RA Urs Bürgi, Inhaber des Zürcher Notarpatentes, und
RA Marc Peyer, Fachanwalt SAV Erbrecht
Einleitung
Wie bereits berichtet tritt am 01.01.2023 die Erbrechtsrevision in Kraft.
Diese Artikelfolge soll auf das gesamte Erbrechts-Reformvorhaben des Bundes und die einzelnen, am 01.01.2023 in Kraft tretenden Änderungen näher eingehen.
Zunächst zur Agenda der Artikelfolge:
ERBRECHTSREVISION – DIE ARTIKELFOLGE
Teil 1 – Grundlagen
Teil 2 – Gesetzliches Erbrecht: Keine Änderungen
Teil 3 – Eltern-Pflichtteil: Abschaffung
Teil 4 – Nachkommen-Pflichtteil: Reduktion
Teil 5 – Ehegüterrecht + Ehegatten-Erbrecht
Teil 6 – Nutzniessung nach ZGB 473
Teil 7 – Erbvertrag: Bindungswirkung
Teil 8 – Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a): Berücksichtigung im Ehegüter- und Erbrecht
Erbrechtsrevision und ihre Entstehung
Die Erbrechtsrevision geht im Wesentlichen auf die am 17.06.2010 von exStänderat Felix Gutzwiller eingereichte Motion 10.3524 «Für ein zeitgemässes Erbrecht» zurück.
Der Bundesrat (BR) eröffnete am 04.03.2016 die Vernehmlassung zum Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erbrecht).
Angesichts der umfangreichen Vernehmlassungs-Antworten und der dabei Gewahr gewordenen Komplexität der Fragestellungen entschied sich der BR am 10.05.2017, das Erbrecht in mehreren Etappen zu reformieren:
Erbrechtsrevision im ZGB (1. Reformetappe)
Die erste Reformetappe der Erbrechtsrevision bezog sich auf den mit der Motion Gutzwiller erteilten Gesetzgebungsauftrag. Die Eckdaten sind:
- Botschaft des Bundesrates vom 29.08.2018 mit dem Gesetzesentwurf
- Ständerat (Behandlung der Vorlage in der Herbstsession 2019)
- Nationalrat (Behandlung der Vorlage in der Sommersession 2020)
- Differenzbereinigung (Wintersession 2020)
- Schlussabstimmung der Räte (18.12.2020).
Das Referendum wurde nicht ergriffen, weshalb der BR mit Beschluss vom 19.05.2021 das Revisionsprojekt auf den 01.01.2023 in Kraft setzen konnte.
Der Gegenstand dieser ersten Reformetappe bildet Informationsinhalt dieser Artikelfolge.
Weitere Reformvorhaben
- Erbrechtliche Unternehmensnachfolge (2. Reformetappe)
- Die zweite Reformetappe der Erbrechtsrevision betrifft die erbrechtliche Unternehmensnachfolge:
- Gemäss Botschaft des BR soll unter möglichster Wahrung des Grundsatzes der Gleichstellung der Erben die erbrechtliche Unternehmensnachfolge erleichtert werden.
- Dies soll mittels folgender drei Massnahmen geschehen:
- Erlass eines Rechts auf Integralzuweisung des Unternehmens;
- Möglichkeit für den Unternehmensnachfolger, von seinen Miterben einen Zahlungsaufschub zur Vermeidung von Liquiditätsschwierigkeiten zu erhalten;
- Normierung von spezifischen Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens im Rahmen der Erbteilung.
- Vgl.:
- Sog. technische Revisionsvorlage (3. Reformetappe)
- Die dritte Reformetappe sodann beschlägt eher technische Revisionsanliegen (sog. «technische Revisionsvorlage»).
- Obwohl die „Ansage“ auf eher technische Normenberichtigungen schliessen lässt, geht es in diesem Reformpaket um wichtige materiell-rechtliche Fragenstellungen wie:
- Massnahmen gegen Erbschleicherei
- Informationsrechte der Erben
- Frist für die Ungültigkeitsklage gegen bösgläubige Bedachte
- Aufsicht über die Willensvollstrecker
- Erbbescheinigung
- Audiovisuelles Nottestament
- Verkürzte Fristen für den öffentlichen Erbenruf
- etc.
- Laut Bundesamt für Justiz soll die Botschaft im Verlauf des Jahres 2023 dem Bundesrat unterbreitet werden.
- Vgl.
- Separate Reform des internationalen Erbrechts im IPRG
- Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle noch auf die parallel zur Erbrechtrevision des ZGB verlaufende Revision des internationalen Erbrechts im IPRG hingewiesen.
- Vgl.:
Weiterführende Informationen
- Erbrechtsrevision im ZGB (1. Reformetappe)
- Revision der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge (2. Reformetappe)
- Revision der technischer Anliegen (3. Reformetappe)
- Reform des Internationalen Erbrechts (IPRG)