22.036 – GESCHÄFT DES BUNDESRATES
Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft)
Einleitung
Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft und viele Geschäftsmodelle:
- Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte deshalb Vorschläge ausgearbeitet, wie die Unternehmensbesteuerung längerfristig an die neuen Entwicklungen angepasst werden kann.
- Die Schweiz beteiligte sich aktiv an diesen Arbeiten.
Der Bundesrat hatte im Januar 2022 beschlossen,
- die von der OECD und den G20-Staaten vereinbarte Mindeststeuer mit einer Verfassungsänderung umzusetzen.
Basierend darauf soll eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten kann.
Das Gesetz wird im Nachgang auf dem ordentlichen Weg erlassen:
- Das Parlament einigte sich im Dezember 2022 auf folgendes:
- auf den Verfassungsartikel zur OECD-Mindeststeuer (siehe nachfolgend).
- Erforderlich ist eine Abstimmung über die Vorlage durch das Schweizer Stimmvolk wird im Juni 2023.
Nationalrat (NR)
Der Nationalrat (NR) hat das Gesetzgebungsprojekt zur nationalen Umsetzung des OECD/G20-Projekts «Besteuerung der digitalen Wirtschaft» abgeschlossen:
Ständerat (SR)
Das Gesetzgebungsgeschäft hat auch den Ständerat (SR) passiert und in der Schlussabstimmung seine Zustimmung gefunden:
Ergebnis
In der Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten hat sich der Vorschlag durchgesetzt, wonach die Einnahmen aus der neuen Ergänzungssteuer wie folgt aufgeteilt werden und zukommen sollen:
- Kantone: 75 %
- Bund: 25 %
Verfassungsartikel
Art. 129a Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen
1 Der Bund kann für grosse Unternehmensgruppen Vorschriften über eine Besteuerung im Marktstaat und eine Mindestbesteuerung erlassen.
2 Er orientiert sich dabei an internationalen Standards und Mustervorschriften.
3 Er kann zur Wahrung der Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft abweichen von:
- den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäss Artikel 127 Absatz 2;
- den maximalen Steuersätzen gemäss Artikel 128 Absatz 1;
- den Vorschriften über den Vollzug gemäss Artikel 128 Absatz 4 erster Satz;
- den Ausnahmen von der Steuerharmonisierung gemäss Artikel 129 Absatz 2 zweiter Satz.
Art. 197 Ziff. 153
15. Übergangsbestimmungen zu Art. 129a (Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen)
1 Der Bundesrat kann die bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Vorschriften über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen erlassen.
2 Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
- Die Vorschriften gelten für die Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe, die einen konsolidierten jährlichen Umsatz von 750 Millionen Euro erreicht.
- Unterschreiten die massgebenden Steuern der Geschäftseinheiten in der Schweiz oder einem anderen Steuerhoheitsgebiet gesamthaft die Mindestbesteuerung zum Satz von 15 Prozent der massgebenden Gewinne, so erhebt der Bund zum Ausgleich der Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Mindeststeuersatz eine Ergänzungssteuer.
- Massgebende Steuern sind insbesondere die in der Erfolgsrechnung der Geschäftseinheiten verbuchten direkten Steuern.
- Massgebender Gewinn einer Geschäftseinheit ist der für die konsolidierte Jahresrechnung der Unternehmensgruppe nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard ermittelte Gewinn oder Verlust vor Herausrechnung der Transaktionen zwischen den Geschäftseinheiten und nach Berücksichtigung anderer Korrekturen; nicht berücksichtigt werden Gewinne und Verluste aus dem internationalen Seeverkehr.
- Der effektive Steuersatz für ein Steuerhoheitsgebiet berechnet sich, indem die Summe der massgebenden Steuern aller Geschäftseinheiten in diesem Steuerhoheitsgebiet durch die Summe der massgebenden Gewinne dieser Geschäftseinheiten geteilt wird.
- Die Ergänzungssteuer für ein Steuerhoheitsgebiet berechnet sich, indem der Gewinnüberschuss mit dem Ergänzungssteuersatz multipliziert wird.
- Der Gewinnüberschuss in einem Steuerhoheitsgebiet ist die Summe der mass-gebenden Gewinne aller Geschäftseinheiten in diesem Steuerhoheitsgebiet nach dem zulässigen Abzug für materielle Vermögenswerte und Lohnkosten.
- Der Ergänzungssteuersatz für ein Steuerhoheitsgebiet entspricht der positiven Differenz zwischen 15 Prozent und dem effektiven Steuersatz.
- Bei einer Unterbesteuerung in der Schweiz wird die Ergänzungssteuer den inländischen Geschäftseinheiten im Verhältnis des Ausmasses zugerechnet, in dem sie die Unterbesteuerung mitverursacht haben.
- Bei einer Unterbesteuerung in einem anderen Steuerhoheitsgebiet wird die Ergänzungssteuer primär der obersten inländischen Geschäftseinheit und sekundär allen inländischen Geschäftseinheiten zugerechnet.
3 Der Bundesrat kann ergänzende Vorschriften zur Umsetzung der Mindestbesteuerung erlassen, insbesondere über:
- die Berücksichtigung besonderer Unternehmensverhältnisse;
- die Abziehbarkeit der Ergänzungssteuer als Aufwand bei den Gewinnsteuern von Bund und Kantonen;
- das Verfahren und die Rechtsmittel;
- die Strafbestimmungen nach Massgabe des übrigen Steuerstrafrechts;
- die Übergangsregelungen.
4 Sofern der Bundesrat es für die Umsetzung der Mindestbesteuerung als erforderlich erachtet, kann er von den Grundsätzen nach Absatz 2 abweichen. Er kann internationale Mustervorschriften und zugehörige Regelwerke für anwendbar erklären. Er kann diese Kompetenzen auf das Eidgenössische Finanzdepartement übertragen.
5 Die Vorschriften über die Ergänzungssteuer werden von den Kantonen unter Aufsicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung vollzogen. Der Bundesrat kann eine Abgeltung für den administrativen Aufwand vorsehen, der beim Vollzug dieser Vorschriften entsteht.
6 Der Rohertrag der Ergänzungssteuer steht zu 75 Prozent den Kantonen zu, denen die Geschäftseinheiten steuerlich zugehörig sind. Die Kantone berücksichtigen die Gemeinden angemessen. Der Rohertrag der Ergänzungssteuer aus gewinnsteuerbefreiten Tätigkeiten von Geschäftseinheiten von Bund, Kantonen und Gemeinden steht dem jeweiligen Gemeinwesen zu.
7 Der Kantonsanteil am Rohertrag der Ergänzungssteuer wird im Rahmen des Finanz- und Lastenausgleichs als zusätzliche Steuereinnahme berücksichtigt.
8 Macht der Bundesrat von seiner Kompetenz in Absatz 1 Gebrauch, unterbreitet er dem Parlament innerhalb von sechs Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung die gesetzlichen Bestimmungen über die Mindestbesteuerung grosser multinationaler Unternehmensgruppen.
9 Der Bund verwendet seinen Anteil am Rohertrag der Ergänzungssteuer, nach Abzug seiner durch die Ergänzungssteuer verursachten Mehrausgaben für den Finanz- und Lastenausgleich, zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität der Schweiz.
II
1 Dieser Beschluss wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.
Referendum?
Die Referendumsfrist läuft am 08.04.2023 ab.
Chronologie
Obligatorische Volksabstimmung
Die obligatorische Volksabstimmung zur Verfassungsänderung dürfte voraussichtlich stattfinden:
- voraussichtlich Juni 2023.
Weiterführende Informationen
- Dokumente des Bundesrates bei der Verabschiedung des Gesetzgebungsprojekts
- Botschaft (PDF, 1 MB)
- Faktenblatt (PDF, 174 kB)
- Fragen und Antworten (PDF, 226 kB)
- Glossar (PDF, 153 kB)
- Parlamentsinformationen
- Bundesbeschluss des Parlaments
Quelle
LawMedia Redaktionsteam