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Musizieren in Mietwohnung + Mieterkonflikte: Gebot der Rücksichtnahme erlaubt zeitliche Einschränkung

Datum:
15.02.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Mietrecht / Miete / Mietvertrag
Thema:
Musizieren in Mietwohnung + Rücksichtnahmepflicht
Stichworte:
Änderung, Anpassung, Hausordnung, Musizieren, Rücksichtsnahme
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 257f

Sachverhalt

«A.A.________ sowie B.A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) und die C..________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) schlossen am 15. Juli 2016 einen Mietvertrag über eine 5 ½-Zimmer-Wohnung. Sie vereinbarten eine Kündigungsfrist von vier Monaten auf das Ende jeden Monats ausser Dezember.

Ziff. 2.7.3 der allgemeinen Bestimmungen zum Mietvertrag sieht vor, dass die Bewohner gegenseitig Rücksicht nehmen und Ruhestörungen aller Art vermeiden, insbesondere während der Nachtzeit. Das Musizieren ist nur zwischen 8:00 Uhr und 12:00 Uhr sowie von 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr erlaubt.

Die Beklagte übermittelte den Klägern mit amtlichem Formular vom 24. Januar 2019 eine Anpassung der Hausordnung, wonach das Musizieren zwischen 8:00 Uhr und 12:00 Uhr sowie von 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr nur für maximal drei Stunden pro Tag gestattet und an Sonn- und Feiertagen nicht erlaubt ist.

Die Beklagte gab den Klägern mit amtlichem Formular vom 22. März 2019 abermals die Anpassung der Hausordnung bekannt. Sie wies darauf hin, diese Anpassung entspreche jener gemäss Mitteilung vom 24. Januar 2019 und trete per 1. August 2019 in Kraft.»

Prozess-History

  • Schlichtungsbehörde
    • Der Schlichtungsversuch blieb erfolglos.
  • Bezirksgericht Einsiedeln
    • Die Kläger beantragten am 17. April 2019 beim Bezirksgericht Einsiedeln, es sei festzustellen, dass die mit amtlichem Formular vom 24. Januar 2019 angezeigte einseitige Änderung nichtig oder missbräuchlich sei.
    • Mit Eingabe vom 13. Juni 2019 beantragten die Kläger, es sei auch die Nichtigkeit oder Missbräuchlichkeit der mit amtlichem Formular vom 22. März 2019 angezeigten einseitigen Änderung festzustellen.
    •  Das Bezirksgericht wies die Klage am 19. Februar 2020 ab.
  • Kantonsgericht Schwyz
    • Die gegen das Urteil des Bezirksgerichts Einsiedeln gerichtete Berufung der Kläger wies das Kantonsgericht des Kantons Schwyz am 21. Dezember 2020 ab, soweit es darauf eintrat.
  • Bundesgericht
    • Die Kläger beantragten mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die einseitige Änderung des Mietvertrags vom 24. Januar 2019, eventuell vom 22. März 2019, sei für nichtig oder missbräuchlich zu erklären und aufzuheben.
    • Eventualiter sei die Sache an das Kantonsgericht oder an das Bezirksgericht zurückzuweisen.
    • Das Gesuch der Kläger um aufschiebende Wirkung wurde am 9. Februar 2021 abgewiesen.
    • Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erwog zusammengefasst was folgt:

  • Grundsatz: Zulässigkeit des Musizierens
    • Das regelmässige Üben auf einem Musikinstrument ist ohne weiteres mit dem Wohnzweck vereinbar.
  • Schranken
    • Doch gibt es Grenzen.
  • Gebot der Rücksichtnahme
    • Gegenseitige Rücksichtnahme sollte Musizieren in erträglichem Rahmen erlauben
      • Zu Recht leitete die Vorinstanz aus dem Gebot der Rücksichtnahme ab, dass sich das Musizieren wie jeder andere Gebrauch der Wohnung in einem erträglichen Rahmen bewegen müsse.
    • IST-Musizieren
      • Die von der Beschwerdegegnerin vorgesehene Begrenzung des Musizierens auf 3 Stunden pro Tag sei nur schon deshalb zumutbar,
        • weil die Beschwerdeführer oder deren Töchter gemäss ihren eigenen Aufzeichnungen von Januar 2019 bis Januar 2020 lediglich an 5 Tagen länger als drei Stunden musiziert hätten.
        • Meistens waren es 2 bis 3 Stunden, manchmal auch weniger.
    • SOLL
      • Gemäss Vorinstanz ist es sachlich gerechtfertigt, das Musizieren in einer Mietwohnung zu beschränken:
        • werktags
          • auf 3 Stunden pro Tag und
        • sonn- und feiertags,
          • da das Ruhebedürfnis an Sonn- und Feiertagen besonders ausgeprägt sei.
  •  Verhältnismässigkeit der Regelung der Vermieterin
    • Die Regelung des Musizierens durch die Beschwerdegegnerin erwies sich als verhältnismässig.
  • Technische Möglichkeiten (E-Piano mit Kopfhörern)
    • Auch das BGer hält dafür, dass es technische Möglichkeiten gebe, die es erlaubten, mehr als 3 Stunden pro Tag sowie an Sonn- und Feiertagen zu üben, ohne das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu verletzen.
    • Zu denken sei an ein E-Piano mit Kopfhörern!
  • Anpassung der Hausordnung
    • Es war nicht missbräuchlich, wenn die Beschwerdegegnerin, nachdem es wegen des Musizierens unter den Mietern zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, für die Zukunft das Mass des erlaubten Musizierens exakter bestimmte und einen Interessenausgleich anstrebte, durch:
      • Klarstellung zu Gunsten der Beschwerdeführer,
        • dass ihr Musizieren an Werktagen mit bis zu 3 Stunden mehr oder weniger im bisher praktizierten Umfang gestattet bleibe,
        • während andererseits an Sonn- und Feiertagen dem erhöhten Ruhebedürfnis zu Rechnung zu tragen sei.  

Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde war daher nicht einzutreten.

Die Beschwerde in Zivilsachen war abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Entscheid

  1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
  2. Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
  3. Die Gerichtskosten von Fr. 2’000.– werden unter solidarischer Haftbarkeit den Beschwerdeführern auferlegt.
  4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

BGer 4A_74/2021 vom 30.04.2021

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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