nicht ausreichend, um die geleisteten Vermögensbeiträge zurückzuerstatten, so haben die Gesell­schafter das Fehlende als Verlust zu tragen.

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