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Verkehrsrecht / Strafrecht

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Tempoexzess: Cousin filmt und Autoraser wird des Landes verwiesen

Datum:
13.07.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafrecht, Verkehrsrecht
Stichworte:
Autoraser, Freiheitsstrafe, Landesverweis, Raser, Rasertatbestand, Videoaufnahme
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 90 Abs. 2 – 4, StGB 129, StGB 66a und EMRK 8 etc.

Einleitung

Ein Autoraser wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und für sieben Jahre des Landes verwiesen.

Der heute 38-jährige Türke fuhr u.. innerorts mit 110 km/h.

Das Bundesgericht (BGer) bestätigte das Urteil des Solothurner Obergerichts.

Sachverhalt

«A.________ überschritt mit seinem Personenwagen am frühen Nachmittag des 19. August 2017 in U.________ während einer rund zwei Minuten dauernden und per Video dokumentierten Fahrt die innerorts allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 64 km/h (Video bei ca. Sekunde 14), die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h (Video bei ca. Sekunden 44 bis 50), die ausserorts allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 134 km/h (Video bei ca. 1 Minute 10 Sekunden), die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 110 km/h (Video bei ca. 1 Minute 17 Sekunden) und schliesslich in U.________ und V.________ die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um bis zu 50 km/h bzw. die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um bis zu 50 km/h (Video ab ca. 1 Minute 17 Sekunden). Zudem überholte er innerorts bei der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h trotz Gegenverkehrs ein Fahrzeug (Video ab ca. Sekunde 5). A.________ trug keine Sicherheitsgurte und führte den Fahrzeugausweis nicht mit. Die Fahrt wurde von seinem Cousin B.________, der auf der Rückbank des Fahrzeuges sass, mit der Kamera seines Mobiltelefons gefilmt. Das Video wurde alsdann auf eine Social-Media-Plattform gestellt.»

Prozess-History

  • Amtsgericht Olten-Gösgen
    • Das Amtsgericht Olten-Gösgen (AG Olten-Gösgen) verurteilte A.________ am 29.04.2020 wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln und der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichttragen der Sicherheitsgurte und Nichtmitführen des Fahrzeugausweises zu einer Freiheitsstrafe von 39 Monaten und einer Busse von Fr. 80.–.
    • Das AG Olten-Gösgen widerrief den mit Urteil vom 24.03.2015 für eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 90.– gewährten bedingten Strafvollzug.
    • Von der Anordnung einer Landesverweisung nach StGB 66a bis sah es hingegen ab.
  • Obergericht des Kantons Solothurn
    • Gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben Berufung in Bezug auf die Bemessung der Freiheitsstrafe,
      • sowohl A.________
      • als auch die Staatsanwaltschaft Berufung.
    • Die Berufung der Staatsanwaltschaft richtete sich zudem gegen das Absehen von der Anordnung einer Landesverweisung.
    • A.________ beantragte erneut seine psychiatrische Begutachtung.
      • Mit Verfügung vom 28.08.2020 wies die Instruktionsrichterin diesen Antrag ab.
    • Mit Urteil vom 28.01.2021 sprach das Obergericht des Kantons Solothurn (OG SO) eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten aus, verwies A.________ für sieben Jahre des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) an.
  • Bundesgericht
    • A.________ führte Beschwerde in Strafsachen ans BGer und beantragte, das Urteil des OG SO sei aufzuheben.
      • Er sei wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingt auszusprechenden Freiheitsstrafe von 21 Monaten zu verurteilen,
        • unter Ansetzung einer Probezeit von 5 Jahren.
    • Eventualiter sei ihm der teilbedingte Strafvollzug zu gewähren,
      • wobei der unbedingt vollziehbare Teil der Strafe auf 6 Monate festzusetzen sei.
    • Von einer Landesverweisung sei abzusehen.  

Erwägungen des Bundesgerichts

Vorinstanzlicher Entscheid

Das OG SO verurteilte den Raser zur Hauptsache wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten.

Im Gegensatz zum Amtsgericht Olten-Gösgen sprach das OG SO die von der Staatsanwaltschaft beantragte Landesverweisung von sieben Jahren gegen den in der Schweiz geborenen Türken aus.

Ziele des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wollte mit einer Beschwerde beim BGer folgendes erreichen:

  • eine bedingte Freiheitsstrafe:
  • die Abstandnahme von der Landesverweisung.

Prüfung des Ausweisungspunktes

Das Verschulden des fehlbaren Autolenkers war laut BGer mittelschwer beziehungsweise schwer.

  • Keine Einsicht
    • Die Delinquenz des fehlbaren Lenkers reiche bis in dessen Jugendzeit zurück.
  • Zur Ausweisung
    • Die durch die VI angeordnete Landesverweisung sei nicht zu beanstanden.
    • Interessenabwägung Verhältnismässigkeitsprüfung nach BV 5 Abs. 2, BV 36 Abs. 2 und 3 sowie EMRK 8 Ziffer 2
      • Eingriff in das Privat- und Familienleben?
        • Berücksichtigung
          • von Art und Schwere des Verschuldens
          • der seit der Tatbegehung verstrichene Zeit
          • des bisherigen Verhaltens der betreffenden Person
          • der Dauer des bisherigen Aufenthalts in der Schweiz
          • der Intensität ihrer sozialen, kulturellen und familiären Bindungen
            • im Gastgeberstaat und
            • im Heimatland
      • Ein bedeutendes Interesse liess sich nicht bejahen, wegen
        • seiner schlechten Integration des Privatlebens
        • des Fehlens von privaten, beruflichen oder gesellschaftlichen Beziehungen über die normale Integration hinaus (zudem: halbe IV-Rente)
        • seiner Mächtigkeit der türkischen Sprache.
        • seines ledigen Standes
        • seiner Kinderlosigkeit
        • etc.
  • Fortsetzung der Gefahr für die Allgemeinheit
    • Der Fehlbare bewirke weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
  • Fehlende charakterliche Verbleibeeignung
    • Vorstrafen und weitere Strassenverkehrsdelikte.
    • Charakterbedingter Hang, sich durch massive Geschwindigkeitsüberschreitungen zu brüsten.

Dem BGer blieb nur, die Beschwerde abzulehnen und das Urteil des OG SO zu bestätigen.

Entscheid des Bundesgerichts

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 3’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

BGer 6B_429/2021 vom 03.05.2022

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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