RA Urs Bürgi, Inhaber des Zürcher Notarpatentes, und
RA Marc Peyer, Fachanwalt SAV Erbrecht
Einleitung
Wie bereits berichtet tritt am 01.01.2023 die Erbrechtsrevision in Kraft.
Diese Artikelfolge soll auf das gesamte Erbrechts-Reformvorhaben des Bundes und die einzelnen, am 01.01.2023 in Kraft tretenden Änderungen näher eingehen.
ERBRECHTSREVISION – DIE ARTIKELFOLGE
Teil 2 – Gesetzliches Erbrecht: Keine Änderungen
Teil 3 – Eltern-Pflichtteil: Abschaffung
Teil 4 – Nachkommen-Pflichtteil: Reduktion
Teil 5 – Ehegüterrecht + Ehegatten-Erbrecht
Teil 6 – Nutzniessung nach ZGB 473
Teil 7 – Erbvertrag: Bindungswirkung
Teil 8 – Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a): Berücksichtigung im Ehegüter- und Erbrecht
Keine Änderungen des gesetzlichen Erbrechts
Das per 01.01.2023 in Kraft tretende neue Erbrecht ändert nichts am Kreis der gesetzlichen Erben und an den gesetzlichen Erbquoten (ZGB 457 – 462; siehe hierzu unten).
Kein gesetzliches Erbrecht für faktische Lebenspartner
Insbesondere wird kein gesetzliches Erbrecht für die überlebende faktischen Lebenspartnerin bzw. des überlebenden faktischen Lebenspartners eingeführt. Die erbrechtliche Begünstigung einer faktischen Lebenspartnerin bzw. eines faktischen Lebenspartners bedarf daher (wie bisher) zwingend einer Verfügung von Todes wegen.
- Die Motion Gutzwiller 10.3524 verlangte noch, „dass die bisher diskriminierten unverheirateten Lebenspartnerinnen und -partner in das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht mit einbezogen werden und dadurch eine im Vergleich zu den verheirateten sowie den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern faire, das heisst gleichwertige Behandlung erfahren (allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Gleichwertigkeit der Lebens- und Verantwortungsgemeinschaften).“ (vgl. 10.3524 MOTION Für ein zeitgemässes Erbrecht).
- In der vom Parlament schliesslich an den Bundesrat überwiesenen Fassung der Motion wurde dann allerdings klärend ergänzt, dass „keine erbrechtliche Gleichstellung der Konkubinatspaare mit den Ehepaaren“ beabsichtigt sei.
- Damit hat das Parlament eine für den Bundesrat verbindliche Vorentscheidung getroffen (vgl. Botschaft Erbrecht, S. 5861).
- Entsprechend nahm der Bundesrat im Vorentwurf keine Regelung auf, mit der die faktische Lebenspartnerschaft im Erbfall mit der ehelichen Gemeinschaft oder der eingetragenen Partnerschaft gleichgestellt worden wäre (vgl. Botschaft Erbrecht, S. 5861).
Kein Unterhaltsvermächtnis für faktische Lebenspartner
Der Bundesrat schlug im Sinne einer Härtefallregelung einen gesetzlichen Unterstützungsanspruch in der Form einer monatlichen Rente (Unterhaltsvermächtnis) zugunsten der überlebenden faktischen Lebenspartnerin bzw. des überlebenden faktischen Lebenspartners vor, für den Fall, dass diese bzw. dieser ohne Unterstützung in Not geraten würde, vorausgesetzt, dass die Gemeinschaft mindestens 5 Jahren bestanden hat (eine Deckelung hätte die Rechtssicherheit der weiteren Erben gewährleisten sollen; vgl. Art. 606a ff. E-ZGB)
Dieser Vorschlag stiess jedoch (vor allem) im Ständerat auf Kritik und wurde von diesem in der Herbstsession 2019 mit 28 zu 12 Stimmen abgelehnt (vgl. SDA-MELDUNG – STÄNDERAT STREICHT RENTE FÜR LEBENSPARTNER AUS ERBRECHTS-REVISION).
Unveränderter Kreis der gesetzlichen Erben und unveränderte gesetzliche Erbquoten
Der Kreis der gesetzlichen Erben bleibt somit unter dem neuen Recht unverändert:
Verwandte Personen als gesetzliche Erben (Parentelsystem)
1. Parentel: Nachkommen (ZGB 457)
- Sind Nachkommen vorhanden, sind diese von Gesetzes wegen Erben (unter Ausschluss der 2. und 3. Parentel).
- Die Nachkommen erben zu gleichen Teilen (= Gleichheitsprinzip).
- An die Stelle vorverstorbener Nachkommen treten deren Nachkommen (in allen Graden nach Stämmen).
Beispiel: 1. Parentel
Erblasserin mit 2 Töchtern, davon 1 vorverstorben mit 2 Kindern (kein Ehegatte vorhanden).
2. Parentel: Elterlicher Stamm (ZGB 458)
- Sind keine Nachkommen vorhanden, gelangt die Erbschaft an den Stamm der Eltern (unter Ausschluss der 3. Parentel).
- Die Eltern erben nach Hälften (= Gleichheitsprinzip).
- An die Stelle der vorverstorbenen Mutter oder des vorverstorbenen Vaters treten die Nachkommen (in allen Graden nach Stämmen).
- Fehlen auf einer Seite Nachkommen, fällt die ganze Erbschaft an die Erben der andern Seite.
Beispiel: 2. Parentel
Kinderlose Erblasserin, 2 Brüder, vorverstorbener Vater (kein Ehegatte vorhanden).
3. Parentel: Grosselterlicher Stamm (ZGB 459)
- Hinterlässt der Erblasser weder Nachkommen noch Eltern, so gelangt die Erbschaft an den Stamm der Grosseltern.
- Überleben die Grosseltern der väterlichen und die der mütterlichen Seite den Erblasser, so erben sie auf jeder Seite zu gleichen Teilen (= Gleichheitsprinzip).
- An die Stelle eines vorverstorbenen Grossvaters oder einer vorverstorbenen Grossmutter treten ihre Nachkommen (in allen graden nach Stämmen).
- Ist der Grossvater oder die Grossmutter auf der väterlichen oder der mütterlichen Seite vorverstorben, und fehlt es an Nachkommen des Vorverstorbenen, so fällt die ganze Hälfte an die vorhandenen Erben der gleichen Seite.
- Fehlt es an Erben der väterlichen oder der mütterlichen Seite, so fällt die ganze Erbschaft an die Erben der anderen Seite.
Beispiel: 3. Parentel
Kinderlose Erblasserin, Eltern sowie Grossvater und Grossmutter mütterlicherseits vorverstorben. Onkel mütterlicherseits vorhanden (kein Ehegatte vorhanden).
Überlebender Ehegatte / Eingetragener Partner als gesetzlicher Erbe
Der überlebende Ehegatte bzw. eingetragene Partner ist ebenfalls gesetzlicher Erbe und hat gemäss ZGB 462 folgenden gesetzlichen Erbanspruch:
- gegenüber Nachkommen (1. Parentel): die Hälfte
- gegenüber Erben des elterlichen Stamms (2. Parentel): drei Viertel
- Im Übrigen: ganze Erbschaft
Beispiel: Ehegatte und 1. Parentel
Erblasser mit Ehegattin und 2 Töchtern, davon 1 vorverstorben mit 2 Kindern.
Beispiel: Ehegatte und 2. Parentel
Erblasser mit Ehegattin, keine Kinder, 2 Brüder, Vater vorverstorben.
Beispiel: Ehegatte und 3. Parentel
Erblasser mit Ehegattin, keine Kinder, Eltern sowie Grossvater und Grossmutter mütterlicherseits vorverstorben, Onkel mütterlicherseits vorhanden.
Gemeinwesen als gesetzlicher Erbe
Hinterlässt der Erblasser keine Erben, so fällt die Erbschaft an den Kanton, in dem der Erblasser den letzten Wohnsicht gehabt hat, oder an die Gemeinde, die von der Gesetzgebung dieses Kantons als berechtigt bezeichnet wird (ZGB 466).
Kanton Zürich (EG ZGB 124):
- ½ an Kanton Zürich
- ½ an Heimatgemeinde des Erblassers im Kanton Zürich
Abweichung vom gesetzlichen Erbrecht
Durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) kann der Erblasser vom gesetzlichen Erbrecht abweichen.
Schranke bleibt das Pflichtteilsrecht, welches durch die Erbrechtsrevision Änderungen erfährt. Siehe Hierzu:
Teil 3 – Eltern-Pflichtteil: Abschaffung
Teil 4 – Nachkommen-Pflichtteil: Reduktion
Weiterführende Informationen
- Erbrechtsrevision im ZGB (1. Reformetappe)
- Neue Gesetzesbestimmungen
- Chronologie
- Revision der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge (2. Reformetappe)
- Revision der technischer Anliegen (3. Reformetappe)
- Reform des Internationalen Erbrechts (IPRG)