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Rechtsvorschlag per e-mail: Rechtzeitigkeit + strenges Empfangsprinzip

Datum:
03.07.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Betreibungsrecht, Schuldbetreibung / Konkurs
Thema:
Rechtsvorschlag per e-mail
Stichworte:
E-Mail, Empfangsprinzip, Rechtsvorschlag, Rechtzeitigkeit
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SchKG 74 Abs. 1 + 3

Für den Nachweis der rechtzeitigen Rechtsvorschlag-Erhebung gilt das sog. «Regelbeweismass der vollen Überzeugung». 

Im Falle eines «E-Mail-Rechtsvorschlags» ist ein strenges Empfangsprinzip zu beachten und es ist eine Empfangsbestätigung zu verlangen. 

Im Einzelnen:

Sachverhalt

«Mit Betreibungsbegehren vom 26. November 2021 leitete A.________ gegen den Kanton Basel-Landschaft die Betreibung für eine Forderung von Fr. 70’000’100.– zuzüglich 5 % Zins seit dem 23. September 2021 ein. Daraufhin stellte das Betreibungsamt Basel-Landschaft am 7. Dezember 2021 den Zahlungsbefehl Nr. xxx aus, welcher der Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft am 10. Dezember 2021 zugestellt werden konnte. Nach Erhalt des Gläubigerdoppels des besagten Zahlungsbefehls, auf welchem das Betreibungsamt bestätigte, dass kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei, verlangte A.________ am 19. Januar 2022 die Fortsetzung der Betreibung.» (lit. A)

Prozess-History

  • Betreibungsamt
    • Am 14. Februar 2022 wies das Betreibungsamt das Fortsetzungsbegehren mit der Begründung zurück, dass der Betriebene auf den Zahlungsbefehl hin Rechtsvorschlag erhoben habe.
    • Dieser sei vom Betreibungsamt zunächst fälschlicherweise nicht protokolliert worden.
  • SchKG-Aufsichtsbehörde
    • Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft mit Entscheid vom 14. Juni 2022 ab.
  • Bundesgericht
    • Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Juli 2022 (Postaufgabe) ist A.________ an das Bundesgericht gelangt.
      • Der Beschwerdeführer beantragt, seine Beschwerde sei gutzuheissen und das Betreibungsamt anzuweisen, seinem Fortsetzungsbegehren Folge zu leisten.
      • Eventuell sei die Angelegenheit zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen des Bundesgerichts

Aus den Erwägungen des Bundesgerichts ergab sich im Wesentlichen bzw. zusammengefasst folgendes:

  • Rechtsvorschlag
    • Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, muss er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich erklären (Vgl. SchKG 74 Abs. 1):
  • Form der Rechtsvorschlag-Erhebung
    • Die Erklärung des Rechtsvorschlags kann formfrei erfolgen.
  • Beweislast
    • Der Betriebene trägt die Beweislast dafür, dass er rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben hat.
    • Hierfür gilt das sog. «Regelbeweismass der vollen Überzeugung»
      • Eine Beweisnot, die für eine Beweiserleichterung notwendig wäre, liegt nicht vor.
  • Empfangsprinzip
    • Die Erhebung des Rechtsvorschlags durch den Betriebenen kann per E-Mail erfolgen,
      • wobei ein strenges Empfangsprinzip gilt.
  • Empfangsbestätigung
    • Der Absender des Rechtsvorschlag-E-Mails ist gehalten, vom Empfänger (Betreibungsamt) eine Empfangsbestätigung zu verlangen, und bei deren Ausbleiben rechtzeitig zu reagieren.
  • Computerausdruck des Rechtsvorschlag erhebenden nicht ausreichend
    • Ein vom Absender beigebrachter Computerausdruck der E-Mail erbringt den Beweis der Übermittlung bzw. der Rechtzeitigkeit des Rechtsvorschlags nicht.
  • Rechtzeitigkeitsnachweis
    • Angesichts der mangelnden Zuverlässigkeit des elektronischen Verkehrs im Allgemeinen und der Schwierigkeit, den Eingang einer E-Mail in den Herrschaftsbereich des Empfängers nachzuweisen, im Besonderen, ist der Absender einer E-Mail gehalten,
      • vom Empfänger eine Empfangsbestätigung zu verlangen

und

      • beim Ausbleiben einer solchen rechtzeitig zu reagieren.
  • Annahme, dass der Rechtsvorschlag unterblieben ist
    • Es ergab sich, dass in der Betreibung Nr. xxx nach den Regeln der Beweislastverteilung von einem unterbliebenen Rechtsvorschlag auszugehen war.
    • Insoweit erwies sich die Beschwerde als begründet.
  • Fortsetzungsbegehren
    • Ob auch die weiteren Voraussetzungen für die Fortsetzung der Betreibung vorliegen, hat die Vorinstanz noch nicht geprüft.
    • Laut BGer drängt sich insbesondere die Frage auf, ob die Betreibung allenfalls rechtsmissbräuchlich und damit nichtig ist.
  • Nichtigkeit der Betreibung?
    • Auf Nichtigkeit der Betreibung wegen Rechtsmissbrauchs wäre zu schliessen,
      • wenn es sich bei dem in Betreibung gesetzten enorm hohen Betrag von Fr. 70 Mio. (gemäss Zahlungsbefehl für «massive Amtspflichtverletzungen, Veräusserung von Privateigentum [Hehlerei], Urkundenfälschung, Diebstahl, Raub etc.» bzw. gemäss der dem Betreibungsbegehren beigelegten letzten Mahnung vom 4. November 2021 aufgrund eines nicht weiter spezifizierten Vorfalls in der gemeinsamen Wohnung an der B.________strasse yyy in U.________) zuzüglich Mahngebühr offensichtlich um einen völlig übersetzten Fantasiebetrag handelt,
      • welcher die Betreibung augenfällig als reine Schikane erscheinen lässt.
    • Zur Prüfung der Frage, ob die Betreibung Nr. xxx rechtsmissbräuchlich angestrengt wurde,
      • ist die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen,
      • welche die Parteien hierzu vorgängig anzuhören haben wird.

Entscheid des Bundesgerichts

  1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft vom 14. Juni 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 1’000.– werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
  3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben.
  4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft mitgeteilt.

BGer 5A_514/2022 vom 28.03.2023   =   BGE 149 III 218 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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