ZGB 553 Abs. 3
Streitpunkte
Vor dem Bundesgericht waren in einem Erbschaftsfall im Kanton Schaffhausen noch strittig:
- Die Wirkungen des Sicherungsinventars nach ZGB 553
- Die Bedeutung der dazu abgegebenen Zustimmungserklärungen.
Sicherungsinventar im Kanton Schaffhausen und im Allgemeinen
Nach dem Wortlaut von ZGB 553 Abs. 3 dürfen die Kantone vorschreiben, dass nebst den in ZGB 553 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 aufgezählten Fallkonstellationen auch in anderen Fällen ein Inventar aufgenommen werden muss:
- ZGB 553 Abs. 3 gilt als sog. Kompetenznorm.
- Der Kanton Schaffhausen hat mit aArt. 73 Abs. 1 EGZGB von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
- Darin ordnete er an, dass die Erbschaftsbehörde «in allen Fällen» über die Erbschaft ein amtliches Inventar aufzunehmen habe.
- ZGB 553 Abs. 3betrifft indes nur die Aufzeichnung des vom Erblasser hinterlassenen Vermögens, wie die ZGB 551-559 die zur Sicherung des Erbganges zu treffenden Massnahmen ordnen.
Das Sicherungsinventar sieht im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach ZGB 581 nicht vor:
- Eine Schätzung der Vermögenswerte
- Eine Haftungsbegrenzung bei Annahme des Nachlasses unter öffentlichem Inventar.
A. Wirkungen des Sicherungsinventars nach ZGB 553
Das Sicherungsinventar gemäss ZGB 553 (meist als „Erbschaftsinventar“ bezeichnet) enthält eine Bestandesaufnahme per Todestag des Erblassers und soll sicherstellen, dass zwischen Erbgangs-Eröffnung und Erbteilung keine Vermögenswerte unbemerkt beseitigt werden können.
Einem solchen Sicherungsinventar kommt gemäss dem bundesgerichtlichen Entscheid keine materiell-rechtlichen Wirkungen zu:
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Beginn Ausschlagungsfrist
- Vorbehalten bleibt der in ZGB 568 vorgesehene Beginn der Ausschlagungsfrist mit dem Tag, an welchem die Behörde den Erben den Abschluss des Sicherungsinventars mitteilt.
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Schätzungen der Vermögenswerte im Sicherungsinventar
- Das Bundesrecht sieht für das Sicherungsinventar im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach ZGB 581 keine Schätzung der Vermögenswerte vor:
- Wird dennoch eine Schätzung vorgenommen, so ergeben sich daraus keinerlei zivilrechtliche Folgen.
- Es steht dem kantonalen Gesetzgeber nicht zu, irgendwelche zivilrechtlichen Wirkungen an die Schätzung zu knüpfen.
- Das Bundesrecht sieht für das Sicherungsinventar im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach ZGB 581 keine Schätzung der Vermögenswerte vor:
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Sicherungsinventar keine Erbteilungsgrundlage
- Ein solches Sicherungsinventar die unter den Erben vorzunehmende Erbteilung nicht:
- Das Sicherungsinventar dient nicht der Berechnung der Erb- und Pflichtteile und kann deshalb auch nicht Grundlage für die Erbteilung bilden.
- Ein solches Sicherungsinventar die unter den Erben vorzunehmende Erbteilung nicht:
Daraus war zu folgern:
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Kanton hat kein Recht auf Kompetenzausweitung
- Mehr als die Kompetenz vorzusehen, dass nebst den in ZGB 553 Abs. 1aufgezählten Fallkonstellationen auch in anderen Fällen (im Kanton Schaffhausen: in allen Fällen) ein Sicherungsinventar aufzunehmen ist, räumt ZGB 553 Abs. 3 den Kantonen nicht ein.
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Obergericht des Kantons Schaffhausen geht unzutreffend von Kompetenzausweitung aus
- Entgegen der Auffassung des Obergerichts und der Beschwerdegegner kann daraus keine kantonale Kompetenz abgeleitet werden, das Inventar mit einer über das Bundesrecht hinausgehenden materiell-rechtlichen Wirkung auszustatten.
B. Bedeutung abgegebener Zustimmungserklärungen
Weiter war vom Bundesgericht zu prüfen, ob die Zustimmungserklärung des Beschwerdeführers vom 12.08.2014 von Bundesrechts wegen einen Einfluss auf die streitgegenständliche Erbteilung hat.
Es ging hier vor allem um die Wirkung des in der Zustimmungserklärung enthaltenen Satzes » dass die von der Kanzlei der Erbschaftsbehörde U.________ erstellte Inventur richtig und für ihn im Sinn von ZGB 634 rechtsverbindlich ist «:
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Zustimmungserklärungswirkung im behördlichen Verfahren
- Die zu beachtenden Eckdaten waren:
- Zustimmungserklärung auf einem von den Behörden vorgegebenen Formular, welches
- auf kantonalem Recht basiert;
- sich insofern als bundesrechtswidrig herausstellte,
- als es das Erbschaftsinventar mit einer materiell-rechtlichen Wirkung ausstattet und
- dieses für die Erbteilung für verbindlich erklärt.
- Soweit das Bundesrecht nicht aus anderen Gründen die Erstellung eines Inventars fordert (ZGB 318 Abs. 2),
- kann die Zustimmungserklärung ausschliesslich im Rahmen des kantonalen Rechts,
- namentlich im Fall der behördlichen Mitwirkung bei der Erbteilung, Wirkung entfalten.
- kann die Zustimmungserklärung ausschliesslich im Rahmen des kantonalen Rechts,
- Zustimmungserklärung auf einem von den Behörden vorgegebenen Formular, welches
- Die zu beachtenden Eckdaten waren:
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Zustimmungserklärung ohne Bedeutung
- Laut Bundesgericht kann auch sonst der streitgegenständlichen Zustimmungserklärung im Erbteilungsprozess keine Bedeutung zugemessen werden.
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Zustimmungserklärung ohne Austausch übereinstimmender Willenserklärungen
- Zwar rechtsgenügende Form des Erbteilungsvertrags (Erbteilungsvertrag in Briefform).
- Aber kein genügender Austauschs der entsprechenden Willensäusserungen.
- Einen solchen hat das Obergericht des Kantons Schaffhausen denn auch nicht festgestellt, ebenso wenig, dass die Erbschaftsbehörde als Bote der erklärenden Erben gehandelt hat (vgl. OR 27).
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Verzicht der Parteien auf eine Erbschaftsbehörde-Mitwirkung
- Nachdem die Parteien auf die Mitwirkung der Erbschaftsbehörde verzichtet und sie entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner gerade keinen Erbteilungsvertrag abgeschlossen haben, muss sich der Beschwerdeführer die fragliche Zustimmungserklärung im Erbteilungsprozess nicht entgegenhalten lassen.
Ergebnis
Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen war die Beschwerde begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Kantonsgericht Schaffhausen zurückzuweisen.
BGer 5A_1036/2020 vom 14.07.2021
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Quelle
LawMedia Redaktionsteam