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Doppelvertretung: Konkretes Risiko eines Interessenkonflikts

Datum:
11.03.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BGFA 12 lit. c, BGFA 14 und BGFA 16 Abs. 1

Die Anwaltsaufsichtskommission jenes Kantons, in welchem die das Einschreiten auslösende Tätigkeit stattgefunden hat, ist auch für die Disziplinierung eines ausserkantonalen Rechtsanwalts zuständig. 

Für die Beurteilung, ob eine Doppelvertretung mit konkretem Interessekonfliktrisiko besteht, sind sämtliche Geschäftsvorfälle im gleichen Sachzusammenhang, auch ausserkantonale, massgebend. 

Sachverhalt

Die Anwaltskommission des Kantons Obwalden auferlegte am 17. Juni 2019 Rechtsanwalt A.________, Goldach/SG, wegen mehrfachen Verstosses gegen Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) eine Busse von Fr. 10’000.–.

Zur Begründung führte die Anwaltskommission im Wesentlichen aus, A.________ habe in verschiedenen Verfahren sowohl die B.________ AG bzw. die C.________ AG als auch A.D.________, Delegierten des Verwaltungsrates der B.________ AG, vertreten. Damit habe er eine unzulässige Doppelvertretung wahrgenommen.

Prozess-History

  • Verwaltungsgericht Obwalden

    • A.________ erhob das Rechtsmittel gegen den Entscheid der Anwaltskommission des Kantons Obwalden Beschwerde beim Verwaltungsgericht Obwalden (VGer OW).
    • Das VGer OW hiess die Beschwerde teilweise gut und reduzierte die Busse wegen mehrfachen Verstosses gegen Art. 12 lit. c BGFA auf Fr. 8’000.–.
  • Bundesgericht

    • Vor Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des VGer OW vom 26.10.2020 aufzuheben.

Erwägungen

Aus dem dargestellten Sachverhalt ergibt sich laut Bundesgericht (BGer), dass ein konkretes Risiko eines Interessenkonflikts vorliegt:

Der Beschwerdeführer hat zeitgleich vertreten:

  • Im Strafverfahren vor der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, vor der Staatsanwaltschaft Obwalden und im Zivilverfahren vor den Gerichten Obwalden die B.________ AG;
  • im Strafverfahren vor der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl zusätzlich noch A.D.________;

In allen Verfahren stand der Vorwurf im Raum, A.D.________ könnte durch seine Handlungen die B.________ AG geschädigt haben.

Da der Beschwerdeführer zeitgleich die B.________ AG vor der Staatsanwaltschaft Obwalden und den Gerichten des Kantons Obwalden sowie im Kanton Zürich zudem auch A.D.________ in einem Strafverfahren vertreten hat, befand er sich mit seinem Doppelmandat in den Verfahren im Kanton Obwalden in einem Interessenkonflikt:

  • Dieser Konflikt war dem angezeigten Anwalt auch bewusst, hat er doch in der am 10. Oktober 2014 erhobenen Strafanzeige gegen F.________ selbst darauf hingewiesen, dass die Ausführung der verdeckten Zahlung für geschäftsfremde Zwecke, unabhängig von der Zustimmung des Delegierten des Verwaltungsrates, widerrechtlich und strafbar sei.
  • Mit einer möglichen Zustimmung durch A.D.________ würde aber auch dieser als möglicher Schädiger der B.________ AG in den Fokus der Behörden gelangen.

Insofern konnte der Beschwerdeführer vor den Behörden des Kanton Obwalden die Interessen der B.________ AG nicht ohne Konflikt mit den Interessen von A.D.________ vertreten, was auch das Obergericht mit Verfügung vom 13. Juni 2017 im arbeitsrechtlichen Zivilverfahren festhielt und dem Beschwerdeführer untersagte, die B.________ AG weiterhin zu vertreten.  

Dieser Interessenkonflikt gilt auch für das vom Kanton Obwalden übernommene Verfahren aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden (1. September 2016):

 In diesem Verfahren hat der Beschwerdeführer

  • vertreten
    • die C.________ AG (Muttergesellschaft der B.________ AG) und
  • in dieser Eigenschaft am 24. Juni 2016 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden gegen F.________ eingereicht, wegen
    • Betrugs;
    • Urkundenfälschung;
    • Bereicherung zum Nachteil der B.________ AG;
    • Vorweisen eines unechten Aktienbuchs;
    • unrechtmässige Eintragung als Eigentümer von Namensaktien ins Aktienbuch der C.________ AG.

Auch in diesem Verfahren bestreitet F.________ sämtliche ihm zu Last gelegten Straftaten und führt aus, A.D.________ habe ihm die Aktien im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses übertragen sowie die Zahlung von Fr. 51’598.45 für seine guten Verdienste für die B.________ AG genehmigt. Auch hier bestand somit die konkrete Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft Obwalden gegen A.D.________ ermitteln würde.

Die Interessen von A.D.________ sind somit gegenläufig zu den ihrerseits gleichgerichteten Interessen der B.________ AG und der C.________ AG:

  • Auch hier befand sich der Beschwerdeführer in einem Interessenkonflikt und konnte sich nicht uneingeschränkt für die Interessen der B.________ AG und der C.________ AG, als Geschädigte einsetzen, ohne konkrete Gefahr zu laufen, die Interessen von A.D.________ zu verletzen.
  • Dies musste ihm bewusst sein, wenn er am 10. Juli 2017 ausgeführt hatte, «unabhängig der vom Beschuldigten behaupteten Anstiftung durch den Delegierten des Verwaltungsrates der Privatklägerin hat der Beschuldigte durch seine Handlungsweise die Straftatbestände der Veruntreuung nach Art. 138 StGB und der Urkundenfälschung nach Art. 251 StGB erfüllt, welche beide von Amtes wegen zu verfolgen sind.»

Würdigung des Bundesgerichts:

Indem der Beschwerdeführer im Kanton Obwalden die B.________ AG bzw. die C.________ AG und (gleichzeitig) auch A.D.________ in dem zum gleichen Sachzusammenhang gehörenden Verfahren vor der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vertrat und – wie dargelegt – ein konkretes Risiko eines Interessenkonflikts gegeben war, hat der Beschwerdeführer Art. 12 lit. c BGFA verletzt.  

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 2’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt.

BGer 2C_999/2020 vom 08.12.2021

Anmerkung der Redaktion

Die Versuchung ist immer wieder gross, sowohl Gesellschaft wie Organ zu vertreten. Anwälte wollen nicht das Organ als ihre Mandatsquelle verlieren und den Klienten einem Konkurrenten überlassen, obwohl ebengerade dies ein auftrags- und standeskonformes Verhalten verlangt.

Das strikte Auseinanderhalten der Interessen der Gesellschaft und des Organs ist notwendig und geht den Beziehungs- und anderen Interessen des Anwalts eindeutig vor.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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