URG 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. f; UWG 3 Abs. 1 lit. d
Sachverhalt
Der Kläger (Inhaber mehrerer Patente betreffend Vorrichtungen zum Garen bzw. Kochen von Lebensmitteln sowie Inhaber der Marke «Feuerring», ist Produzent von Stahlschalen, in denen mittels Holzfeuer Lebensmittel gegart werden können (sog. «Feuerringe»).
Die Beklagten konstruieren sog. «Grillringe» und vertreiben diese über das Internet bzw. via Internet-Domains.
Prozess-History
- Handelsgericht des Kantons Aargau
- Vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau (HG AG) beantragte der Kläger u.a., den Beklagten sei das Anbieten, Veräussern und Verbreiten fünf verschiedener Grillring-Modelle zu verbieten.
- Mit Urteil vom 3. August 2021 hiess das Handelsgericht unter Strafandrohung die Klagebegehren Ziff. 1 (Unterlassung), Ziff. 2 (Beseitigung) und Ziff. 3 (Auskunfterteilung und Rechenschaftsablegung seit 26. Juni 2014 bis Urteilsdatum) teilweise gut, nämlich hinsichtlich der Grillgeräte mit den Modellnamen
- «dimidius»,
- «conicum» und
- «hemisfär»
- (Dispositiv-Ziff. 1, 2 und 3).
- Im Übrigen wies es die Klagebegehren Ziff. 1, 2 und 3 ab (Dispositiv-Ziff. 5).
- Es hielt fest, der erste marktreife Feuerring («Feuerring D») sei 2009 geschaffen worden. Bei der Würdigung sei von diesem Objekt «Feuerring D» auszugehen gemäss der nachstehenden Abbildung, auf welches der Kläger seine Klage primär abstütze.
- Bundesgericht
- Gegen den vorinstanzlichen Entscheid erhoben sowohl der Kläger als auch die Beklagten Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht (BGer).
Erwägungen
Die Individualität ist bei allen Werken – Gebrauchsgegenständen eingeschlossen – mit dem Fokus auf den Spielraum zu beurteilen, der für eine individuelle Gestaltung zur Verfügung steht (vgl. URG 2 Abs. 1).
Im Einzelnen:
Urheberrechtlicher Schutz im Allgemeinen:
Werke geniessen von Gesetzes wegen den urheberrechtlichen Schutz,
- wenn sie als geistige Schöpfungen
- mit individuellem Charakter
anzusehen sind.
Nach herrschender Rechtsprechung werden
- verhältnismässig hohe Anforderungen
- an die Individualität von Werken der angewandten Kunst gestellt und
- ist im Zweifel auf eine rein handwerkliche Leistung zu erkennen.
Diese Gerichtspraxis wird im vorliegenden Urteil bestätigt und erläutert:
- Die Anforderungen an die Individualität für alle Werkkategorien sind dieselben.
- Allerdings muss
- die Individualität im Hinblick auf den „Spielraum“ beurteilt werden,
- der für die individuelle Gestaltung zur Verfügung steht.
- die Individualität im Hinblick auf den „Spielraum“ beurteilt werden,
Gebrauchsgegenstände:
Bei Gebrauchsgegenständen ist das vorerwähnte Spektrum („Spielraum“) aufgrund des Gebrauchszwecks eingeschränkt:
- Individuelle künstlerische Gestaltung, die nicht durch den Gebrauchszweck vorgegeben
- Die individuelle künstlerische Gestaltung muss sich nämlich aus demjenigen Teil ergeben,
- der nicht bereits vom Gebrauchszweck vorgegeben ist.
- Die individuelle künstlerische Gestaltung muss sich nämlich aus demjenigen Teil ergeben,
- Individuelle oder originelle Schöpfung
- Insoweit
- können sich die Rahmenbedingungen für eine individuelle oder originelle Schöpfung
- bei verschiedenen Werkarten erheblich unterscheiden und
- muss das Kriterium des individuellen Charakters
- als relativ zur jeweiligen Werkgattung verstanden werden.
- können sich die Rahmenbedingungen für eine individuelle oder originelle Schöpfung
- Insoweit
- Einschränkungen der künstlerischen Freiheit
- Nebst dem Gebrauchszweck können sich Einschränkungen der künstlerischen Freiheit auch aus technischen Anforderungen (eines Patents) ergeben.
- Einschränkungen durch technische Vorgaben
- Dass die technischen Vorgaben keinen Spielraum mehr zulassen würden,
- hätte als rechtshindernde Tatsache in casu von der beklagten Partei dargelegt werden müssen.
- Dass die technischen Vorgaben keinen Spielraum mehr zulassen würden,
- Lauterkeitsrechtlicher Schutz
- Um sich auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz von UWG 3 Abs. 1 lit. d berufen zu können,
- hat ein Zeichen bereits länger in Gebrauch zu stehen (sog. Gebrauchspriorität).
- Um sich auf den lauterkeitsrechtlichen Schutz von UWG 3 Abs. 1 lit. d berufen zu können,
- Nachweis früherer und extern wahrnehmbar Nutzung im Geschäftsverkehr
- Massgebend ist
- die nachgewiesene frühere und
- extern wahrnehmbare Nutzung im Geschäftsverkehr.
- Die blosse Nutzungsabsicht des Zeichens
- ist unzureichend.
- Massgebend ist
Fazit:
Das Bundesgericht (BGer) macht mit diesem Urteil klar, dass
- bei Gebrauchsgegenständen nicht grundsätzlich andere Anforderungen an die Individualität gelten als bei anderen Werken;
- es der Rechtslehre hinsichtlich der Auswirkungen des Ausmasses der Individualität auf den Schutzumfang folgt.
Entscheid
- Verfahrensvereinigung;
- Abweisung beider Beschwerden, soweit darauf einzutreten war;
- je hälftige Auferlegung der Gerichtskosten ohne Zuspruch von Parteientschädigungen.
Weiterführende Informationen / Linktipps
Quelle Artikelbild: bger.ch